Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft

  • 14 Antworten
  • 6305 Aufrufe
*

Offline Meagan

  • *****
  • 599
Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft
« am: 22. Dezember 2020, 19:18:58 »
Die Masse der Erde bewirkt, dass die Gravitation alles auf der Oberfläche mit 9,81m/s^2 Fallbeschleunigung anzieht. Nun wirkt die Zentrifugalkraft der Gravitation entgegen. Das würde doch bedeuten, dass jeder Bewohner der Erde, der am Äquator lebt am Tag 12.800km * 2 um den Mittelpunkt der Rotationsachse fällt. Ein Bewohner des Nordpols 0. Woraus zu Schlussfolgern wäre, dass ein Mensch am Äquator "leichter" ist als am Pol. Bei 12800km in 12 Stunden wären das 290m fallen pro Sekunde am Äquator.

Irgendwo habe ich hier einen Knoten in meiner Denkweise, weil offensichtlich fliegt ja niemand von der Erde davon, nur weil er am Äquator lebt ! Weiß jemand, was hier der Denkfehler ist ? Wie viel macht der Unterschied für einen Menschen von 65kg aus, der in Höhe Frankfurt/Main lebt ?

Ich wünsche allen hier ein gesundes und frohes Weihnachtsfest.

*

Offline akku

  • *****
  • 1186
Re: Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft
« Antwort #1 am: 22. Dezember 2020, 19:29:16 »
Genau ;) am Äquator 9,787 m/s² und an den Polen 9,832 m/s².

Die höhere Fallbeschleunigung und die nicht vorhandene Fliehkraft an Nord- und Südpol haben zur Folge, dass der Mensch dort mehr wiegt als am Äquator. Der Unterschied ist allerdings gering und beträgt in etwa nur ein halbes Prozent. Wenn Sie beispielsweise am Nordpol 80 Kilogramm auf die Waage bringen, sind es am Äquator rund 79,6 Kilogramm.
quelle https://praxistipps.chip.de/nordpol-oder-aequator-wo-wiegt-der-mensch-mehr_101763

Offline Hugo

  • *****
  • 5174
Re: Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft
« Antwort #2 am: 22. Dezember 2020, 20:52:22 »
Die Erdanziehungskraft ist nicht genau 9,81 m/s².

Erdanziehungskraft von einem Planeten berechnet man mit G*M/r²

G ist die Gravitationskonstante = 6,6743E-011 mit der Einheit m³ / kg / s²
M ist die Masse der Erde = 5,974E+24 mit der Einheit kg
r ist der Radius der Erde am Äquator = 6378137 mit der Einheit m.

Erdanziehungskraft  = G*M/r² = (6,6743E-011 m³ / kg / s²) * (3,98722682E+14 kg) / ( 6378137  m * 6378137 m)
Erdanziehungskraft  = G*M/r² = (6,6743 * 10 ^ -011) * (5,974* 10 ^+24 ) / ( 6378137   * 6378137 )  *  (m  / s² )
Erdanziehungskraft  = 9,8012903539 m/s²
Erdanziehungskraft ≅ 9,801 m/s²

Das gilt jetzt natürlich nur für den Äquator. Denn die Erde ist nicht Rund sondern Eierförmig. Am Pol hat die Erde einen Radius von 6356752 Meter, was dann zu 9,867 m/s² führt.

Das ist jetzt jedoch nicht die Kraft, welche auf einen Menschen wirkt, wenn er am Äquator steht. Denn dort dreht sich die Erde ja noch. Hier wirkt die Zentripetalkraft entgegen. Diese berechnet man mit der Formel a = v² / r.

Bei der Geschwindigkeit muss man aufpassen, denn die Erde braucht nicht 24 Stunden für eine Umdrehung, sondern 23,9344696478 Stunden. Der Umfang der Erde beträgt 40075016 Meter am Äquator. Die Geschwindigkeit ist somit 465,101138363 m/s

Somit ist die Zentripetalkraft am Äquator:
Zentripetalkraft = (465,101138363 m/s) * (465,101138363 m/s) /  (6378137m)
Zentripetalkraft = (465,101138363) * (465,101138363) /  (6378137) * (m/s²)
Zentripetalkraft = 0,0339157138 m/s²
Zentripetalkraft ≅ 0,034 m/s²

Das heißt, die Beschleunigung am Äquator, welche auf einen Menschen wirkt, ist mit 9,767 m/s² am Äquator niedriger als die 9,81m/s² "aus der Schule".


