Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt

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Stefan307

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Hallo
Ein Spannendes Forum habe ich hier offensichtlich gefunden...
Ich hätte mal eine grundlegendeFrage  zur Erwärumung von Raumfahrezeugen beim Verlassen und Wiedereintreten in die Erdatmosfähre. Wie ja allgemein bekannt ist sind zum Wiedereintritt aufwendige Hitzeschutzmaßnahmen erforderlich wären  zum Start eine einfache Nutzlastvergleidung, bei der Ariane wohl mit Kork beklebt ausreicht.
Jetzt ist die Atmosfähre ja die selbe, nur die Richtung und die offensichtlich die Geschwindigkeit. Jetzt zu meiner Frage ist es theoretisch richtig  das wenn ein Raumfahrzeug so langsam durch die Atmosfäre zurückgebracht würe wie beim Start, das dann auf einen Hitzeschild (zumindest teilweise) verzichtet werden könnte?

MFG S

tobi

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Re: Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt
« Antwort #1 am: 18. Februar 2017, 17:43:26 »
Ja. Das macht zum Beispiel teilweise die Falcon 9 Rakete bei der Landung. Sie benutzt die Triebwerke zum Abbremsen bevor sie in die Atmosphäre eintritt.

Offline wulf 21

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Re: Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt
« Antwort #2 am: 18. Februar 2017, 18:28:05 »
Bei der Falcon 9 Erststufe macht es auch absolut Sinn, weil sie noch relativ langsam ist.

Ich habe Stefan307 aber so verstanden, dass er ein Raumfahrzeug im Orbit meint. Da ist es so, dass es zwar theoretisch möglich wäre, praktisch aber keinen Sinn ergibt. Man müsste ja die gesamte Abbremsarbeit, die die Atmosphäre übernimmt mit Triebwerken durchführen, d.h. man müsste fast noch einmal eine komplett volle Rakete (oder zumindest die Oberstufe) in den Orbit mitnehmen, da ja genau so viel Geschwindigkeit abgebaut werden müsste, wie vorher aufgebaut wurde.

Das ist im Prinzip auch der Sache: Man bekommt die Geschwindigkeitsdifferenz zum Abbremsen von der Atmosphäre quasi "um sonst" (also ohne Einsatz von Treibstoff). Dafür wird aber die gesamte Bewegungsenergie, die vorher von der Rakete aufgebaut wurde nun in Wärme umgewandelt, und um sich vor dieser zu schützen ist der Hitzeschild nötig.

Stefan307

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Re: Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt
« Antwort #3 am: 18. Februar 2017, 18:34:37 »
Ok, ich muß zugeben das ich mich mit der US Raumfahrt nach der Shuttel Ära so gut wie garnicht auskenne...
ne Raketenstufe wieder zu landen ist natürlich ne extrem Energieaufwendige Sache, aber irgendwie ne Coole Idee...
Ich hatte ne etwas andere Idee angeregt durch die Landung der Marssonden die ja trotz der dünnen Mars Atmosfähre mit Fallschirmen arbeiten...
Wenn ich es richtig verstanden habe funktioniert ein Wiedereintritt folgendermaßen: Man zündet in Orbit die Triebwerke und bremmst ab, die Schwerkraft wird stärker als die Zentrifugalkraft, das Raumfahrzeug stürzt auf die Erde zu. Jetzt ist es wohl so das der "freie Fall" bis in die (dichtere) Atmosfähre eine solche Geschwindigkeit aufbaut, das die Reibungshitze sehr groß wird.
Da die Atmosfähre ja keine "scharfe Kante" zum Weltraum hin hat, sondern gegen "Null ausläuft" müsste es doch theoretisch Möglich sein aus einem Orbit "ganz langsam" etwa an einem Fallschirm zur Erde abzusteigen...

