Saturn V Flugeigenschaften

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Saturn V Flugeigenschaften
« am: 14. Oktober 2017, 20:54:35 »
Hallo,

ich lese gerade "the last man on the moon" von Gene Cernan.
Dieser Beschreibt den Start auf der Saturn V bei Apollo 10 als extrem hart.
Stufe 1 und 2 sehr starke Pogoschwingungen. Und auch bei der S IV b extreme Vibrationen so
das sie beim TLI schon an Abbruch dachten das CSM und LEM das nicht mehr lange aushalten.

In einem anderen Bericht (ich bin mir nicht sichen, ich glaube es war Alan Bean bei Apollo 12) wird beschrieben
wie ruhig und angenehm der Flug auf der V und gerade der S IV B war.

Gibt es irgendwo vergleichbare Berichte von Apollo 8 - 17 ?
Was ist an der Saturn V im nachträglich während der Missionen so alles verändert worden damit sie ruhiger
wurde. bei Apollo 6 ist di Saturn V ja wohl fast auseinandergebrochen.

Ulli

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Offline Klakow

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Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #1 am: 15. Oktober 2017, 09:39:04 »
indirekt ja, bei hier bei BL
Leider fehlen mir bei ihm die Quellenangaben, aber vielleicht hat er das aus Büchern oder Fachartikeln aus alten Zeitschrifften.

Ariane 42L

  • Gast
Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #2 am: 15. Oktober 2017, 10:09:38 »
Die NASA bzw. das Marshall Space Flight Center hat nach jeden Start einer Saturn V einen
Saturn 5 Launch Vehicle, Flight Evaluation Report
veröffentlicht.
Den Begriff "Saturn 5 Launch Vehicle, Flight Evaluation Report" einfach bei Google eingeben.

Ariane 42L

  • Gast
Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #3 am: 16. Oktober 2017, 17:34:22 »
Bezüglich der Pogo-Schwingungen, wo dies Problem etwas kürzer erklärt wird, findet man auf

JANNAF Lessons Learned Panel Selected Saturn V History
https://ntrs.nasa.gov/archive/nasa/casi.ntrs.nasa.gov/20100024127.pdf

weil die Probleme die man mit der Saturn V hatte, die sind auf tausende von Seiten verfasst!

AS-505/Apollo-10 war von den Messwerten ein sehr ruhiger Flug gewesen.
Die Pogo-Schwingen in der ersten Stufe, die S-IC, gab es nur bei AS-502/Apollo-6.

Die NASA hatte zu jeder Apollo-Mission einen Press Kit veröffentlicht. In einigen der Press Kits werden Änderungen zu den vorhergehenden Saturn V genannt.
Die Press Kits findet man unter http://www.ccas.us/nasa_presskits.htm

Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #4 am: 16. Oktober 2017, 17:52:19 »

AS-505/Apollo-10 war von den Messwerten ein sehr ruhiger Flug gewesen.
Die Pogo-Schwingen in der ersten Stufe, die S-IC, gab es nur bei AS-502/Apollo-6.

Wie gesagt, Gene Cernan schreibt in seinem Buch was Anderes.

Ulli

Ariane 42L

  • Gast
Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #5 am: 17. Oktober 2017, 14:07:49 »
Bei Apollo 10 gab es beim Start eine Anomalie mit der Federung der Counchs (Sitze). Vielleicht ist dies der Grund warum es den Astronauten etwas hart vorkam.

tonthomas

  • Gast
Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #6 am: 17. Oktober 2017, 19:13:46 »
Servus Zusammen!

Aus eben greifbaren Daten zusammengestellt:

AS-501 Apollo 4
Pogo im Bereich von 4 bis 5 Hz beim Betrieb der S-IC

AS-502 Apollo 6
Pogo mit 5 Hz zwischen Flugsekunden 105 und 140 beim S-IC-Betrieb mit 0,60 g
Adaptersektion um LM ("SLA") verliert über 3 Quadratmeter Material so um T + 133 s


(Quelle: NASA)

Bei T + 412 s schaltet Triebwerk 2 der S-II vorzeitig ab
Bei T + 414 s schaltet Triebwerk 3 der S-II vorzeitig ab
Zweite Brennphase der S-IV-B fällt aus, Neustart gelingt nicht

AS-503 Apollo 8
Pogo mit 18 Hz am mittleren Triebwerk in den letzten 50 Sekunden des S-II-Betriebs
Borman schätzte 12 Hz (im CM)

AS-504 Apollo 9
Pogo mit 17 Hz zwischen Flugsekunden 500 und 540 beim S-II-Betrieb mit +/- 12 g

