Vorteile und Nachteile von Methan-Triebwerken

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Führerschein

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Vorteile und Nachteile von Methan-Triebwerken
« am: 11. August 2015, 22:25:32 »
Ich mache den Thread auf nach einer Anregung aus dem ESA Geo Return Thread.

Zuerst, ich bin ein vollständiger Laie, der nur einiges gelesen hat.

Verbreitet sind bisher RP-1/LOX,  LH/LOX und Feststoff. Hypergol für besondere Zwecke mal außen vor. RP-1 hat guten Schub und ist leicht handhabbar. LH hat sehr guten ISP, liefert aber relativ wenig Schub und ist schwer handhabbar.

Methan liegt irgendwo in der Mitte. Aus meiner Sicht ein Kompromiss-Treibstoff. Genug Schub für Erststufen ohne unbedingt Feststoffboster für den Start  zu brauchen, in Erststufen ist RP-1 aber durchaus auch in Ordnung und kann genug Schub liefern.

In Oberstufen besser als RP-1 dank besserem ISP, aber LH immer noch weit unterlegen.

Aus meiner Sicht hat Methan/LOX zwei Vorteile und wurde deshalb von SpaceX ausgewählt:

1. Man kann es relativ leicht lagerfähig machen für interplanetare Flüge und kann für den Zweck hypergole Treibstoffe ablösen. Diese Eigenschaft macht es für Oberstufen und interplanetare Flüge interessant, trotz des großen Nachteils beim ISP gegen LH.
2. Kein koken und deshalb gut geeignet für wiederverwendbare Triebwerke. Dieser Vorteil macht es auch für Erststufentriebwerke interessant, auch wenn RP-1 da an sich sehr gut ist.

Außer Konkurrenz, man kann Methan relativ leicht auf dem Mars herstellen, aus SpaceX Sicht ein entscheidender Vorteil. Allerdings kann man auch LH leicht herstellen, nur ist das lagern schwieriger und bei langwieriger energieintensiver Produktion ist das ein Nachteil.

Offline Matjes

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Re: Vorteile und Nachteile von Methan-Triebwerken
« Antwort #1 am: 11. August 2015, 22:55:43 »
Hallo Führerschein

Es ist Sommerloch. Viele sind in Urlaub. Und jetzt Methan.

Booster laufen häufig mit NH3ClO4 (Ammoniumperclorat verstärkt mit Mag/Alu).
Hoher Schub - niedriger spez. Impuls.
Oberstufen haben viel weniger Schub, aber ganz hohen spez. Impuls.
Ursache für diese Bauweise ist die Raketengrundgleichung. Es ist nicht schwer zu verstehen.
Der Erfinder der 2 1/2 Stufen Rakete war Sergei Koroljow. Danach ist die Soyuz, Proton und A5
und auch die A6 gebaut. 

Booster falls erwünscht - mit NH3ClO4 (Ammoniumperclorat verstärkt mit Mag/Alu)
Erste Stufe ist ein Kandidat für Methan. Zweite Stufe sollte edler sein.

SpaceX setzt auf billig Produktion. Keine Booster. In allen Stufen wird der gleiche
Treibstoff verwendet. Da bietet sich Methan/LOX an. In alle Stufen die gleiche Treibstoffkombination.

Das Ariane Konzept mit verschiedenen Treibstoffen ist dagegen HighTech.

Matjes

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Offline MR

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Re: Vorteile und Nachteile von Methan-Triebwerken
« Antwort #2 am: 13. August 2015, 15:14:39 »
Der in meinen Augen einzige Vorteil von Methan liegt im höheren spezifischen Impuls im Vergleich zu Kerosin. Ein Kerosin-Hauptstrom-Triebwerk wie das RD-180 geht technisch bis an die Grenzen und arbeitet mit 300 Bar Brennkammerdruck und sauerstoffreicher Vorverbrennung, um einen möglichst hohen spezifischen Impuls zu erzielen. Mit Methan erreicht man den gleichen spezifischen Impuls, allerdings mit bedeutend weniger Aufwand. Der Brennkammerdruck ist nicht höher als bei einem Nebenstromtriebwerk wie dem RS-68, auch die komplette Fördertechnik kommt mit weitaus weniger Leistung aus. Methan ist zwar wegen seiner niedrigen Temperatur (wie LOX ca. -180 °C) etwas schwerer zu handhaben als Kerosin, aber immer noch deutlich leichter als flüssiger Wasserstoff. So lässt sich ein leistungsmäßig mit dem RD-180 vergleichbares Triebwerk mit deutlich weniger Aufwand und Entwicklungsrisiko entwickeln.

