Shenzhou - Fallschirm-System

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Shenzhou - Fallschirm-System
« am: 04. Mai 2014, 18:08:51 »
Das Fallschirm-System von Shenzhou

Dieser Beitrag liegt schon ein Weilchen, in dem ich leider anderweitig beschäftigt war. Die Frage von GG nach dem Fallschirm von Dragon hat mich aktiviert, den doch auch allgemein gültigen Beitrag über das chinesische Fallschirmsystem fertigzustellen.
s.hier: https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=3806.msg288194#msg288194


Das Fallschirm-System von Shenzhou und seine Zuverlässigkeitstrategie
Die ersten veröffentlichten Bilder, die ich gesehen habe, zeigen die Landung von Shenzhou7 und wurden von XinHoa verbreitet.



Man erkennt deutlich die durch die Lizenz bedingte Ähnlichkeit zu einer SOJUS Landung. Doch eben nur die Ähnlichkeit, da man das Shenzhou insgesamt größer ausgelegt hat und damit auch die Sicherheit der Landung mit den Fallschirmsystem neu nachweisen musste.

Die anfänglichen Bedingungen und Anforderungen
Die Ausgangsbedingungen und Anforderungen für die sichere Landung des Raumschiffs Shenzhou waren vor allem die folgenden vier Punkte [3,4].
1) Die Rückkapsel des Raumschiffs, das am Fallschirm hängt, wiegt etwa 3400 kg.
2) Bei normalem Status soll der Fallschirm ab einer Höhe von nicht weniger als 9 km beginnen zu arbeiten, bei einem durch die Geschwindigkeit erzeugten Druck von etwa 7500 Pa
3) Beim Notfall-Status soll der Rettungsschirm in einer Höhe von nicht weniger als 1,3 km (relativ zum Boden) beginnen zu arbeiten, bei einem durch die Geschwindigkeit minimalen Druck von etwa 300 Pa
4) Der normale Zustand, ein geöffneter und mit Luft gefüllter, lebensrettender Fallschirm soll in einer Höhe von etwa 6 ~ 15 km erreicht werden, dabei soll der Fallschirmdruck nicht größer als 10000 Pa sein.

Tests und ihre Ergebnisse für die Anforderungen


Bodentests der Öffnung der Luke und der Entfaltung des Schirms bis zur Tragfähigkeit

Endgültige Bedingungen und Anforderungen
Nach einer Reihe von Simulationen, Boden- und Falltests, unbemannter Testflüge und bemannter Flugtests, war man sicher, dass das Fallschirmsystem des Raumschiffs Shenzhou stabil ist und in der Lage sicherzustellen, dass die Rückkehrkapsel  sicher landet und die Sicherheit der Taikonauten gewährleistet ist.

Das Raumschiff Shenzhou soll bei der Landung die 3 wichtigsten Bedingungen und Anforderungen erfüllen.
  1) Landegewicht der Rückkehrkapsel von ca. 3000 kg.
  2) Die Höhe über dem Boden in der Landezone ca. 1 km.
  3) Die vertikale Landegeschwindigkeit der Rückkehr-Kabine sollte nicht mehr als 4,5 m/s sein.

Design des Gesamtsystemprogramms
Da die Zuverlässigkeitsanforderungen bei der Fallschirmlandung sehr hoch sind, können Einzelschirmsysteme in der Regel diese Anforderungen nicht erfüllen, es musste eine redundante Auslegung des Fallschirmsystems vorgenommen werden.
Derzeit für Raumfahrzeuge angenommen Parachute Redundanz Maßnahmen sind vor allem zwei Konfigurationsarten:
Die eine ist der "Sojus"-Modus mit zwei separaten Fallschirmen und somit der "Cold Backup"-Konfiguration (dh im Falle eines Ausfalls der Hauptfallschirm-Einheit wird nur der Backup-Fallschirm aktiviert).

Landung Sojus TMA-19 Hauptfallschirm  TMA-16 Hauptfallschirm und Bremsraketen
         
Die andere, die bei Apollo angewendet wurde, der "Multi-Kappen Hot-Backup"-Modus hat nur ein Fallschirm-Gerät, das aus mehreren Fallschirmen parallel und aus  identischen Materialien besteht (dh gegenseitiges Backup).


