ESA Geo-Return-Prinzip

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Offline tomtom

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Re: ESA Geo-Return-Prinzip
« Antwort #50 am: 03. August 2024, 10:31:58 »
In einem Interview erklärt ESA-Chef Aschbacher das neue Konzept "Fair-Return" so:

Die ESA will für bestimmte Projekte eine wettbewerbliche Ausschreibung machen, so dass das beste Angebot einer EU-Firma gewinnt. Dann fragt die ESA das ansässige Mitgliedsland, ob es das Projekt auch finanzieren will, so dass es dann trotzdem zu einem Geo-Return kommt.

https://www.flugrevue.de/raumfahrt/esa-generaldirektor-aschbacher-fuer-europa-ist-die-ariane-6-genau-die-richtige-traegerrakete/

Die Firmen müßten sich dann natürlich in Geduld üben, wenn sie zwar die Ausschreibung gewinnen, aber auf eine Finanzierungsentscheidung warten müssen.

Er nennt jetzt kein konkretes Projekt, ein erster Kandidat sollte jedoch die geplante Launcher-Challenge in Frage kommen, sofern man die Ausschreibung vor der Ministerratstagung Ende 2025 hinbekommt, wo die Finanzierung geklärt werden soll.

Die ESA legt die Anforderungen fest und Firmen bewerben sich mit Angeboten. Am Ende entscheidet der Mitgliedsstaat, ob es das Projekt finanziert oder nicht. Klingt für mich nach "es-gewinnt-das-Raumfahrt-freundlichste-Land-alles-andere-wird-eher-verhindert".

Da werden die ESA-Mitgliedsstaaten an den kosteneffizienten Wettbewerbskriterien aber noch arbeiten müssen.
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Offline cullyn

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Re: ESA Geo-Return-Prinzip
« Antwort #51 am: 14. August 2024, 10:28:44 »
Das Konzept Fair-Return wie beschrieben macht die Sache weder besser noch einfacher.

Bisher gab es Projekte, die aus politischen Gründen nicht immer sinnvoll in Pakete zerlegt wurden, die dann auf verschiedenen Firmen verteilt werden.

Der neue Ansatz wird dazu führen, dass die Firmen zunächst ihre Regierung fragen, wieviel sie bezahlen würde, dann die Pakte zerlegen muss, weil am Ende doch meistens der Staat die Projekte nicht alleine finanzieren will. Dann kommt die Auschreibung und wenn die ESA entschieden hat, geht der Tanz von vorne los, weil Budgetzusagen in der Politik niemals so langfristig halten können wie dieser Prozess dauert, stellt man fest, dass die Angebote so nicht mehr machbar sind....

Und auf lange Sicht wird ein Staat immer dafür sorgen, das zumindest seine wichtigen Player alle immer bedacht werden, weil sich keine Regierung erlauben kann z.B. Thales zu gunsten Airbus in die Insolvenz zu treiben oder anders herum. Genauso werden Projekte in D immer langfristig sowohl Airbus als auch OHB zugeschustert.

Es ist aber auch im Sinne der Politik, in Europa mehr Auswahl zu haben, als nur eine Firma die als Monopolist auftritt für alle militärisch sensiblen Aufträge.

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Offline tomtom

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Re: ESA Geo-Return-Prinzip
« Antwort #52 am: 08. Oktober 2024, 09:28:54 »
Interview von Spacewatch.global mit DLR-GSA Chef Pelzer, der den Erhalt des ESA Geo-Return fordert, weil das die Finanzierung von Raumfahrt durch die Mitgliedsstaaten motiviert und der Industrie zu gute kommt.

https://spacewatch.global/2024/10/dr-walther-pelzer-on-geo-return-innovation/

Das ist natürlich richtig, aber steht im Widerspruch zu der Forderung nach mehr Wettbewerb und da wird leider nicht nachgehakt, wie dieser Zielkonflikt aufgelöst werden soll.

Außerdem fordert Pelzer im Zusammenhang mit der Budget-Frage neben mehr Geld vor allem eine Beschleunigen der Prozesse bei der Vertragsvergabe (IRIS2 wird er damit wohl nicht gemeint haben).
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Offline tomtom

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Re: ESA Geo-Return-Prinzip
« Antwort #53 am: 17. Oktober 2024, 09:41:06 »
DLR-GSA-Chef Pelzer kritisiert auch auf dem IAC in Mailand, dass der Draghi-Report den Geo-Return abschaffen will. Er ist strikt dagegen.

"GeoReturn ist nicht die Ursache für fehlende Wettbewerbsfähigkeit."
"Die Kritik am GeoReturn ist nur eine Ausrede für zuviel politische Einflussnahme."
"Man könne GeoReturn abschaffen und es würde sich nichts ändern."

Die ESA will aber Unternehmen ermöglichen, Unteraufträge an Firmen nach Kosten und nicht nach Standortgesichtspunkten zu vergeben. Die Mitgliedsstaaten sollen das dann entsprechend finanzieren.

Es gibt aber auch Überlegungen, die Trägerraketenentwicklung in der EU anzusiedeln.

https://www.ft.com/content/95752afd-18db-4b26-a0ef-297b2d68c32a
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Offline tomtom

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Re: ESA Geo-Return-Prinzip
« Antwort #54 am: Heute um 15:12:46 »
Die Launcher-Challenge soll Anfang nächsten Jahres ausgeschrieben werden, die Abstimmung von Anforderungen, Auswahlkriterien und Finanzierungfragen läuft. Die Auswahl soll dann ohne Geo-Return-Kriterien rein nach wettbewerblichen Kriterien erfolgen.