AS-505 Apollo 10
Pogo mit 20 Hz zwischen Sekunden 50 und 100 in der ersten S-IV-B-Brennpase
laut Cernan auch Pogo beim Betrieb der S-IC, die man von der Struktur her leichter gebaut hatte, und insbesondere beim Betrieb der S-II: "“But the pogo stayed with us, worse than ever,  ...”
Verstärkungsträger im CM unter den Sitzen vergessen, er hätte vor dem Start entfernt werden sollen, hat die Pogo-Wirkung für die Crew verschlimmert

AS-506 Apollo 11
Pogo um 75. Sekunde im Betrieb der S-II

AS-507 Apollo 12
8 g Vibrationen am mittleren Triebwerk der S-II
16 Hz zwischen Betriebssekunde 120 - 180 und 240 - 300
mittleres Triebwerk der S-II rund 60 s früher als geplant abgeschaltet

AS-508 Apollo 13
34 g 16 Hz Vibrationen am mittleren Triebwerk der S-II, mittleres Triebwerk wegen kavitierender Pumpe vorzeitig abgeschaltet, Schubgerüst deshalb gerade noch nicht versagt

AS-512 Apollo 17
S-II mittleres Triebwerk "peak center engine gimbal response" +/-0,4 g

AS-513 Skylab
S-II mittleres Triebwerk "peak center engine gimbal response" +/-0,2 g  >> GSFC "no Pogo"
Aber: Die 4,98 m lange Interstage unten an der S-II wurde nicht abgetrennt, da Debris des im Flug beschädigten Mikrometeoritenschilds von Skylab Schäden verursacht hatte - vermutlich Leitungen durchtrennt. Den Triebwerken der S-II wäre es fast zu warm geworden, und sie brannten wegen der ungeplanten Zusatzmasse (~ 5 Tonnen) länger.


Gruß   Pirx
« Letzte Änderung: 17. Oktober 2017, 22:19:27 von Pirx »

Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #7 am: 17. Oktober 2017, 20:49:10 »
Danke sehr.
Das war sehr aufschlussreich.

Die g-Werte beziehen sich auf die Kräfte am Triebwerk und nicht auf die Crew schätze ich.
+/- 12 g hätte sie zermascht.

Ulli

tonthomas

  • Gast
Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #8 am: 17. Oktober 2017, 20:59:01 »
Danke sehr.
Das war sehr aufschlussreich.

Die g-Werte beziehen sich auf die Kräfte am Triebwerk ...
Ja sofern es nicht anders dasteht.

Gruß   Prix

McPhönix

  • Gast
Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #9 am: 17. Oktober 2017, 22:21:53 »
Es könnte nun vlt. mal jemand einen kosmisch langen Blick auf die Überschrift werfen und eine irrsinnig aufwendige Reparatur vornehmen  ;D  ;)

Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #10 am: 18. Oktober 2017, 09:35:59 »
Bei den starken Pogoschwingungen sind die Buchstaben verrutscht  8)

Ulli

Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #11 am: 18. Oktober 2017, 10:22:13 »
Immer wieder faszinierend solche Aufnahmen der Saturn V wie aus Post #6 zu sehen, bei der der untere Teil der Rakete in Flammen gehüllt ist. Mit diesem Effekt (Plume Induced Flow Separation oder kurz PIFS) müssen sich übrigens die Planer von ähnlichen zukünftigen Großraketen zumindest prinzipiell sicherlich ebenfalls auseinandersetzen und er zeigt zudem recht eindrucksvoll, dass Skalierung (egal in welche Richtung) in der Realität oftmals nicht so einfach zu bewerkstelligen ist wie sich das manche hier im Forum vielleicht manchmal ausmalen.

In dieser Veröffentlichung zur Untersuchung numerischer Methoden zu PIFS sieht man den Effekt sehr schön dargestellt: https://ntrs.nasa.gov/archive/nasa/casi.ntrs.nasa.gov/20110004015.pdf
Douglas Adams: "In an infinite universe, the one thing sentient life cannot afford to have is a sense of proportion."

Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #12 am: 18. Oktober 2017, 14:49:04 »
Plume Induced Flow Separation oder kurz PIFS

Hier bei Apollo 8 ist das auch zu sehen: Bis 2:00 tritt das noch nicht auf, erst bei ca. 2:20 sieht man, wie das so langsam anfängt hochzuklettern.

tonthomas

  • Gast
Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #13 am: 19. Oktober 2017, 08:03:27 »
...

