Turbopumpe / Dampferzeugung

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Reinraum

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Turbopumpe / Dampferzeugung
« am: 21. November 2017, 17:36:20 »


Moin,

Kann mir jemand sagen, wo der Stand der Technik ist? Wie derzeit der Dampf/Gas für die Turbopumpe freigesetzt wird?

Nach meiner Literaturrecherche:

Alte Version

Verbrennung des Treibstoffes mit Zusatz eines inerten Stoffes z.B.  Wasser (Ariane 1-4) wird das Heute  noch gemacht?

Neue Version

„Der Treibstoff wird mit dem Oxidator im Überschuss verbrannt und dient so selbst als inerter Stoff. So wird bei der Ariane 5 der Wasserstoff im Mischungsverhältnis von 0,9 anstatt 5.3 verbrannt. Gegenüber dem Zusetzen von Wasser hat dies den Vorteil, das man das Gas, das viel unverbranntem Wasserstoff enthält, nach Antrieb der Turbine noch der Brennkammer oder der Düse zuführen kann wo es nochmals verbrennt. Dies wird bei der zweiten Version der ersten Stufe der Ariane 5 auch gemacht und steigert leicht den Schub.“ Zitat von bernd-leitenberger

Ist das der Aktuelle Stand der Technik?

Nach einer weiteren Recherche benötigt das Vulcain I Triebwerk der Ariane 5 pro Sekunde

1. 8.1 kg für den Gasgenerator
2. 1.8 kg für die Düsenkühlung
3. 1.5 kg für Hilfsfunktionen
4. Und 231.9 kg Treibstoff für das Haupttriebwerk.

Wie oben geschrieben, wird das Gas welches für den Antrieb der Turbopumpen verwendet wird, nach Antrieb der Turbine  noch der der Brennkammer oder der Düse zuführen.

Wie viel von den 1- 3 Punkten wird da zu geführt? Man kann ja nicht alles zuführen oder? Weil sonst wäre es ein perpetuum mobile …
(Und das geht nicht 😉 )

Oder anders gefragt, ich möchte wissen wieviel die Rakete an Kraftstoff für die Turbopumpe „mit schleppen“ muss, welches nicht für den Schub nicht genutzt werden kann? Ohne Einspeisung in die Brennkammer währen es bei 8,1 KG sek. Und 605 Sek Brenndauer ca. 4900  KG wieviel davon wird nochmal Verbrannt?

2 Frage:

Wenn das Gas nach Antrieb der Turbine noch der Brennkammer oder der Düse zuführen wird. Wie verhält sich dieser Treibstoff-„Gas“ in Bezug auf den Reinen Treibstoff?

Also was ich damit meine, das Gas nach der Turbine, ist ja schon zum Teil Verbrannt, bei der Ariane 5 im den Fall zu Wasser (leicht 18 g mol) bei Falcon sein jedoch Co2 (schwerer 44 g mol) stört dieses Gas dem Schub-Impuls? Weil das Gas ja Ausgeschossen werden muss? Oder steht auch mit dem schon Verbrannt Gas noch ein Rückstoß? Also eine Schubkraft.

*

Offline MR

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #1 am: 22. November 2017, 19:31:36 »
Ganz früher, bei der A4 (V2) hat man dafür noch ein eigenes System mit Wasserstoffperoxid und Kaliumpermanganat eingesetzt. Später ist man dann dazu übergegangen, einen Teil des Treibstoffs zu nutzten. Grundsätzlich wählt man das Mischungsverhältnis so, das die Temperatur gering bleibt, eine Komponente wird also im Überschuss verbrannt. Man unterscheidet Nebenstrom- und Hauptstromsysteme. Bei beiden Systemen wird ein Teil des Treibstoffs mit dem Oxidatur verbrannt.
Beim Nebenstromtriebwerk wird das entstehende Gas danach im wesentlichen ungenutzt ins Freie entlassen. Beim Hauptstomtriebwerk wird dieses Gas mit in die Brennkammer geleitet und verbrannt. Das ist effizenter, aber auch technisch aufwendiger.

