Hallo allerseits,
heute habe ich eine kleine Überraschung für alle Freunde des
Revell-Launch Tower Kit 4911 anzubieten, wodurch im Nachhinein so einiges klarer wird zur Historie dieses Bausatzes, was auch mir bisher so nicht bekannt war.
Wie oft haben wir nicht schon darüber diskutiert und gegrübelt, warum Revell diesen an sich tollen Bausatz gerade so und nicht anders rausgebracht hat, d.h. maßstabsgerecht in 1:144, so wie es auch auf dem Bausatz steht.
Deshalb muss sich jeder von uns wohl oder übel mit den lästigen Maßstabsproblemen herumschlagen, wenn man das Modell nicht nur OOB bauen will.
Und so bin ich bei meinen ständigen Streifzügen durch das Web kürzlich auch auf
Steven W. Jochums gestoßen und traute meinen Augen nicht, denn ihn kann man im Nachhinein mit Fug und Recht als Initiator und Wegbereiter des legendären Revell Kit ansehen.
Quelle: lakecountyspaceport.comEr war aber zur damaligen Zeit weder Revell-Mitarbeiter noch bei der NASA sondern seit 1966 ein interessierter Begleiter des US-Raumfahrtprogramms und als Gründer des
Illinois Valley Aerospace Club natürlich auch ein begeisterter Modellbauer.
Nach einem ersten Besuch des KSC 1977 und der Besichtigung der Baustelle des Pad 39A hat er so richtig Feuer gefangen. Auf der Heimreise kamen sie durch Huntsville und besuchten das dortige
U.S. Space & Rocket Center. Dort war ein "Schematisches Modell" der künftigen Shuttle-Trägerstruktur mit einem
ESTES-Shuttle ausgestellt, dem einzigen damals verfügbaren Modell, das er dann nachgebaut hat. Und dieses alte Modell war sozusagen der Grundstock für seine weiteren Arbeiten.
Das nächste prägende Ereignis war dann seine Reise (09.04.1981) zusammen mit den Klubmitgliedern zum Start der ersten Shuttle-Mission
STS-1. Bei einer der letzten Bus-Tours vor dem Start rund um das Pad hat er dann 72 Fotos (35 mm) aus allen möglichen Positionen geschossen, die ihm später als Referenzbilder dienen sollten. Nach mehreren Startversuchen erfolgte dann schließlich am 12.04.1981 (7:00 AM) der Start der
Columbia zu ihrem triumphalen Jungfernflug in die Shuttle-Ära.
Danach kaufte er sich einen Airfix-Shuttle Stack und baute ihn, wie nicht anders zu erwarten, als Columbia-Version der STS-1. Gleichzeitig begann er an seinem alten Pad-Modell zu tüfteln und stellte dabei fest, dass der 1:162-Maßstab des ESTES-Modells nicht so weit weg war von dem 1:144 Airfix-Stack, der seine einzige genaue Referenz für den folgenden Umbau des Pads war.
Nach der Anpassung der
FSS auf die erforderliche Höhe mussten die
MLP und die
RSS aber komplett neu gebaut werden, was jedoch ziemlich schwierig war, wie man sich vorstellen kann.
Denn nun musste jeweils Abschnitt für Abschnitt und Teil für Teil im Vergleich mit dem Shuttle gemessen und skaliert sowie deren Dimensionierung anhand von Fotos überprüft werden. Anschließend wurden alle Teile von Hand aus Papier, Balsaholz, Kunststoff und vielen anderen Sachen gefertigt.
Der Umbau des LC-Modells (1:144) war 1982 abgeschlossen und sah dann mit dem
STS-1-Stack so toll aus, dass man in Anbetracht der damaligen Umstände und Möglichkeiten nur den Hut davor ziehen kann.
Im gleichen Jahr war Steven dann auch live beim Start zur
STS-4 dabei und hat sein Modell auch durch einen Columbia-Stack (Airfix) erstmals mit dem orangefarbenen ET aktualisiert.
Danach folgte die erste Mission der
Challenger mit
STS-6, die auch nachgebaut wurde, wobei diesmal ein Revell-Stack verwendet wurde. Parallel dazu wurde das LC-Modell ständig überarbeitet und verbessert.
Und jetzt wird es richtig spannend.
Zu diesem Zeitpunkt machte Steven einige Aufnahmen von seinem Modell, so u.a. auch Außenaufnahmen vor dunklem Nachthimmel und durch Strahler angestrahlt, die offenbar so gut waren, dass er einige Kopien davon an Revell geschickt hat, um zu zeigen, wie ein realistisches LC-Modell aussehen könnte.
Wochen später erhielt er einen Brief von
Revell in Kalifornien (Sean Day) mit der Anfrage bzw. dem Vorschlag, sich sein Modell auszuleihen, um es als Ausstellungsstück für einen künftigen Modellbausatz eines
Shuttle Launch Complex vorzustellen, dessen Herstellung und Vertrieb Revell und sein Partnerunternehmen in Deutschland (Cieji) beabsichtigten.
Dafür vorgesehen waren die
Dallas Hobby Exposition, sowie die
New York Toy Fair als größte Spielzeug- und Hobby-Messe in den USA, was für Steven natürlich ein tolles und unerwartetes Angebot war.
Und so kam es dann dazu, dass der Deal perfekt gemacht wurde und Revell zwei stabile Transportkisten schickte, in die alles mit Weichschaumteilen eingepackt wurde.
Und hier steht alles für den Fed Ex-Versand bereit.
Revell hat dann vom Modell eine Reihe von Referenzfotos für die eigene weitere Verwendung angefertigt.
Dieses Foto zeigt Stevens "Revell-Display" auf der
Dallas Hobby Exposition 1984, worauf Steven natürlich sehr stolz war.
Und dann nahmen die Dinge ihren (verhängnisvollen) Lauf. Cieji in Deutschland bekam den Zuschlag für die Produktion. Infolge von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Revell und Cieji über Inhalt, Preis, Verpackung und andere Fragen des Bausatzes verschob sich das Produktionsdatum bis weit in das Jahr 1987. Aufgrund der durch Cieji erzwungenen "Überarbeitungen" war man bei Revell auch nicht zufrieden mit der Genauigkeit des Kits, wie sie eigentlich sein sollte.
Außerdem wollte Ceiji die Nutzung ihrer kleineren Display-Version der MLP beibehalten und dadurch die Kosten für die Umrüstung der Spritzguss-Formen einzusparen.
Und den Rest kennen wir.
Hier ist noch ein Foto vom
IVAC-L5 Society Spaceweek 86 Event im
Lakeview Museum in Peoria, mit einem Challenger-Stack der
STS-51L, zum Gedenken an die sieben verunglückten Astronauten.
Und so steht der LC-39-Complex noch heute bei Steven unter einem Plexiglas-Gehäuse, das Revell spendiert hat, inzwischen komplettiert durch eine Crawler aus einem Paper Kit von David Maier.
Und der Vollständigkeit halber ist hier noch ein Modell in der aktuellen Version des Kits (Revell Deutschland) mit der Mini-MLP, das Steven für seine Heimatstadt Peoria gebaut und gespendet hat und im dortigen
Dome Planetarium of the Peoria Riverfront Museum steht.
So Leute, nun wissen alle Bescheid, wie es zu diesem Revell Kit kam, der leider auch in der Neuauflage unverändert beibehalten wurde.
Und
hier könnt Ihr die ganze Story noch einmal ausführlicher nachlesen.