    Landung Apollo 15 mit 2 Fallschirmen

Das Fallschirmsystem steht bei hohen Zuverlässigkeitsanforderungen direkt mit der Sicherheit der Taikonauten im Zusammenhang. Das ist in der Regel mit einem Einzelschirmsystem nicht zu erfüllen. Daher ist eine redundante Auslegung des Systems notwendig. Von den zwei möglichen Arten, einmal mehrere Schirme (Apollo) und zum anderen ein Haupt- und ein Rettungsschirm (Sojus) hat man sich für die Sojus-Variante des Systems entschieden.


Die Landung von ShenZhou 10

Design der Fallschirmlande-Geschwindigkeit
Nach der Abkopplung der Rückkehrkapsel muss die Abbremsung auf die vertikale Landegeschwindigkeit durch eine gestaffelte Reihe von Fallschirmen unterschiedlicher, größer werdender Flächen, für eine sichere Landung erträglich gestaltet werden.
            Staffelung der Fallschirmöffnung
   
 (0 - Deckel wird abgesprengt, der Pilotschirm (Streifen) stabilisiert , nicht dargestellt, s.u.)

  1 - Haupt-Fallschirm-Paket vom Zugfallschirm aus dem Containerfach gezogen

  2 - Hauptfallschirm-Leinen unter dem FS-Paket aus dem Containerfach gezogen

  3 - Haupt-Fallschirm wird nach der vollen Leinenlänge aus dem Paket gezogen

  4 - Der an der Spitze des Haupt-FS  befestigt Bremsfallschirm ist frei und der Hauptfallschirm kann von der Unterseite gefüllt werden

  5 - die Pack-Tasche wird vom Haupt-FS getrennt und die Füllung des Hauptschirms vom noch verengt gehaltenen Boden her fortgesetzt

  6 - Hauptfallschirm füllen wird reduziert fortgesetzt

  7 - Der Hauptfallschirm ist reduziert gefüllt und verliert nun Effizienz;

  8 - Am Hauptfallschirm wird die Öffnung freigegeben und hat seine volle Tragfähigkeit
 

Der Hauptfallschirm ist reduziert gefüllt (entspr. 5 - 6 )

Durch die Optimierung des Gewichts und der Gestaltung der Landung des Rückkehrsystems ist letztlich die Lande-Geschwindigkeit mit dem Hauptfallschirm  ≤ 8 m / s, während die Lande-Geschwindigkeit mit dem Backup-Fallschirm ≤ 10 m / s ist.
Wie bei Sojus hat man kurz vor der Landung eine weitere Bremsverzögerung ins Programm genommen und so die Anforderungen an die vertikale Landegeschwindigkeit der Rückkehrkapsel und der Taikonauten erfüllt.

Haupteigenschaften der Fallschirm-Ebenen
Nr Benenn. Dim. Pilotschirm Zugschirm HauptschirmRettungs-Schirm
1Schirmart Pilot-GurtStreifenRing-GleitRing-Gleit
2Tragfläche0,7?241200760
3Durchmesser m 0,5?2439.0931.10
4Gurtlängem 1,7?14.549.238.9
5Öffenverhä.% ?35911.5
6Öffenzeits 8?888



Hauptfallschirmsystem
Das gesamte Hauptfallschirmsystem ist im folgenden Bild mit allen seinen Komponenten dargestellt, sozusagen auf einem Tisch ausgelegt.

 
  1 - Pilotgurtschirm Komponenten;
  2 - Zug-Fallschirm Komponenten;
  3 - Hauptfallschirm Komponenten;
  4 - lange Hängegurte ;
  5 - Kurzhalteschlaufe
Nicht direkt gezeigt sind die einzelnen Schlösser, die zur Trennung der Komponenten zeitgesteuert und höhenabhängig aufgesprengt werden müssen.