Einen Teil des Treibstoffs im richtigen Verhältnis zu verbrennen und dann Wasser einzuspritzen, um den Dampf zu kühlen, hat man meines Wissens nur bei der Ariane 1 - 4 gemacht. Der Grund war der Preis. Hydrazin bzw UDMH sind sehr teure Treibstoffe, die schon in den 70ern rund 20 $ pro Kilo kosteten. Um nicht das sündhaft teure Hydrazin im Überschuss verbrennen zu müssen, kam man auf diese Idee mit dem Wasser.

Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #2 am: 22. November 2017, 21:23:12 »
stört dieses Gas dem Schub-Impuls? Weil das Gas ja Ausgeschossen werden muss? Oder steht auch mit dem schon Verbrannt Gas noch ein Rückstoß? Also eine Schubkraft.
Manche Nebenstrom-Triebwerke benutzen den "Auspuff" der Turbopumpe zur Schubvektorsteuerung (siehe hier, letzter Punkt: https://de.wikipedia.org/wiki/Schubvektorsteuerung#Technik_bei_Raketen). Bei manchen Onboard-Videoübertragungen sieht man dann auch, wie dieser Auspuff hektisch herumgesteuert wird.

tonthomas

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #3 am: 23. November 2017, 03:21:56 »


Moin,

Kann mir jemand sagen, wo der Stand der Technik ist? Wie derzeit der Dampf/Gas für die Turbopumpe freigesetzt wird?
...
Da gibt es imho keinen absoluten "Stand der Technik". Aber unterschiedliche Konzepte, die aus unterschiedlichen Gründen auf der Welt in unterschiedlichen Trägern eingesetzt werden.

Gruß   Pirx

tonthomas

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #4 am: 23. November 2017, 03:25:50 »
....
Verbrennung des Treibstoffes mit Zusatz eines inerten Stoffes z.B.  Wasser (Ariane 1-4) wird das Heute  noch gemacht?

Ja. Da zum Beispiel sieht man einen ringförmigen Wassertank im Heck der 2. Stufe der PSLV-C32 aus Indien:

(Quelle: ISRO)

Gruß   Pirx

tonthomas

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #5 am: 23. November 2017, 04:19:06 »
Nach einer weiteren Recherche benötigt das Vulcain I Triebwerk der Ariane 5 pro Sekunde

1. 8.1 kg für den Gasgenerator
2. 1.8 kg für die Düsenkühlung
3. 1.5 kg für Hilfsfunktionen
4. Und 231.9 kg Treibstoff für das Haupttriebwerk.

Wie oben geschrieben, wird das Gas welches für den Antrieb der Turbopumpen verwendet wird, nach Antrieb der Turbine  noch der der Brennkammer oder der Düse zuführen. ....
Beim Vulcain 1 wird kein Turbopumpenabgas dem Triebwerk zugeführt. Beide Turbopumpen haben eigene Abgasrohre.

Das DLR-Bild zeigt das Vulcain-1-Triebwerk in Betrieb:


Gruß   Pirx

Offline Kryo

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #6 am: 23. November 2017, 07:49:55 »
....
Verbrennung des Treibstoffes mit Zusatz eines inerten Stoffes z.B.  Wasser (Ariane 1-4) wird das Heute  noch gemacht?

Ja. Da zum Beispiel sieht man einen ringförmigen Wassertank im Heck der 2. Stufe der PSLV-C32 aus Indien:

(Quelle: ISRO)

Gruß   Pirx

Müsste der Vikas Antrieb sein, der ja auf Viking der Ariane 4 basiert (Lizenzierte Weiterentwicklung)

tonthomas

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #7 am: 23. November 2017, 08:32:36 »
...
Müsste der Vikas Antrieb sein, der ja auf Viking der Ariane 4 basiert (Lizenzierte Weiterentwicklung)
Ja genau, Vikas.