MFG S

 

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Offline Schillrich

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Re: Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt
« Antwort #4 am: 18. Februar 2017, 18:59:48 »
Hallo Stefan,

das hängt vom ballistischen Koeffizienten ab, also vom Verhältnis der Trägheitskräfte der Masse zu den Reibungskräften der Atmosphäre. Ein Stück entfaltetes Papier käme wohl wie von dir beschrieben runter. Da würde die hohe Restatmosphäre schon ordentlich bremsen und einen guten Teil der Arbeit leisten. In die dichte Atmosphäre würde es nur noch relativ langsam fallen. Es gab mal eine japanische Origami-Idee so ein "Papier-Ding" von der ISS auszusetzen.
Alles, was deutlich schwerer und kompakter ist, wird von der hohen Restatmosphäre kaum gebremst und kommt mit hoher Geschwindigkeit in die dichteren Schichten ... wo die Bremsarbeit dann schnell, hart und heiß erfolgt.

btw: Atmosphäre ... hier gab's kein Rechtschreibereform.
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

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Stefan307

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Re: Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt
« Antwort #5 am: 18. Februar 2017, 19:26:51 »
Ich hätte jetzt gewettet das ich einen Gedankenfehler da drin habe, weil ich mich jetzt ernsthaft frage warum wird das nicht so gemacht?
bzw. von der historichen Entwicklung her warum wurde das nicht so gemacht, als die Raketen immer höher stiegen hätte es sich doch angeboten immer größere Fallschirme die Proben und Messergebnissbehälter zur Erde zurück zubringen...

MFG S

McPhönix

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Re: Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt
« Antwort #6 am: 18. Februar 2017, 19:50:48 »
Ein weiteres Problem technischer Natur ist - man müßte den (Riesen)fallschirm schon weit oben entfalten und in einer Bereitschaftsposition halten. Zum Beispiel eben erstmal teilgeöffnet und die Öffnung um himmels willen nach unten. Denn eine "formende" Atmosphäre, die das Ding in die oft gesehene Birnenform bringt, gibts ja weit oben noch nicht.
Die Haltevorrichtung und ihr Gewicht wage ich mir nicht vorzustellen.

Re: Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt
« Antwort #7 am: 18. Februar 2017, 20:14:10 »
Hallo Stefan,

ausgerechnet Daniel (Schillrich) hatte mir das mal etwas genauer erklärt :)
https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=13847.msg343138
Kann es sein, daß Du Dich auch genau sowas in etwa gefragt hattest? Problem ist unter anderem, daß man in den Höhen, in denen die Athmosphäre noch recht dünn ist, kaum Hitze ableiten kann, da Vakuum sehr mies im Übertragen von Wärme ist.

Stefan307

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Re: Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt
« Antwort #8 am: 18. Februar 2017, 20:22:12 »
Ein weiteres Problem technischer Natur ist - man müßte den (Riesen)fallschirm schon weit oben entfalten und in einer Bereitschaftsposition halten. Zum Beispiel eben erstmal teilgeöffnet und die Öffnung um himmels willen nach unten. Denn eine "formende" Atmosphäre, die das Ding in die oft gesehene Birnenform bringt, gibts ja weit oben noch nicht.
Die Haltevorrichtung und ihr Gewicht wage ich mir nicht vorzustellen.

Ok zum herausziehen hätte ich jetzt an kleine Raketen gedacht, die ausrichtung sollte sich aber eigentlich von selbst ergeben, sobald der Flugkörper absteigt zieht er den Schirm hinter sich her, der offnet sich dann langsam sobald die Luftdichte zunimmt.
Ich würde jetzt vermuten das dann die Geschwindigkeit schon zu hoch ist, man müsste also mit Triebwerken in die Atmosphäre (danke!) hineinpremsen.
Als nächstes müsste der Schirm nach und nach kleiner werden, sonnst wird die Sinkgeschwindigkeit so gering das das Fahrzeug vom Wind vertrieben wird...
MFG S
   
Ps : Das mit der Wärmeabgabe ist mir klar, ich wollte ja so langsam das keine (kritische) Wärme entsteht, jetzt frag ich mich allerdings auch wo geht die Energie hin beim Fallschirm"flug"
 

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Offline -eumel-

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Re: Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt
« Antwort #9 am: 19. Februar 2017, 03:00:28 »
Wenn ich es richtig verstanden habe funktioniert ein Wiedereintritt folgendermaßen: Man zündet in Orbit die Triebwerke und bremmst ab, die Schwerkraft wird stärker als die Zentrifugalkraft, das Raumfahrzeug stürzt auf die Erde zu. Jetzt ist es wohl so das der "freie Fall" bis in die (dichtere) Atmosfähre eine solche Geschwindigkeit aufbaut, das die Reibungshitze sehr groß wird.