Der Ablauf der einzelnen Etappen ist in diesem Bild dargestellt:

 

Nach der Abbremsung zum Einschwenken des kompletten Raumschiffs in seine Abstiegsbahn, seiner Trennung in die 3 Einzelteile, von denen nur die Rückkehrkapsel landen soll, erfolgt das Absprengen (rot markiert) des Fallschirmcontainerdeckels an der Rückkehrkapsel (1).
Daraufhin erfolgt die Freigabe des Pilotgurtschirms und dessen Füllung. Dieser zieht nach der Freigabe das Zugfallschirmpaket aus dem Container heraus (2).
Nach der Freigabe des Zugfallschirms und wird dessen Kappe etwa halb gefüllt (3).
In der nächsten Etappe wird der Zugfallschirm voll geöffnet (4) und seine verstärkte Bremswirkung eine Zeit lang gehalten (5).
Bei (6) wird durch Aufsprengen die Freigabe des Hauptfallschirmpaketes möglich.
Das Herausziehen und von unten Herausschieben des Hauptfallschirmpaketes aus dem Container folgt nun und bei (7) ist der untere Teil des Hauptfallschirms bereits aus dem Paket gezogen.
Es beginnt das Füllen des Steuerfallschirms an der Spitze des Hauptfallschirms damit sich der Hauptfallschirm bei reduzierter Öffnung teilgefüllt wird (8).
Die reduzierte Öffnung des Hauptfallschirms wird wieder mit einer Sprengung aufgehoben (9) und die Füllung des Hauptfallschirms und das weiter gebremste Sinken beginnt (10).
In diesem Höhenbereich erfolgt auch die Überprüfung der ordnungsgemäßen Öffnung des Hauptfallschirms und damit einer gefahrlosen Landung. Ist das nicht gegeben, wird der Hauptfallschirm weggesprengt und das Reservesystem wird aktiviert.
Wenn jedoch alles in Ordnung ist, wird das Hitzeschild freigesprengt und abgeworfen (11).
Wenn die Vorwärtsbewegung des Systems niedrig genug ist, wird die symmetrische Hängung der Kapsel wieder durch ein Sprengschloss freigegeben (12).
Nun fällt die Rückkehrkapsel senkrecht herab (13), natürlich wird der Bodenwind noch einen Einfluss auf die seitliche Bewegung haben.
Etwa 1m über dem Erdboden werden die Bremsraketensätze im Boden der Rückkehrkapsel gezündet (14) und der Fallschirm fällt entweder bei wenig Seitenwind von selbst zusammen oder es werden die Leinen einer Seite des Schirms per Aufsprengen gekappt sodass der Schirm nicht mehr seine volle Kraft am Boden entwickeln kann (15), (Wind am Boden soll weniger als 15 km/h sein).
   (rot markiert sind alle durch Sprengbolzen gesicherten Freigaben sowie das Zünden der Bremsraketen ca. 1m über Grund)

Auf diesem Bild von SZ-9 aus dem Hubschrauber sieht man den noch reduziert gefüllten Schirm während im nächsten Bild das abgesprengte Reduziergeschirr über dem schon geöffneten Hauptfallschirm davon schweben.


   Reduziert gefüllter Schirm             Das abgesprengte Reduziergeschirr



In diesem Bild mit Sicht auf den ungeöffneten Reservefallschirmcontainer hängt links die Hauptleine aus dem FS-Container, rechts die Geradehänge-Leine von der gegenüberliegenden Seite herunter, die beide unten am Schloss für die Tragleine des Fallschirms enden.

Quelle: The deceleration strategy and reliability validation of the parachute
system on the Shenzhou spacecraft

http://tech.scichina.com:8082/sciE/CN/volumn/volumn_6832.shtml
中国科学 技术科学(中国科学E辑)
2014年 44卷 3期
刊出日期:2014-03-18
Wissenschaft China technologische Wissenschaften (Science in China Serie E)
2014 44 Band 3
Veröffentlicht: 2014 -03-18


Viel Spaß und Beste Grüße, HausD

klausd

  • Gast
Re: Shenzhou - Fallschirm-System
« Antwort #1 am: 04. Mai 2014, 18:31:57 »
Danke für die Recherche!

Viele Grüße,

Klaus

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Re: Shenzhou - Fallschirm-System
« Antwort #2 am: 04. Mai 2014, 20:03:28 »
Grüße zurück, da wir uns demnächst leider auch nicht sehen können...
..und viel Spaß beim "Sternegucken", 
HausD

Re: Shenzhou - Fallschirm-System
« Antwort #3 am: 04. Mai 2014, 22:26:00 »
Hallo HausD,

wieder einmal ein einmalig toller Beitrag von dir! :) Klasse recherchiert.

Gruß Ian