Gruß  Pirx

Reinraum

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #8 am: 23. November 2017, 11:53:48 »
@ Pirx

Vielen dank für deine Antworten.

Nach meiner Recherche, wird beim Vulcain-1-Triebwerk die Gase des Vulcain-1-Triebwerk nicht mehr durch ein „Auspuff“ abgelassen, sondern in den unteren Teil der Düse eingeblasen. Was Schub und spezifischen Impuls leicht erhöht. Dadurch arbeitet Vulcain 2 nicht mehr nach dem klassischen Nebenstromverfahren, sondern nach dem Nebenstromverfahren mit Abgaswiedereinblasung.

Was jemand wie viel der spezifische Impuls dadurch gesteigert wird?

Offline Kryo

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #9 am: 23. November 2017, 12:20:29 »
@ Pirx

Vielen dank für deine Antworten.

Nach meiner Recherche, wird beim Vulcain-1-Triebwerk die Gase des Vulcain-1-Triebwerk nicht mehr durch ein „Auspuff“ abgelassen, sondern in den unteren Teil der Düse eingeblasen. Was Schub und spezifischen Impuls leicht erhöht. Dadurch arbeitet Vulcain 2 nicht mehr nach dem klassischen Nebenstromverfahren, sondern nach dem Nebenstromverfahren mit Abgaswiedereinblasung.

Was jemand wie viel der spezifische Impuls dadurch gesteigert wird?

Der Impuls wird dadurch nicht direkt großartig gesteigert. Der Film aus Turbinen-Abgas überträgt aber vor allem in die Grenzschicht Impuls, was das Ablösen der Strömung verzögert. Das ermöglicht ein hohes Expansionsverhältnis, trotz Zündung am Boden.
Das hohe Expansionsverhältnis ermöglicht dann einen höheren Isp bei niedrigem Außendruck.

Das Vulcain 2 ist eigentlich ein Triebwerk fürs (fast-)Vakuum. Optimal wäre die Zündung in 20-30 km Höhe, und der Lift-Off nur realisiert durch die Solids.

Reinraum

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #10 am: 23. November 2017, 13:38:54 »
Ok. Vielen dank für die Antwort. 

Was mich noch Interessiert: Was wiegt eigentlich so eine 12 MW Turbopumpe?
habe nicht dazu finden können.
 

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Offline MR

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #11 am: 23. November 2017, 18:45:23 »
Ok. Vielen dank für die Antwort. 

Was mich noch Interessiert: Was wiegt eigentlich so eine 12 MW Turbopumpe?
habe nicht dazu finden können.

Die Wasserstoffturbopumpe des Space Schuttle SSME wiegt 350 kg, etwas mehr als ein Automotor...

Offline Dominic

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #12 am: 24. November 2017, 00:54:01 »
Es gibt viele Möglichkeiten wie man den Treibstoff vom Tank in die Brennkammer eines Flüssigraketentriebwerks fördern kann und fast ebenso viele sind auch bereits umgesetzt worden.


(aus Raumfahrtsysteme von Messerschmid und Fasoulas)

Auf der Grafik sind die wichtigsten Typen dargestellt.

Links oben sehen wir das Expander-Cycle Triebwerk. Bei diesem Triebwerk wird üblicherweise der flüssige Treibstoff zunächst durch Kühlkanäle um die Düse und Brennkammer gepumpt, erhitzt sich dabei und verdampft. Mit diesem Treibstoffdampf oder einem Teil davon kann man nun die Turbine antreiben welche wiederum die Pumpen antreibt. Die Kühlkanäle dienen als Dampferzeuger.