Die übrigen Vorteile bei Wiederverwendung oder bei denkbaren Marsmissionen, lasse ich hier allerdings erst mal außen vor, solange Wiederverwendung oder Marsmissionen nur auf dem Papier existieren.

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Offline blackman

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Re: Vorteile und Nachteile von Methan-Triebwerken
« Antwort #3 am: 13. August 2015, 15:19:46 »
Du hast doch jetzt nur Vorteile genannt oder? :D

Führerschein

  • Gast
Re: Vorteile und Nachteile von Methan-Triebwerken
« Antwort #4 am: 13. August 2015, 16:15:59 »
Die übrigen Vorteile bei Wiederverwendung oder bei denkbaren Marsmissionen, lasse ich hier allerdings erst mal außen vor, solange Wiederverwendung oder Marsmissionen nur auf dem Papier existieren.

Eine hier gelegentlich genannte Firma, die an Wiederverwendung und Marsmissionen arbeitet, wird das aber bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. :)

Ich möchte noch was zu der Frage sagen, warum denn Methan bisher nicht genutzt wurde. Im Anfang der Entwicklung waren RP-1 und LH die offensichtlichen Treibstoffe. Methan war noch nicht verbreitet. Dazu noch hypergole Treibstoffe wegen der Bedürfnisse des Militärs. Und danach war es zu einem großen Teil Beharrungsvermögen. In jeder Diskussion über neue Träger geht es darum, welche Triebwerke im Regal liegen und mit oder ohne Modifikationen verwendet werden können. Auf die Idee, neue Triebwerke zu entwickeln, sind (nur wenig überspitzt ausgedrückt) in den letzten Jahrzehnten eigentlich nur Blue Origin und SpaceX gekommen. In Rußland wurde etwas mehr entwickelt auf experimenteller Basis, aber in die Produktion ging das alles nicht. Zuletzt die Familie der RD-180, weil dafür Geld aus den USA geflossen ist.

Jetzt ist ein Umbruch fällig und er geschieht, mit Methan an prominenter Stelle.

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Offline MR

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Re: Vorteile und Nachteile von Methan-Triebwerken
« Antwort #5 am: 13. August 2015, 17:28:22 »
Das ist korrekt. In den USA hat man die Triebwerksentwicklung nach dem F-1 Triebwerk praktisch eingestellt. Danach kam nur noch das SSME des Shuttle. Alle anderen bis in die 90er Jahre eingesetzten Triebwerke waren im Prinzip nur Weiterentwicklungen. Die Centauer-Stufe und auch die Oberstufen der Delta 3 und 4 setzen das RL-10 und seine Weiterentwicklungen ein, die Oberstufe der Delta 2 nutzt ein Triebwerk der Mondlandefähre von Apollo. Die Core-Stufen der Titan 3 und 4 basieren bis zuletzt auf der Titan 2 und ihrer Triebwerke. Auch die Atlas setzte bis zur Version 2AS eine Weiterentwicklung des aus den 60ern stammenden MA-5 ein. Die Delta und Delta 2 hingegen setzten bis zuletzt eine Ableitung des H-2 Triebwerks der Saturn 1b ein. Das RS-68 Triebwerk für die neue Delta 4 war die erste Triebwerksneuentwicklung in den USA seit über 20 Jahren.

