Frei lebende Milben auf der ISS (und MIR)

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Frei lebende Milben auf der ISS (und MIR)
« am: 06. April 2017, 17:44:46 »
Hey ich will hier eine Frage stellen die mir die letzte halbe Stunde durch den Kopf geht und auf die ich keine befriedigende Antwort finde:

Wenn ich Texte über die letzten Jahre der MIR lese, dann wird dort immer erwähnt, dass die hygienische Situation nicht gut war und dass man überall auf der Station hinter den Abdeckungen Schimmel, Keime und auch Milben gefunden hat und dagegen nur schwer angekommen ist. Bei dem Wort Milben bin ich hellhörig geworden. Das bedeutet ja, dass ein höheres (mehrzelliges) Lebewesen über mehre Jahre frei und außerhalb eines Experiments in der Schwerelosigkeit gelebt hat und sich offensichtlich auch fortpflanzen konnte.

Als Haustaubalergiker habe ich mich schon oft gefragt, ob Milben im Weltraum leben können (denn die Allergie wird von den Milben ausgelöst). Das sie es offensichtlich können ist zwar schade, aber gleichzeitig auch faszinierend. Denn das heißt ja, dass es frei lebende Tiere im Weltraum gibt, die sich vielleicht auch wegen ihrer kurzen Generationszyklen weiter entwickelt haben und sich immer mehr an die Schwerelosigkeit anpassen. Es wäre sicher interessant die DNA dieser ersten Population zu sichern, um über die nächsten Jahrzehnte die Entwicklung zu verfolgen. Vielleicht werden einige Gegenstände aus der ISS (z.B. die Gitarre und teure Geräte) nach Ende der Laufzeit der ISS gerettet, und vielleicht landen sie gar nicht auf der Erde sondern auf einer neuen Station und mit ihnen sicher auch die ISS Milben. Daher kann es ja sein, dass eben diese ISS Milbenpopulation die Urform einer Spezies wird, die man irgendwann überall findet, wo es menschliche Raumfahrt gibt.  Nur ich finde leider keinerlei Informationen zu diesem doch sehr speziellen Thema.  ::)

Daher meine Frage: weiß jemand von euch etwas darüber oder hat jemand eine Meinung dazu? Ist die Situation auf der ISS so viel sauberer, dass dort gar keine Milben leben? Oder wird dazu geforscht und ich bin nur blind oder suche nach den falschen Begriffen?

Hier ein Artikel, der ein Bild einer Milbe enthält, die auf der MIR gelebt hat:
https://science.nasa.gov/science-news/science-at-nasa/2007/11may_locad3
Und hier das eigentliche Paper:
https://smd-prod.s3.amazonaws.com/science-green/s3fs-public/mnt/medialibrary/2007/05/11/11may_locad3_resources/Ott%202004.pdf

Re: Frei lebende Milben auf der ISS (und MIR)
« Antwort #1 am: 06. April 2017, 18:13:34 »
Mich hatten mehrfach Aussagen von Ulrich Walter, daß die Lebendauer einer Raumstation auch wegen des Pilzbefalls begrenzt ist, dazu getrieben, nach mehr Infos hierüber zu suchen. Allerdings bin ich da bisher nicht sonderlich weit gekommen.

Bernd Leitenberger schreibt hierzu:
"Ein weiterer Faktor ist, das sich auf einer Raumstation bei einem konstanten Klima und ohne die Möglichkeit zu lüften, Mikroorganismen ausbreiten. Bei der Mir setzte dies nach einigen Jahren ein, schließlich waren sogar die Bullaugen von Pilzen zugewuchert. Bei der Konstruktion der westlichen Module wurde daher viel Aufwand getrieben, um die Bildung von Kondenswasser zu verhindern, damit dieser Effekt minimiert werden kann. Die Verpilzung kann aber nur vermindert werden, denn es gibt immer Ecken an unzugänglichen Stellen, die als Brutherde fungieren können. Wenn dies zunimmt, so ist dies nicht nur eine Geruchsbelästigung, sondern es kann auch dazu führen, dass eine Gesundheitsgefahr für die Besatzung resultiert."
Quelle: https://www.bernd-leitenberger.de/iss-geschichte3.shtml

Allerdings wüßte ich nicht, was an dem Überleben von Milben so erstaunlich sein sollte. Die ISS hat ja ein durchgängig angenehmes Klima.

Offline rok

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Re: Frei lebende Milben auf der ISS (und MIR)
« Antwort #2 am: 06. April 2017, 21:15:58 »
Selbstverständlich gibt es auf der ISS Milben, das läßt sich garnicht vermeiden, da diese auch auf der Hautoberfläche leben (bspw. Haarbalgmilben, die jeder Mensch im behaarten Bereich mit sich trägt). Das Problem ist, dass manche Menschen auf den Kot der Milben allergisch reagieren, was man als "Hausstauballergie" bezeichnet. In der ISS ist das Problem aber nicht so drastisch aus zwei Gründen:

1. Heftige allergische Reaktionen sind ein Ausschlusskriterium für ISS-Bewohner.
2. Das kontrollierte "Wohnklima" und der ständige Luftwechsel durch Mikrofilter verringern die Belastung durch Milbenkot für die Besatzung erheblich, insbesondere im Vergleich zu einem ganz normalen Schlafzimmer auf der Erde.

Ob und wie sich Milben oder andere Kleinstlebewesen (Bärtierchen, Springschwänze, Nematoden, ...) in der Schwerelosikeit und unter kontrollierten atmosphärischen Bedingungen anders entwickeln als auf der Erde unter "Normalbedingungen" ist ein Thema vieler wissenschaftlicher Arbeiten*.

Robert

*edit: Da kann man sich als Nicht-Biologe ziemlich verirren.  ???

Re: Frei lebende Milben auf der ISS (und MIR)
« Antwort #3 am: 06. April 2017, 22:06:19 »
Ob und wie sich Milben oder andere Kleinstlebewesen (Bärtierchen, Springschwänze, Nematoden, ...) in der Schwerelosikeit und unter kontrollierten atmosphärischen Bedingungen anders entwickeln als auf der Erde unter "Normalbedingungen" ist ein Thema vieler wissenschaftlicher Arbeiten.

Robert

Genau das interessiert mich! Hast Du vielleicht einen Tipp für mich wo ich am Besten nach diesen Arbeiten suchen kann? (und zu ISS-Forschung im Allgemeinen)

Offline tnt

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Re: Frei lebende Milben auf der ISS (und MIR)
« Antwort #4 am: 06. April 2017, 22:32:02 »
https://scholar.google.de/ (der Klassiker)
oder wenn es um medizinische Publikationen geht: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed