Hallo,
der RAD750®-Prozessor von BAE basiert auf der 32-Bit PowerPC 750 RISC-Architektur (
https://en.wikipedia.org/wiki/PowerPC_7xx) der 3. PowerPC Generation. (Diese kommerziellen Prozessoren wurden z.B. in den bunten iMacs Ende der 90er Jahre verbaut:
https://en.wikipedia.org/wiki/IMac_G3).
Im wesentlichen beinhaltet er zwei Level-1 Caches (je 32kBytes), die Unterstützung eines externen L2-Caches von bis zu 1Mbyte, eine zweite Interger-Unit, eine Gleitkomma-Unit usw. Es gibt diesen wiederum in drei Generationen von 132 MHz Taktfrequenz (RAD750® V1) bis zu neuerdings 233 MHz (RAD750® V3):
http://www.baesystems.com/en-us/download-en-us/20170302134718/1434554723601.pdfDie Rechenleistung ist in etwa vergleichbar mit der eines Intel Pentium II-Prozessors aus der gleichen Zeit. D.h. je nach Taktfrequenz und Anbindung des Arbeitsspeichers sollte sie für Integer-Operationen (Ganzzahlen) bei ca. 200...400 MIPS (Million Operations Per Second) liegen - es werden ca. 200000000...400000000 Maschinenbefehle pro Sekunde ausgeführt. Über die Leistungsfähigkeit der Gleitkomma-Unit kann ich nicht viel sagen.
Das Besondere an diesem Prozessor ist, dass er für die spezifischen Weltraumbedingungen ausgelegt wurde, d.h. neben der erhöhten Zuverlässigkeit in dem erweiterten Temperaturbereich von -55°C bis +125°C ist er auch relatv resistent gegen ionisierende Strahlung (V1: 100 krad, V2: 1 Mrad) und Single Event Effects (Latch-up unempfindlich, relativ unempfindlich gegen SEU, SEFI, ...):
https://landandmaritimeapps.dla.mil/Downloads/MilSpec/Smd/08229.pdfhttps://landandmaritimeapps.dla.mil/Downloads/MilSpec/Smd/12229.pdfIm Gegensatz zu dem puren RAD750®-Prozessor ist die 64-Bit RAD5500™-Reihe von BAE eine System-on-Chip-Lösung. D.h. neben dem(n) eigentlichen Prozessorkern(en) gibt es noch diverse I/O und Funktionen auf dem Chip wie DDR2/3 SDRAM-Controller, SRAM/EEPROM-Controller, NAND Flash-Controller, PCI-Interface, 16 SpaceWire Links mit Router, 4 Serial Rapid I/O Ports, SerDes, SPI, Security Encryption Engine, L1/L2/L3-Caches, usw. Das spart aufwendige Peripherie bzw. einen (sehr) teuren FPGA.
BAE gibt für diese Reihe eine etwa 10-mal höhere Rechenleistung im Vergleich zum RAD750®-Prozessor an:
RAD5510™: 1 Prozessorkern, bis zu 700 MIPS / 466 MFLOPS (Millionen Gleitkommaoperationen pro Sekunde)
RAD5515™: 1 Prozessorkern, bis zu 1400 MIPS / 900 MFLOPS
RAD5545™: 4 Prozessorkerne, bis zu 5600 MIPS / 3700 MFLOPS bei optimaler Auslastung aller vier Kerne
Bei Verwendung der "RADSPEED"-Host Bridge kann die Rechenleistung entsprechend bis auf ca. 70 GFLOPS (70000 MFLOPS) skaliert werden.
https://en.wikipedia.org/wiki/RAD5500.