In dieser Veröffentlichung zur Untersuchung numerischer Methoden zu PIFS sieht man den Effekt sehr schön dargestellt: https://ntrs.nasa.gov/archive/nasa/casi.ntrs.nasa.gov/20110004015.pdf
Siehe auch

https://www.nas.nasa.gov/assets/pdf/Kiris_Gusman_PlumeCFD.pdf

Gruß   Pirx

Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #14 am: 19. Oktober 2017, 08:56:40 »
In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage.
PIFS scheint mir ein  generelles Phänomen zu sein, wobei mir anhand der Studie nicht ganz klar wurde, ob sich das jetzt nur auf Groß-Raketen vom Typ Saturn V und ähnliche bezieht.
Die Studie wurde offenbar nach der Apollo-Ära angefertigt.
Weiß Jemand, ob es zu diesem Phänomen schon zu Apollo-Zeiten -oder jetzt nachfolgenden  Projekten- konstruktive Änderungen/Anpassungen gegeben hat ?
Offenbar hat PIFS ja möglicherweise störende bis gar schädliche Auswirkungen, insbesondere natürlich auf die Struktur des betroffenen Bereichs der Raketenstufe ?

Grüßle aus dem Ländle,
Uwe

Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #15 am: 19. Oktober 2017, 13:47:25 »
Hallo Uwe,
dieses Phänomen ist/war nicht auf die Saturn V reduziert, sondern konnte auch bei anderen Raketen bereits beobachtet werden (siehe weiter unten im Post die Aufnahme einer F9), war aber bei der Saturn V mit Abstand am stärksten ausgeprägt.

Was man dann wohl später gemacht hat, ist eben die Parameter einer computergestützten Simulationsumgebung solange zu variieren, bis die Ergebnisse der Realität/den Beobachtungen bei der Saturn V entsprach. Damit müsste man dann eigentlich ein Simulationstool zur Hand haben, um auch andere Designs  (z.B. seinerzeit die Ares V) bzw. die Auswirkungen geometrischer Modifikationen auf den Effekt zu untersuchen.
Inwieweit man da entgegenwirken kann, weiß ich nicht (vielleicht gibt es hierzu eigene Veröffentlichungen). Auch nicht welche Auswirkungen dieser Effekt auf die Erststufen hat. Bei der Saturn V und SLS handelt(e) es sich ja bei der ersten Stufe um eine Wegwerfstufe. Bei der F9 scheint PIFS in der dortigen Ausprägung ja scheinbar kein Problem darzustellen. Was aber ist bei New Glenn/Armstrong und oder BFR? Tritt der Effekt dort ebenso heftig auf wie bei der Saturn V? Wird die Stufe nur eingerußt oder ist das kritischer (zumindest was die Wiederverwendung angeht)? Was bedeutet das dann für die Wiederverwendung? Das könnten durchaus spannende Fragen sein.....oder eben auch nicht.

PIFS bei einer F9 (Asiasat 6):


Quelle: Imgur/SpaceX
Douglas Adams: "In an infinite universe, the one thing sentient life cannot afford to have is a sense of proportion."

tonthomas

  • Gast
Re: Saturn V Flugeigenschaften
« Antwort #16 am: 19. Oktober 2017, 14:34:45 »
In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage.
PIFS scheint mir ein  generelles Phänomen zu sein, wobei mir anhand der Studie nicht ganz klar wurde, ob sich das jetzt nur auf Groß-Raketen vom Typ Saturn V und ähnliche bezieht.
Die Studie wurde offenbar nach der Apollo-Ära angefertigt.
Weiß Jemand, ob es zu diesem Phänomen schon zu Apollo-Zeiten -oder jetzt nachfolgenden  Projekten- konstruktive Änderungen/Anpassungen gegeben hat ?
Offenbar hat PIFS ja möglicherweise störende bis gar schädliche Auswirkungen, insbesondere natürlich auf die Struktur des betroffenen Bereichs der Raketenstufe ?

Grüßle aus dem Ländle,
Uwe
Beim F9-NROL-76 Start hab ich gesehen, dass es den Plume insbesondere am Heck in den Bereich zwischen den Landebeiverkleidungen gezogen hat.

--

Die R-7 hat sehr zügig an den unteren Enden der Außenblocks Edelstahl(?)beplankungen bekommen - die Erfordernis war schon bei statischen Prüfstandversuchen erkannt worden

Bei der Testversion der Atlas, der Atlas A, hat man sehr schnell eine Heckverkleidung massiv gekürzt, weil Exhaust ins Heck gezogen ist. Prüfstandversuche wiesen darauf, nach dem ersten (Fehl)-Start wurde gekürzt.

Bei der Vega wurde es sogar am Fairing warm ....

Ob es da auch PIFS gab / gibt, weiß ich aber nicht.

Gruß   Pirx
« Letzte Änderung: 19. Oktober 2017, 16:54:49 von Pirx »