Dieses Konzept wird üblicherweise bei Triebwerken mittlerer Leistung, etwa für Raketenoberstufen eingesetzt, ein bekanntes und zugleich das zur Zeit leistungsfähigste Beispiel dieser Bauart ist das Vinci-Triebwerk der Ariane VI Oberstufe. Für Triebwerke sehr großer Leistung ist das Konzept aber ungeeignet da die große Treibstoffmenge hier in den Kühlkanälen nicht stark genug erhitzt wird. Als Variante des Konzepts für leistungsstarke Triebwerke gibt es den Expander-Bleed-Cycle bei dem nur ein kleiner Teil des Brennstoffs nach der Pumpe abgezweigt, in den Kühlkanälen verdampft wird und dann die Turbine antreibt. Der Treibstoffdampf der hier die Turbine antreibt wird aber nicht mehr in die Brennkammer gleitet sondern einfach ausgestoßen, die entsprechend höheren Druckgradienten erlauben höhere Pumpleistungen dafür geht der Treibstoff der durch die Pumpe gleitet wird in dem Fall verloren und trägt nicht zum eigentlichen Schub bei.

Als Variante des Expander-Cycle Triebwerks sind auch diverse nuklearthermische Triebwerke zu nennen bei denen für die Erhitzung des Treibstoffs zusätzliche Leistung zur Verfügung steht da man zusätzliche Kühlkanäle im Neutronenreflektor und/oder äußeren Bereich des Reaktors integrieren kann. Der Expander-Cycle funktioniert nur mit Treibstoffen die sich leicht verdampfen lassen ohne sich dabei zu zersetzen.

Darunter sehen wir eine Variante eines Triebwerks bei dem die Brennkammer als Gasgenerator dient. Ein Teil der Verbrennungsgase wird aus der Brennkammer nicht über die Düse ausgestoßen sondern über die Turbine "Combustion tap-off cycle". Zu den wenigen Triebwerken dieser Bauart gehört das BE-3 Triebwerk von Blue Origin.

Ganz unten links sehen wir ein klassisches Nebenstrom-Triebwerk mit externem Gasgenerator. Ein kleiner Teil des Treibstoffs und des Oxidators wird in eine Seperate Brennkammer gepumpt, dort verbrannt und die Verbrennungsgase treiben nun die Turbine an. Die Verbrennungsgase des Gasgenerators werden entweder in die Düse eingeleitet (etwa Vulcain-II) oder einfach ausgestoßen (etwa Vulcain-I).

Rechts unten sehen wir dann das klassische "Staged Combustion" Hauptstromtriebwerk. Dabei wird der Treibstoff zunächst in einen Gasgenerator geleitet und dort mit einem Teil des Oxydators teilweise verbrannt und so verdampft. Der Teilweise verbrannte Treibstoff wird dann über die Turbine in die eigentliche Hauptbrennkammer geleitet vollständig verbrannt und dann in die Düse geleitet. Ein bekanntes Beispiel ist das RS-25 (Space Shuttle Main Engine). Auch dieses Verfahren ist sehr effizient, der gesamte Treibstoff landet in der Düse und trägt zum Schub bei.

Eine weitere Variante ist ein Gasgenerator in dem ein eigener Treibstoff verbrannt oder zersetzt wird der nur die Aufgabe hat die Turbine anzutreiben. Das wurde etwa bei der A4-Rakete gemacht, dort wurde Wasserstoffperoxid zu Wasserdampf und Sauerstoff zersetzt um die Turbine zu betreiben. Das Verfahren gilt aber als veraltet und wird kaum mehr eingesetzt.

Weitere Möglichkeiten sind die Druckförderung aus einem unter Druck stehenden Tank (wofür der Tank aber entsprechend druckfest und folglich schwer sein muss) und batteriebetriebene elektrische Pumpen wie beim Rutherford-Triebwerk der Rocket Lab Electron.

Wie ist nun das Vulcain Triebwerk im speziellen aufgebaut?



Wie man in diesem vereinfachten Funktionsdiagramm sehen kann gibt es jeweils eine Turbopumpe für Wasserstoff und Sauerstoff mit jeweils einer Turbine. Ein Teil des von der Pumpe geförderten Wasserstoffs und Sauerstoffs wird in den Gasgenerator geleitet wo die beiden Stoffe zu Wasser verbrennen und die Turbinen antreiben, das Wasser wird anschließend über Auspuffe ausgestoßen.