Wenn Dein Körper eine Masse von 65 kg hat dann Übt dein Körper am Äquator eine Gewichtskraft von 9,767 m/s² * 65 kg = 634,879 Newton aus.
Wenn Dein Körper eine Masse von 65 kg hat dann Übt dein Körper am Pol eine Gewichtskraft von 9,867 m/s² * 65 kg = 641,378 Newton aus.

Wichtig: Die Masse ist immer 65 kg. Denn die Masse ändert sich nicht. Würde man jedoch eine "Personenwaage" welche einen festen Umrechnungsfaktor von 9,81 in der Software eingebaut hat verwenden, dann würde die "Personenwaage" am Äquator bei den gemessenen 634,879 Newton im Display 64,7kg anzeigen und am Pol 65,4 kg. Aber das ist ein Rechenfehler. Denn die "Personenwaage" rechnet einfach falsch, da sie die falsche Beschleunigung zu Grunde legt.


Das mit dem "Fallen am Äquator" verstehe ich leider nicht. Man fällt ja nicht. Sondern es wirkt eine Unterschiedliche Kraft auf einen aus. Da niemand fällt, fliegt auch niemand weg.

Wenn man das ganze für einen anderen Ort auf der Erde ausrechnen möchte, wird es kompliziert. Zum einen muss man sich die Frage stellen, ob man die Erde als Kreis oder als Ei berechnen möchte.  Als Ei wird es entsprechend schwerer.
Macht man es als Kreis und nimmt jetzt den mittleren Erdradius von 6371001 Meter wird es einfacher. Dann rechnet man immer mit 9,823 m/s².  Für die Geschwindigkeit für Zentripetalkraft nimmt man jetzt  Cos(90-Breitengrad) mal den Erdradius. Denn je weiter man nach Norden kommt, desto kleiner wird der Umfang. Deutschland liegt z.B. bei 50° Nord. Somit sinkt die Geschwindigkeit auf 1075 km/h und die Zentripetalkraft sink auf 0,022 m/s².

Achtung: Wenn man hier "sehr genau" sein möchte und mit der Erde als Ei rechnet, darf man auch nicht die GPS-Koordinaten verwenden. Die machen das anders.

Edit: Kurzer Nachtrag: Das sind dann die gerechneten Werte. Die Gemessenen Werte weichen ab. Die Erde hat in der Praxis keine perfekt gleichmäßiges Schwerefeld.

*

Offline akku

  • *****
  • 1186
Re: Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft
« Antwort #3 am: 22. Dezember 2020, 20:56:52 »
uuund dann gibt es noch Anomalien ;)
Die Erdanziehungskraft ist vor dem indischen Subkontinent um 0,3 Promille geringer
als im Mittel des gesamten Globus.

*

Offline Meagan

  • *****
  • 599
Re: Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft
« Antwort #4 am: 22. Dezember 2020, 21:03:01 »
Wow, ich bin mächtig beeindruckt. So exakt hätte ich das nie erwartet. Danke für diese absolut präzisen Antworten !!!!

McPhönix

  • Gast
Re: Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft
« Antwort #5 am: 22. Dezember 2020, 21:36:43 »
@Hugo -
Das könntest Du eigentlich so wie es ist hier in der Datenbank ablegen. :)

Und beim Lesen kam gleich in mir hoch "Mann, das hast  alles schon mal gewußt, aber erfolgreich vergessen :(

*

Offline Spock

  • ***
  • 135
Re: Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft
« Antwort #6 am: 22. Dezember 2020, 22:29:05 »
Hallo liebe Raumfahrtfreunde,

ich bin dankbar, dass ihr genau diese Frage heute hier stellt, denn ich habe eine artverwandte Frage die mich beschäftigt. In einem anderem Forum habe ich die Frage gelesen wie hoch die Gravitation im Erdmittelpunkt ist, mit einigem Nachdenken, kann ich gut nachvollziehen, dass sich dort die Gravitationskräfte aufheben und man quasi schwerelos ist. Bisher bin ich bei unserer Sonne immer davon ausgegangen, dass die "Kernfusion" im Mittelpunkt der Sonne stattfindet, aber ohne Gravitation gibt es dort auch keinen hohen Druck, d.h. die Fusion findet in einer Sphäre um den Kern statt, oder irre ich mich? Wie hoch ist der Druck im gravitativen Mittelpunkt der Sonne, oder gibt es den nicht?

Danke für Eure Meinungen und Berechnungen

*

Offline akku

  • *****
  • 1186
Re: Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft
« Antwort #7 am: 22. Dezember 2020, 22:39:07 »
in "dem" PUNKT = druck ist hoch bei 0 Schwerkraft
eine Fusion braucht druck und Temperatur keine  Schwerkraft

*

Offline Meagan

  • *****
  • 599
Re: Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft
« Antwort #8 am: 23. Dezember 2020, 12:30:03 »
Im Zentrum der Sonne hebt sich die Schwerkraft auf. Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Temperatur und Druck müssen im Zentrum der Sonne gewaltig sein. Ich weiß, man kann das berechnen, aber begreifen kann man das nicht mehr.

