Verhinderung vom Schwappen von Treibstoffen

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Offline Sensei

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Verhinderung vom Schwappen von Treibstoffen
« am: 01. Oktober 2016, 16:34:22 »
Ich habe gelernt dass in der Anfangszeit der Raumfahrt das (auf)Schwappen von Raketentreibstoff  (auch Pogo Effekt genannt) ein erhebliches Problem war und etliche Raketen zum Absturz brachte.

Es wurden anscheinend erhebliche Anstrengungen unternommen um dies in den Griff zu bekommen.
Hier z.b. ein Video aus dem Inneren des Kerosintanks einer Saturn 1.


https://www.youtube.com/watch?v=fL-Oi9m2beA

Von diesen Problemen hab ich aus neuerer Zeit kaum etwas gehört und die innenaufnahmen von Space X zeigen keine großen baulichen Maßnahmen gegen diesen Effekt.


https://www.youtube.com/watch?v=PPnCKK1isMI
Der Unterschied ist doch Frappierend.

Frage: Wie hat man den Effekt so gut in den Griff bekommen dass man auf diese schweren Prallbleche und Spanten verzichten kann?

Zusatzfrage: Findet man sich einfach damit ab dass da am ende einiges an Resttreibstoff übrig bleib?

Offline Hugo

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Re: Verhinderung vom Schwappen von Treibstoffen
« Antwort #1 am: 01. Oktober 2016, 16:57:35 »
Ich könnte vermuten, daß man das Schwappen vom Tank berechnen kann und die Software da drauf reagieren kann.
Es gab mal ein Bericht über eine Rakete mit einer Eigenfrequenz. Die Software hat dann versucht gegen diese Frequenz gegen an zu wirken. Am Ende ist die Rakete abgestürzt glaube ich. Das erstaunliche da dran war, daß die einzige Lösung war, diese Frequenz in der Lageregelung zu ignorieren. Danach flog die Rakete kerzengerade.

Und das ist hier meine Vermutung. Man weiß heute durch Berechnungen, daß der Treibstoff z.B. mit 0,5 Herz hin- und herschwappt. Die Software darf also Schwingungen bei 0,5 Herz nicht ausgleichen sondern muss sie ignorieren, dann schwappt der Treibstoff kaum noch.

Zur Reserve: Ja, man hat eine Reserve, welche man am Ende übrig behält.

Wenn man einen Orbit erreichen möchte, darf man nicht zu lange Beschleunigen. Man rechnet also genau aus, wann die Triebwerke aus gehen müssen und schaltet diese dann aus. 
Wenn man die Rakete in eine Ellipse bringen möchte, kann man auch einfach so lange weiter Feuern, bis der Treibstoff alle ist. Denn hier zählt: Je schneller man wird, desto einfach kommt der Satellit selber in seinen Wunschorbit hinein.

Schneefüchsin

  • Gast
Re: Verhinderung vom Schwappen von Treibstoffen
« Antwort #2 am: 01. Oktober 2016, 17:05:32 »
Ein gewisser Teil bei der Saturn ist Overkill.
Damals konnte man schlechter Simulieren, was einen erwatet, daher hat man lieber mehr gemacht, als nötig. Heute haben wir Computersimulationen zur Verfügung. Die zeigen auf, welche Art Schwallblech mehr bringt und welche weniger, und welche einfach zu viel sind. damit läst sich schon sehr viel optimieren.

Ein weiterer Punkt ist, das der schwappende Treibstoff die Rakete selbst in Bewegung versetzt und damit den Schubvektor verändert. Dies kann durch ein hin und herschwingen des Schubwecktors zu einem Aufschaukeln führen, vorrausgesetzt die Triebwerke haben keine Vektorsteuerung bzw, die Vektorsteuerung ist nicht fein genug um soetwas auszugleichen.

SpaceX gleicht einiges sicher durch die Vektorsteuerung aus und kann sogar durch die Vektorsteuerung dem Schwappen entgegenwirken. Allerdings nicht so viel, wie sie ursprünglich dachten.
Ihnen ging eine Falcon 1 verlohren, weil sie dachten, sie kriegen es durch die Vektorsteuerung ausreichend kompensiert, es kam aber zu dem oben erwähnten Aufschaukeln.

Ein weiterer Punkt ist die Frage, wie viel Schwingung ist in der Rakete. Mehr Schwingung durch Triebwerksvibrationen kann das Schwappen begünstigen. Hier kann man heute auch besser gegensteuern.

Zu guter letzt ist die Frage, wie schnell muss unterbunden werden und wie viel darf es Schwappen, bevor es Ärger macht. Diese Punkte kann man heute besser einschätzen und durch heutige Techniken liegen die Grenzwerte für die Schwappstärke, welche Ärger macht, wohl auch höher.

Zur Zusatzfrage: In den ersten Monaten des Jahres hat sich die Performance der Falcon 9 dadurch verbessert, dass man mehr Erfahrungen mit gleichmäßigem Treibstoffverbrauch hatte und daher weniger Reserven vorhalten muss, ansonsten wie Hugo sagt. Und wie Hugo sagt, der Rest darf nur genutzt werden man so viel wie möglich erreichen will und keinen Präzisen Orbit.

Grüße aus dem Schnee
« Letzte Änderung: 01. Oktober 2016, 18:38:54 von Schneefüchsin »