Ich habe keine Kenntnis, ob der RAD5500™ bereits irgendwo eingesetzt wird - ich bin mir auch nicht sicher, inwieweit qualifizierte Bauteile bereits verfügbar sind. Dahingegen ist der RAD750® eine Art Standard-Prozessor in der amerikanischen Raumfahrt und wurde/wird in diversen Raumfahrtmissionen eingesetzt (laut Wikipedia):
- Deep Impact comet chasing spacecraft, gestartet im Januar 2005 - erster Einsatz eines RAD750 Computers
- XSS 11, small experimental satellite, gestartet am 22.April 2005
- Mars Reconnaissance Orbiter, gestartet am 12.August 2005
- SECCHI (Sun Earth Connection Coronal and Heliospheric Investigation) instrument package, STEREO spacecraft, gestartet am 25.October 2006
- WorldView-1 satellite, gestartet am 18. September 2007 (2 RAD750-Prozessorten)
- Fermi Gamma-ray Space Telescope (GLAST), gestartet am 11. Junie 2008
- Kepler space telescope, gestartet im March 2009
- Lunar Reconnaissance Orbiter, gestartet am 18.Junie 2009
- Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) gestartet am 14.Dezember 2009
- Solar Dynamics Observatory, gestartet am 11.Februar 2010
- Juno spacecraft, gestartet am 5.August 2011
- Curiosity rover, gestartet am 26.November 2011
- Van Allen Probes, gestartet am 30.August 2012
In Europa ist mir der RAD750® noch nicht untergekommen, geschweige denn der RAD5500™ - ich kann zu deren Nutzung in Europa daher nichts sagen. In der Regel werden hier andere Lösungen bevorzugt. Üblichwerweise wird ein relativ "schmalbrüstiger" Prozessor verwendet. Für aufwendige Datenverarbeitungsaufgaben (z.B. Bildverarbeitung, RADAR...) benutzt man FPGAs. Diese Lösung ist in der Regel kostengünstiger (für den RAD750®-Prozessor werden US$ 200000 genannt) und teilweise auch günstiger im Stromverbrauch (verfügbare elektrische Leistung und Abwärme sind üblicherweise sehr limitiert.) Gängige Prozessoren sind hier:
- ERC32-Prozessor: ESA-Entwicklung, basiert auf SPARC V7-Architektur, als Prozessor von Atmel erhältlich (TSC695F), wird eigentlich nur noch in alten Designs verwendet: 20 MIPS/5MFLOPS @25MHz (25MIPS Peak), 300 krad, Latch-up unempfindlich, mit eingebauten EDAC.
- LEON/LEON2/-FT-Prozessor, ESA-Entwicklung basiert auf SPARC V8-Architektur, als IP-Core frei erhältlich (GNU), von Atmel als LEON2-Prozessor angeboten (AT697)
- LEON3/-FT & LEON4/-FT: Von COBHAM Gaisler entwickelt auf Basis der SPARC V8-Architektur, gibt es als VHDL-Bibliothek als auch als ASIC von Gaisler:
* LEON3: bis zu 125 MHz in FPGA-Design / 400 MHz in 0.13µm ASIC, bis zu 1.4MFLOPS/MHz (Dhrystone)
* LEON4: bis zu 125 MHz in FPGA-Design / 1500 MHz in 32nmm ASIC, bis zu 1.7MFLOPS/MHz (Dhrystone)
* LEON-RTG4: Enticklungskit zur Integration von LEON3- und LEON4-Cores in den strahlungsgehärteten RTG4-FPGA von Microsemi
* UT699: ein von COBHAM Aeroflex gefertigter LEON3-Prozessor, bis zu 100/300 krad strahlungsfest
http://gaisler.com/index.php/products/processorshttps://landandmaritimeapps.dla.mil/Downloads/MilSpec/Smd/08228.pdfAnsonsten wird auch gerne versucht, kommerzielle Prozessoren zu verwenden. Dabei sind aber durch die verfügbare elektrische Leistung als auch die abführbare Wärmeleistung und natürlich durch Strahlungseffekte (insbesondere Single Event Effects) enge Grenzen gesetzt. Eine Möglichkeit, um kommerzielle Prozessoren einzusetzen ist z.B. die Verwendung von TMR. Dabei werden drei gleiche Prozessoren parallel verwendet, der Output geht durch einen Voting-Mechanismus. Falls einer der Prozessoren von den anderen beiden abweicht, wird dessen Ergebnis verworfen, der betroffene Prozessor mit den anderen beiden synchronisiert. Dies ist technisch ziemlich anspruchsvoll, DDC (früher Maxwell) bietet z.B. einen Einplatinen-Computer auf Basis kommerzieller PowerPC 750FX™ an (SCS750®). Diese werden bis zu 800 MHz getaktet und leisten dann bis zu 1800 MIPS.
http://www.ddc-web.com/Products/Microelectronics/images/documents/SCS750_rev8_r6.pdfEine interessante Möglichkeit wäre natürlich auch, Smartphone-Prozessoren zu verwenden. Diese zeigten sich leider bisher als ziemlich strahlungsempfindlich, ihr eingeschränkter Temperaturbereich (0°C...70°C) sowie diverse Zuverlässigkeitsprobleme mit den verwendeten Bauteilegehäusen und der Anbindung des Arbeitsspeichers schließen diese praktisch für die meisten Weltraumanwendungen aus. Aber wer weiß was noch kommt?