Dafür gibt es im Zusammenspiel von Gravitation und Fliegkraft nette Effekte, wie zB. die Bewegungen der Atmosphäre unter dem Einfluss der Corioliskraft und der Erwärmung des Gases durch die Sonne. Da bewundere ich Leute die das auch noch in Monsterformeln packen und damit Wetter und Klima berechnen.

*

Offline errsu

  • ***
  • 139
Re: Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft
« Antwort #9 am: 23. Dezember 2020, 16:09:55 »
@Spock Ich glaube der fehlende Gedanke ist, daß das außen liegende Material die Gravitationskraft als Druck auf die darunter liegenden Schichten weitergibt. Die wiederum fügen ihren eigenen Gravitationsdruck hinzu und geben die Summe nach unten weiter. Selbst wenn die innersten Schichten kaum noch eine Gravitationskraft spüren, so geben sie doch den Druck von außen nach innen weiter, weshalb er immer nur größer wird. D.h. auf die innerste Schicht wirkt zwar keine Gravitationskraft mehr, aber eine sich als Druck manifestierende Kraft in Richtung Mittelpunkt.

/errsu

Re: Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft
« Antwort #10 am: 02. Februar 2021, 13:17:00 »
Hallo

Ihr betrachtet hier die Drehung der Erde um sich selbst.
Die Erde dreht sich aber auch um die Sonne und das Sonnensystem dreht sich um das Zentrum der Milchstraße und die Geschwindigkeiten davon sind sehr hoch. Ich habe jetzt mal überschlagen das sich die Erde mit ca. 108000 km/h um die Sonne bewegt.
Berechnung: ( 300mio km * pi ) : (365 * 24 )

Its man aufgrund der Fliehkraft am Tag leichter als in der Nacht (oder umgekehrt) aufgrund der Drehung der Erde um die Sonne?

Offline Ldf

  • ****
  • 267
Re: Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft
« Antwort #11 am: 02. Februar 2021, 14:49:32 »
Das ist Newtonsche Eimerproblem mit dem absoluten Raum auf die Erdoberfläche mit ihren Bewohnern übertragen. Sein Denkproblem war, daß er den Eimer (Erdoberfläche)  als Bezugssystem betrachtete. In einem leeren Raum hätte er allerdings keine Möglichkeit zu unterscheiden, ob sich die Erde um sich selber dreht, oder eben nicht. Es fehlt der Bezug, der Nullpunkt für die Zählung. Es macht auch keinen Unterschied, ob die Erde rotiert, oder nicht, weil es keinen Unterschied gibt. In der "Fliegkraft" wiederspiegelt sich die Masse des Universums, nicht mehr und nicht weniger. Auf diese Idee kam Newton aber nicht, weshalb er die Schwerkraft nicht erklären konnte. 

Ernst Mach war es dann vergönnt das Rätsel aufzulösen, indem er den absoluten Raum beerdigt hat. Wie die Wirkungen zu Stande kommen, konnte Mach nicht erklären, aber er hatte die Aufgabenstellung für Einstein formuliert, die der mit der ART beantwortet hat.

Hätte sich Leibnitz gegen Newton durchgesetzt, würden wir diese Denkfehler heute nicht machen.

Re: Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft
« Antwort #12 am: 02. Februar 2021, 16:26:30 »
Its man aufgrund der Fliehkraft am Tag leichter als in der Nacht (oder umgekehrt) aufgrund der Drehung der Erde um die Sonne?
Nein, weil die Gravitation der Sonne die Fliehkraft ausgleicht, und zwar nicht nur für den Planeten selbst, sondern auch für die kleinen Männchen, die auf diesem herumlaufen. Gleiches gilt für die Umkreisung der Milchstrasse.

*

Offline Meagan

  • *****
  • 599
Re: Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft
« Antwort #13 am: 02. Februar 2021, 17:25:17 »
Um es mal auf den Punkt zu bringen ; die Sonne hat eine Gravitationskraft von 274 m/s². Die Erde 9,8 m/s². Würde die Erde nicht um die Sonne fliegen , sähen wir aber ganz schön alt aus !!! ;D

Re: Rätsel: Gravitation vs Fliegkraft
« Antwort #14 am: 09. September 2021, 20:25:28 »
Habe mal den Wikipediaartikel zum Machschen Prinzip gelesen. Wenn das dort stimmt ist dad letzte Wort noch nicht dazu gesprochen.