Klingt ja in der Theorie schon mal ganz gut, aber ob und wie das dann auch in der Praxis funktioniert?

aus dem ESA-Thread.
alepo, ich nehme an, du meinst den Geo-Return-Teil bei der Launcher Challenge Ausschreibung.
Das wird schon funktionieren, so lange man in gewissen Geldgrenzen bleibt.

Spekulation, das stelle ich mir jetzt so vor: Die ESA stellt einen mehr oder weniger generischen Kriterienkatalog auf, auf die Firmen anbieten sollen. Die ESA checkt, welche Länder (ihre Unternehmen) finanzieren würden. Anbieter aus D, Fr., I, Sp, UK dürften bis zu einem bestimmten Betrag keine Probleme mit der Finanzierung haben. Die ESA wählt aus und "zufällig" finanziert das jeweilige Land den Anbieter.

Was gegen die Theorie spricht wäre, wenn mehrere Länder ihre Firmen finanzieren wollten, es also zb. 5 Gewinner gibt aus Fr., D, I, Sp, UK. Soviele Microlauncher in Europa braucht ja kein Mensch. Wenn also die ESA sagen würde, drei werden gefördert und die Finanzierung des Mitgliedsstaat liegt vor, können zwei Länder ihr Geld wieder einpacken und anderweitig ausgeben (oder dennoch national fördern).

Will sagen, es kann funktionieren, weil man kurz vor dem Council Meeting möglicherweise flexibler ist, aber die Größenordnung bleibt beschränkt. Man erzeugt bestenfalls viele kleine Projekte. Sicher nicht vergleichbar mit einer Ariane 6 Entwicklung/Produktion und die positiven Effekte bleiben unklar.

Was wäre ein GeoReturn-freies Konzept?
Die ESA würde jetzt festlegen, wie der Finanzierungsschlüssel der Launcher Challenge aussieht und das sind dann die Finanzierungsbeträge der Mitgliedsstaaten, egal, wie die Auswahlentscheidung ausfällt. Das wird nicht passieren, weil die Staaten nur ihre Industrie fördern wollen, weshalb die ESA zu dem Kniff greifen will, dass einzelne Staaten die Ausschreibungsgewinner finanzieren sollen.

Ein festgelegter Finanzierungsschlüssel würde jedenfalls nahelegen, wie ernsthaft die Mitgliedsländer an dem "Wettbewerb für einen kommerziellen europäischen Launcher" interessiert wären.

Aber es gibt keine systematischen Paper oder Aussagen dazu, man will es wohl einfach in der Launcher-Challenge ausprobieren.
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Offline alepu

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Re: ESA Geo-Return-Prinzip
« Antwort #55 am: Heute um 16:44:18 »
Leider wird das Alles nicht allzuviel an der Grundproblematik ändern.
Was ist diese in meinen Augen?
"Viele Köche verderben den Brei"
Jeder "Koch" hat schon mal seine eigenen Vorstellungen darüber was überhaupt gekocht werden soll. Dann kommt die Frage der Zutaten, der Kochdauer, der Salzmenge und so geht es eben munter weiter: In welcher Küche soll gekocht werden, wer bezahlt den Strom und das Gas und wer ist Schuld, wenn was schief läuft.
Und wenn das Gericht dann tatsächlich irgendwann(!) mal fertig sein sollte, muß es dem "Gast" auch noch schmecken!
Wie läuft es denn in einer gut funktionierenden Küche?
Blick nach China genügt.
Demokratie gibt es auch in der Küche nicht.
Ist halt eine Frage was man schlußendlich tatsächlich will. Ein kurzfristig fertiges, möglichst optimales modernes Produkt, oder der "kleinste gemeinsame Nenner", den eigentlich keiner so richtig will, auf den man sich aber halt als Einzigen gemeinsam mit Hängen und Würgen einigen konnte.

Re: ESA Geo-Return-Prinzip
« Antwort #56 am: Heute um 18:23:14 »
So schade ich das finde, ich denke, das wird nicht funktionieren. Das Beispiel der Küche trifft es. Hinzu kommt, dass an all diesen Schritten in den Ländern Bürokratieposten hängen. Das tut dann ein übriges.
Ich halte es auch für falsch bei solchen unternehmerischen Entscheidungen Demokratie zu fordern. Diese soll Gesetze verabschieden, zB für vernünftige Arbeitsbedingungen, aber sich bestimmt nicht überall einmischen.

Online Mojschele

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Re: ESA Geo-Return-Prinzip
« Antwort #57 am: Heute um 20:32:44 »
Vielleicht wäre ein erster Schritt um die ESA Länder etwas von diesem Geo-Return Prinzip weg zu bringen, nicht auf jedes Projekt einzeln zu schauen und eine gewisse zeitliche Flexibilität rein zu bringen. So nach dem Motto das unterm Strich über alle ESA Projekte innerhalb einer 4 Jahres Periode ein Teil der eingezahlten Beiträge in die Länder zurück geflossen sein sollten. Auch nicht das Gelbe vom Ei aber ein erster Schritt in die richtige Richtung dem die Politik eventuell zustimmen könnte.