Möglicherweise hast Du das nicht richtig verstanden.
Das Bremsmanöver zum Wiedereintritt bremst das Raumfahrzeug nicht soweit ab, dass die Schwerkraft überwiegt und das Fahrzeug zur Erde beschleunigt.
Durch das Bremsmanöver wird nur die Geometrie der Flugbahn verändert.
Von einer kreisförmigen Bahn zu einer exzentrischen Bahn, deren Perigäum (niedrigster Punkt) innerhalb der Atmosphäre liegt.

Die Geschwindigkeit ist dabei jedoch immer noch sehr hoch.
Raumfahrzeuge im Erdorbit haben eine Geschwindigkeit von 28000 km/h.
Durch das Bremsmanöver zum Wiedereintritt werden sie nur etwa um 300 km/h abgebremst.
Das ist also kaum der Rede wert - die Geschwindigkeit ist immer noch sehr hoch.
Der Zuwachs durch die Schwerkraft ist eher gering.

Als die Apollo Raumschiffe vom Mond zurückkehrten, traten sie mit über 40000 km/h in die Atmosphäre ein.
Das kann man nicht mit Fallschirmen abbremsen.

Zum Vergleich: Eine Pistolenkugel erreicht etwa 1600 km/h, eine schnelle Gewehrkugel 3500 km/h.

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Offline Schillrich

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Re: Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt
« Antwort #10 am: 19. Februar 2017, 08:50:19 »
Hallo Stefan,

es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass ein "Fallschirm" nur sich selbst langsam und sanft genug in der Atmosphäre bremsen kann. Das ist zumindest die Idee, die hinter dem japanischen Origami-Flieger stand. Aber sobald man eine klassische Nutzlast (Metall, Struktur, Elektronik, Bauteile) anflanscht, wird's wohl unmöglich. Das ändert den ballistischen Koeffizienten um Größenordnungen, so dass die Bewegung ganz anders abläuft.
\\   //    Grüße
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Re: Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt
« Antwort #11 am: 19. Februar 2017, 09:28:19 »
Wobei man zu den seinerzeit (2008) geplanten Papierfliegern auch sagen muss, dass das scheinbar kein normales Papier war, sondern dieses Papier mindestens 200°C Celsius und Mach 7 hätte aushalten können (zumindest laut Windkanaltests an einem Papierprototpyen der Flugzeuge). So ein Flieger hätte übrigens 30g gewogen.
Douglas Adams: "In an infinite universe, the one thing sentient life cannot afford to have is a sense of proportion."

Stefan307

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Re: Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt
« Antwort #12 am: 19. Februar 2017, 10:56:19 »
Erst einmal vielen Dank das ihr euch die Mühe macht das mit mir so ausführlich zu diskutieren, das ist nicht in allem Foren selbstverständlich...
Ich habe jetzt verstanden das die "Hauptenergie"beim Wiedereintritt aus der Geschwindigkeit der Kreisbewegung und nicht die Potenzielle Energie der Lage(Höhe) über der Erde ist.
Ok das wirft aber gleich die nächste Frage auf was passiert wenn man den Kurs des  Fahrzeuges von der Erde weglenkt ohne die Geschwindigkeit zu erhöhen? Meiner Meinug nach würde man die Bewegungsenergie in Lageenergie umsetzen, das Objekt würde am höchsten Punkt "stehen bleiben" und dann auf die Erde stürzen...
Was mir auch nicht ganz einleuchtet warum sollte man 28000km/h nicht in den dünnen Schichten der obersten Atmosphäre mittels Fallschirm abbauen können?
Ich befüchte eher das es ein "Ungleichgewicht" zwischen Geschwindigkeitsabnahme und Dichtezunahme geben könnte und dann wird es "Heiß"!

MFG S

tobi

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Re: Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt
« Antwort #13 am: 19. Februar 2017, 11:14:22 »
Ok das wirft aber gleich die nächste Frage auf was passiert wenn man den Kurs des  Fahrzeuges von der Erde weglenkt ohne die Geschwindigkeit zu erhöhen? Meiner Meinug nach würde man die Bewegungsenergie in Lageenergie umsetzen, das Objekt würde am höchsten Punkt "stehen bleiben" und dann auf die Erde stürzen...