Der Großteil des Wasserstoffs und Sauerstoffs wird aber in die Brennkammer gefördert, dort verbrannt und über die Düse ausgestoßen. Der Wasserstoff wird auf dem Weg durch die Kühlkanäle an der Wand der Düse gepumpt, ein kleiner Teil des Wasserstoffs geht dabei verloren weil er am unteren Ende der Düse ausgestoßen wird (in dem Diagramm nicht dargestellt).

Hier zum Vergleich das Vulcain 2 Triebwerk bei dem das Abgas der Turbinen in die Düse geleitet wird:

tonthomas

  • Gast
Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #13 am: 24. November 2017, 08:16:17 »
Interessanter Weise könnte das Vulcain 2.1 für die Ariane 6 (http://www.esa.int/spaceinimages/Images/2017/10/Vulcain_2.1 ) wieder die beiden Auspuffrohre bekommen. Was könnte dafür der Grund sein? Billiger im Bau? Eine Änderung am Triebwerkskopf, die mehr "Irgendwas" bringt, aber eine Anpassung der Abgasnutzung aufwändig macht und man sie deshalb aufgibt?

Weiß jemand hier mehr und darf es hier auch darstellen?

Gruß   Pirx

Offline Kryo

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #14 am: 24. November 2017, 08:37:49 »
Interessanter Weise könnte das Vulcain 2.1 für die Ariane 6 (http://www.esa.int/spaceinimages/Images/2017/10/Vulcain_2.1 ) wieder die beiden Auspuffrohre bekommen. Was könnte dafür der Grund sein? Billiger im Bau? Eine Änderung am Triebwerkskopf, die mehr "Irgendwas" bringt, aber eine Anpassung der Abgasnutzung aufwändig macht und man sie deshalb aufgibt?

Weiß jemand hier mehr und darf es hier auch darstellen?

Gruß   Pirx

Vielleicht ist es hauptsächlich eine Folge der kostenreduktion?

https://www.gkn.com/en/newsroom/news-releases/aerospace/2017/gkn-delivers-revolutionary-ariane-6-nozzle-to-airbus-safran-launchers/

Die Düsenherstellung wurde stark vereinfacht. 90% weniger Teile, 40% weniger Kosten, 30% weniger Produktionszeit. Ist aber nur eine Vermutung.

Offline proton01

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #15 am: 24. November 2017, 09:01:09 »
Interessanter Weise könnte das Vulcain 2.1 für die Ariane 6 (http://www.esa.int/spaceinimages/Images/2017/10/Vulcain_2.1 ) wieder die beiden Auspuffrohre bekommen. Was könnte dafür der Grund sein? Billiger im Bau? Eine Änderung am Triebwerkskopf, die mehr "Irgendwas" bringt, aber eine Anpassung der Abgasnutzung aufwändig macht und man sie deshalb aufgibt?

Weiß jemand hier mehr und darf es hier auch darstellen?

Gruß   Pirx

Vielleicht ist es hauptsächlich eine Folge der kostenreduktion?

https://www.gkn.com/en/newsroom/news-releases/aerospace/2017/gkn-delivers-revolutionary-ariane-6-nozzle-to-airbus-safran-launchers/

Die Düsenherstellung wurde stark vereinfacht. 90% weniger Teile, 40% weniger Kosten, 30% weniger Produktionszeit. Ist aber nur eine Vermutung.

Das Bild im verlinkten GKN-Artikel zeigt wohl daß die Düse durchgehende Kühlkanäle in axialer Richtung hat. Da ist es dann schwierig auf halber Höhe einen Verteiler zur Einleitung der Turbinenabgase zu installieren. Dieser würde ja die Kanäle unterbrechen.
90% weniger Teile ergibt sich wohl daraus daß eine Struktur aus wenigen Teilen zusammengeschweißt wird und nicht eine Unzahl an Röhrchen. Geringere Kosten folgen dann daraus.

Reinraum

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #16 am: 25. November 2017, 19:34:44 »
Vielen Dank für die Antworten!

Verwendet die Ariane 5 eigentlich nur das Aestus? Oder auch ein HM-7 in der oberstufe?
Was mich noch Interessiert,  Hat die  Falcon 9 eigentlich pro Triebwerk eine Turbopumpe? Oder nur eine für alle 9? Die Falcon Heavy wird sicher pro Flüssigbooster eine Turbopumpe haben?

Offline proton01

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #17 am: 25. November 2017, 20:31:43 »
Vielen Dank für die Antworten!

Verwendet die Ariane 5 eigentlich nur das Aestus? Oder auch ein HM-7 in der oberstufe?
Was mich noch Interessiert,  Hat die  Falcon 9 eigentlich pro Triebwerk eine Turbopumpe? Oder nur eine für alle 9? Die Falcon Heavy wird sicher pro Flüssigbooster eine Turbopumpe haben?

Ariane 5 ES mit Aestus.
Ariane 5 ESC-A mit HM7-B

Da alle Merlin Triebwerke der F9 bis auf die Düse gleich sind hat auch jedes seine eigene Turbopumpen.

Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #18 am: 25. November 2017, 21:24:58 »
Hat die  Falcon 9 eigentlich pro Triebwerk eine Turbopumpe? Oder nur eine für alle 9?

So weit ich weiß (man möge mich hier korrigieren) bauen zur Zeit nur die Russen Raketentriebwerke mit mehren Brennkammern.

Bekannte Beispiele sind:

RD-180 - 2 Brennkammer - Atlas V
RD-107 - 4 Brennkammer - Sojus 2
RD-170-  4 Brennkammern - Energia, die Rakete für Buran



Offline Kryo

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #19 am: 26. November 2017, 12:56:21 »
Jedes merlin hat eine eigene Pumpe. Nur so kann die falcon überhaupt landen den bei der Landung sind die meisten Triebwerke gar nicht aktiv.

Reinraum

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #20 am: 26. November 2017, 16:54:57 »
ok.

Was mich noch interessieren würde, hat die Verbrennungstemperatur eigentlich Einfluss auf den Schub? Also je Heißer desto mehr Schub? Oder ist die Verbrennungstemperatur unrelevant?

lngo

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #21 am: 26. November 2017, 19:24:48 »
ok.

Was mich noch interessieren würde, hat die Verbrennungstemperatur eigentlich Einfluss auf den Schub? Also je Heißer desto mehr Schub? Oder ist die Verbrennungstemperatur unrelevant?

Ja, je heißer desto mehr Schub.

Vereinfacht ist Schub Massenstrom mal Geschwindigkeit. Wenn ich daher die Geschwindigkeit steigere, erhöht sich der Schub.
Die Geschwindigkeit des Abgasstroms oder der Stützmasse, üblicherweise genannt der spezifische Impuls, ergibt sich maßgeblich aus der Verbrennungstemperatur. Je höher die Temperatur, desto höher der Volumenstrom, desto höher die Geschwindigkeit.
Gründe die Temperatur einzuschränken sind mW. nur konstruktive Einschränkungen, wenn bspw. kein Material der Hitze standhält.

Offline Dominic

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #22 am: 27. November 2017, 01:37:20 »
Zitat
Gründe die Temperatur einzuschränken sind mW. nur konstruktive Einschränkungen, wenn bspw. kein Material der Hitze standhält.

Das wichtigste Temperaturlimit ist dadurch gegeben das eine chemische Verbrennung nur begrenzt viel Energie freisetzen kann. Entsprechend kann man den Treibstoff nur in Grenzen aufheizen. Mit Wasserstoff/Sauerstoff erreicht man beispielsweise maximal etwa 3000°C.