Unter diesen Umständen war klar, das kaum eine Raumfahrtfirma das Risiko einer kompletten Neuentwicklung eingehen würde, vor allem auch noch mit einem neuen Triebstoff. Mit Methan hatte man nur einige wenige Tests mit einem umgerüsteten RL-10 Triebwerk absolviert, nie aber irgendwelche Tests für ein Startstufentriebwerk. Da man LH2 zu diesem Zeitpunkt bereits gut beherrschte, entwickelte man logischerweise lieber das RL-10 weiter, als ein neues Oberstufentriebwerk mit Methan zu entwickeln. Einen Vorteil hätte das damals nicht geboten. Selbst bei der Entwicklung der EELVs setzte man lieber auf bewerte Technik.

Erst jetzt beginnt man langsam wieder, neue Triebwerke in den USA zu entwickeln. Ohne die aufstrebenden neuen privaten Raumfahrtfirmen hätte es das nicht gegeben. Mir imponiert dabei besonders Blue Origin. Die haben es ohne große externe Hilfe geschafft, ein LH2/LOX Triebwerk (BE-3) zu entwickeln, das sowohl als Unterstufen- wie auch als Oberstufen-Triebwerk eingesetzt werden könnte und zudem noch bis auf unter 20 % drosselbar ist. Das zeigt, das sie auf jeden Fall auch das Zeug dazu haben, ein großes Methan-Triebwerk zu entwickeln (BE-4). Kein Wunder, das ULA sehr großes Interesse daran hat, neben dem BE-4 auch das BE-3 für eine neue Oberstufe zu verwenden. Rocketdyn sollte langsam damit anfangen, sich Sorgen zu machen. Sollte das BE-3 die Erwartungen von ULA erfüllen, könnte Rocketdyn den Auftrag für die RL-10 ganz schnell los sein, zumal diese seit dem Ende des Shuttles sehr teuer geworden sind.

Auch SpaceX gibt Dampf. Sie verlassen sich eher auf bewährte Technik, aber die zahlreichen erfolgreichen Flüge zb. zur ISS zeigen, das sie auf dem richtigen Weg sind. Wie es bei SpaceX mit Methan (Raptor) läuft, muss man sehen. Da dürfte aber auch eher das Geld als die Technik problematisch sein.

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Offline blackman

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Re: Vorteile und Nachteile von Methan-Triebwerken
« Antwort #6 am: 13. August 2015, 20:26:53 »
Wenn wir grad von Neuentwicklungen reden. Kestrel und Merlin waren die ersten Triebwerke die vollständig im 21. Jh entwickelt wurden. :)

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Offline Klakow

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Re: Vorteile und Nachteile von Methan-Triebwerken
« Antwort #7 am: 14. August 2015, 02:01:54 »
Schauen wir uns mal die Zahlen an vom ISP an:
(Merlin; Reptor; RS-25D)
Treibstoff   SL     Vac    Vac(S2)
RP-1/LOX: 282s  311s ~245s
LCH4/LOX:321s  363s    380s
LH2/LOX:  366s  453,3   470s  (Vinci)

Die Werte zu vergleichen ist so eigentlich etwas zu einfach betrachtet und bei RP-1 gibt es bessere von den Russen was den ISP betrifft.
Der ISP ist aber nicht das alleine Selig machende, da spielt auch das Verhältnis Schub/Triebwerksmasse eine Rolle.
Wir Wiederverwendung gemacht, so ist das noch sehr viel wichtiger-

Re: Vorteile und Nachteile von Methan-Triebwerken
« Antwort #8 am: 15. Januar 2016, 20:42:14 »
@MR

Der Vorteil von Methan in Startstufen gegenüber Kerosin ist zum einer der höhere ISP und (viel wichtiger) die wesentlich bessere Eignung für die Wiederverwendung.
„Die Erde ist die Wiege der Menschheit, aber der Mensch kann nicht ewig in der Wiege bleiben. Das Sonnensystem wird unser Kindergarten.“ K. E. Ziolkowski

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Stolzer Träger einer Raumconverwarnung wegen Schreibens unbequemer Wahrheiten.