Prinzipiell richtig, aber die Flugrichtung von parallel zur Erde zu senkrecht zu ändern, erfordert eine gigantische Menge an Energie/Treibstoff.

Man kann auch von der Erde nur senkrecht nach oben starten, das gibt aber viele Gravitationsverluste und nur wenige Raketen könnten das.

Offline wulf 21

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Re: Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt
« Antwort #14 am: 19. Februar 2017, 11:23:34 »
Was mir auch nicht ganz einleuchtet warum sollte man 28000km/h nicht in den dünnen Schichten der obersten Atmosphäre mittels Fallschirm abbauen können?
Ich befüchte eher das es ein "Ungleichgewicht" zwischen Geschwindigkeitsabnahme und Dichtezunahme geben könnte und dann wird es "Heiß"!

MFG S

Da hast du im Prinzip recht. Das Problem ist, dass hier jeder Geschwindigkeitsabbau in der oberen Atmosphäre dazu führt, dass die Flugbahn mehr nach unten gebogen wird, wodurch man schneller in dichtere Atmosphärenschichten gelangt, die wiederum zu einer stärkeren Abbremsung führen. Diese Selbstverstärkung macht es auch nahezu unmöglich vorrauszuberechnen, wo ein Schrottteil, dass nur von der Reibung der Restatmosphäre gebremst wird (ohne aktiven Deorbit) am Ende runterkommen wird.

Der Trick dabei wäre, dass man horizontal abbremst und trotzdem oben bleibt, d.h. man müsste bereits bei sehr dünner Atmosphäre den aerodymamischen Auftrieb nutzen. Das gänge nicht mit einem Fallschirm, man bräuchte eine Art Flügelstruktur mit sehr großer Fläche und wenig Gewicht, wie eben mit dieser Art von "Papierflieger", die hier vorgestellt wurde.

In weniger extremer Form ist dies auch bei dem Skylon-Konzept (https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=3432.0) der Fall, da dieses Raumfahrzeug fast nur noch aus leeren Tanks und flügelen bestünde, wenn es runterkommt. Es braucht trotzdem noch Hitzebeständiges Material sowie aktive Kühlung einiger kritischer Stellen. Aber eben keine dicken Hitzeschutzkacheln wie beim Spaceshuttle oder ablatives (verdampfendes) Matierial wie bei Dragon mehr.

Stefan307

  • Gast
Re: Verständnissfrage zur Wärmeentwicklung bei Aus und Wiedereintritt
« Antwort #15 am: 19. Februar 2017, 14:08:59 »

Da hast du im Prinzip recht. Das Problem ist, dass hier jeder Geschwindigkeitsabbau in der oberen Atmosphäre dazu führt, dass die Flugbahn mehr nach unten gebogen wird, wodurch man schneller in dichtere Atmosphärenschichten gelangt, die wiederum zu einer stärkeren Abbremsung führen. Diese Selbstverstärkung macht es auch nahezu unmöglich vorrauszuberechnen, wo ein Schrottteil, dass nur von der Reibung der Restatmosphäre gebremst wird (ohne aktiven Deorbit) am Ende runterkommen wird.
Genau das meine ich mit dem "Ungleichgewicht"


Der Trick dabei wäre, dass man horizontal abbremst und trotzdem oben bleibt, d.h. man müsste bereits bei sehr dünner Atmosphäre den aerodymamischen Auftrieb nutzen. Das gänge nicht mit einem Fallschirm, man bräuchte eine Art Flügelstruktur mit sehr großer Fläche und wenig Gewicht, wie eben mit dieser Art von "Papierflieger", die hier vorgestellt wurde.
Das verstehe ich jetzt weider nicht es soll ja nach unten gehen, allerdings "langsam" gewissermaßen müsste zu jeder Zeit  "ein Gleichgewicht, bei maximaler Reibung, zwischen Geschwindigkeitsabnahme und Dichtezunahme" bestehen.
Warum geht das nicht mit Fallschirmen? Ein Flügelprofiel an die Unterschidlichen Bedingungen anzupassen halte ich für unmöglich...

Uff, hätte auch nicht gedacht das "Energievernichtung" so schwer sein kann...

MFG S