Tatsächlich nur konstruktiv limitiert ist die Temperatur bei Triebwerken welche die Wärme nicht durch die Verbrennung von Treibstoff sondern extern zuführen. Mit Lichtbogenheizung (Arcjet) erreicht man heute beispielsweise etwa 20000°C. Auch mit Gaskernreaktoren oder solarthermisch lassen sich enorm hohe Temperaturen erreichen. Und das ohne den Treibstoff zu verbrennen sprich man kann ein Leichtgas wie Wasserstoff ausstoßen und den spezifischen Impuls dadurch weiter steigern.
« Letzte Änderung: 27. November 2017, 15:13:50 von Dominic »

Offline Kryo

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #23 am: 27. November 2017, 07:30:12 »
ok.

Was mich noch interessieren würde, hat die Verbrennungstemperatur eigentlich Einfluss auf den Schub? Also je Heißer desto mehr Schub? Oder ist die Verbrennungstemperatur unrelevant?

Ja, je heißer desto mehr Schub.

Vereinfacht ist Schub Massenstrom mal Geschwindigkeit. Wenn ich daher die Geschwindigkeit steigere, erhöht sich der Schub.
Die Geschwindigkeit des Abgasstroms oder der Stützmasse, üblicherweise genannt der spezifische Impuls, ergibt sich maßgeblich aus der Verbrennungstemperatur. Je höher die Temperatur, desto höher der Volumenstrom, desto höher die Geschwindigkeit.
Gründe die Temperatur einzuschränken sind mW. nur konstruktive Einschränkungen, wenn bspw. kein Material der Hitze standhält.

Die Temperatur alleine ist nicht das einzige Kriterium. Die molare Masse des Abgases ist auch entscheidend. Je leichter, desto höher die Austrittsgeschwindigkeit. Daher wird bei LOX/LH2 nicht stöchiometrisch sondern wasserstoffreich verbrannt.

Offline proton01

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Re: Turbopumpe / Dampferzeugung
« Antwort #24 am: 27. November 2017, 10:32:55 »
Zitat
Gründe die Temperatur einzuschränken sind mW. nur konstruktive Einschränkungen, wenn bspw. kein Material der Hitze standhält.
Das wichtigste Temperaturlimit ist dadurch gegeben das eine chemische Verbrennung nur begrenzt viel Energie freisetzen kann. Entsprechend kann man den Treibstoff nur in Grenzen aufheizen. Mit Wasserstoff/Sauerstoff erreicht man beispielsweise maximal etwa 3000°C.

Die Temperatur alleine ist nicht das einzige Kriterium. Die molare Masse des Abgases ist auch entscheidend. Je leichter, desto höher die Austrittsgeschwindigkeit. Daher wird bei LOX/LH2 nicht stöchiometrisch sondern wasserstoffreich verbrannt.

Typische Verbrennungstemperaturen für max. Isp. sind etwa 3500 K (~3200°C). LOX-Kerosin oder LOX-Methan wird sogar etwas heißer, und auch da ist der Einfluß der molaren Masse der Verbrennungsprodukte dergestallt daß der höchste Isp nicht bei Stöchiometrie erhalten wird.

Tatsächlich nur konstruktiv limitiert ist die Temperatur bei Triebwerken welche die Wärme nicht durch die Verbrennung von Treibstoff sondern extern zuführen. Mit Lichtbogenheizung (Arcjet) erreicht man heute beispielsweise etwa 20000°C. Auch mit Gaskernreaktoren oder solarthermisch lassen sich enorm hohe Temperaturen erreichen. Und das ohne den Treibstoff verbrennen sprich man kann ein Leichtgas wie Wasserstoff ausstoßen und den spezifischen Impuls dadurch weiter steigern.

Auch bei Verbrennungstriebwerken muss die Struktur gekühlt werden, je heißer desto höher ist der Kühlaufwand und damit der Druckverlust des Kühlmittels, den die Turbopumpen überwinden müssen. Da gibt es eine Optimierung, die hängt auch von der vorgesehenen Lebensdauer ab.

Arcjets usw., haben eine sehr hohe Temperatur, aber einen sehr geringen Massenstrom, daher erreichen die auch bei hohem Isp nur geringe Schub. Damit kann man bestenfalls Lageregelung betreiben oder Bahnänderungen, aber keine Start von der Erde oder Mond oder Mars.