Rückblick auf die 34. Raumfahrttage in Neubrandenburg
Schon zum 34. Mal hatte Neubrandenburg vom 23. bis 25. November 2018 zu den zu einer guten Tradition gewordenen Raumfahrttagen in der Stadt eingeladen. Man hatte sich dazu fachkundige Referenten aus der Raumfahrt- und Forschungsszene eingeladen, die mit abwechslungsreichen Vorträgen aufwarteten.
Nach einer kurzen Begrüßung am Vormittag des 24. November musste aber zunächst einmal eine immens „wichtige“ Formalie zu erledigt werden: die Festlegung eines Datenschutzbeauftragten. Mit dieser Rolle wurde Uwe Schmaling betraut, der alle Anwesenden darauf hinwies, dass während der Veranstaltung Film- und Fotoaufnahmen durchgeführt werden, die öffentlich zugänglich sind. Er bat diejenigen, die nicht auf diesen Aufnahmen erkannt werden wollten, sich entweder mittels Gesichtsmaske unkenntlich zu machen, oder aber die Veranstaltung zu verlassen. Das in Deutschland bestehende Vermummungsverbot wurde für den Zeitraum der Veranstaltung deshalb ausdrücklich außer Kraft gesetzt. Meines Wissens nach hat von diesen beiden Möglichkeiten aber niemand Gebrauch gemacht.
Im Anschluss gingen auch schon die Fachvorträge los. Zunächst war der russische Kosmonaut Gennadi Padalka an der Reihe, der einen reich bebilderten Vortrag über seine fünf Raumflüge abhielt. Mit insgesamt 878 Tagen Aufenthaltsdauer im Weltraum ist er dabei unangefochtener Rekordhalter. Neben dem Hinweis auf die durchgeführten Experimente ging er in Wort und Bild auch auf die Trainingsmöglichkeiten zum Erhalt der körperlichen Fitness ein. Besonders eindrucksvoll war sein Flug mit einer Filmkamera durch die gesamte Internationale Raumstation, den wir uns auf der Videowand ansehen konnten. Man bekam dabei einen recht guten Eindruck von den Dimensionen dieses einmaligen Bauwerkes der Menschheitsgeschichte.
Der Vortrag von Dr. Oliver Juckenhöfel von Airbus Defence and Space über das Orion-Raumschiff und die Exploration Mission Nummer 1 schloss sich an. An dieser Mission beteiligt sich Europa mit dem Servicemodul für das Raumschiff, das auf der Grundlage des Servicemoduls des europäischen Frachtraumschiffs ATV entwickelt wurde. Dr. Juckenhöfel ging auf Probleme bei der Entwicklung ein, und er gab einen Ausblick auf die bevorstehenden Missionen. Die erste unbemannte Orion-Mission EM-1 soll unter Nutzung des Trägersystems SLS nach dem derzeitigen Stand im Jahr 2020 durchgeführt werden. In den folgenden Jahren soll es dann mehrere Missionen zum Aufbau und zur Versorgung des bemannten lunaren Vorpostens der Menschheit, des Lunar Orbital Platform-Gateway (zuvor: Deep Space Gateway) geben.
Dr. Juckenhöfel kritisierte die Ungeduld der Medien und der Öffentlichkeit bei der Verwirklichung der Pläne, und er verwies auf die enorme Komplexität des Vorhabens, was halt zeitlich kaum schneller zu Stemmen sei. Mit dem Blick auf das seinerzeitige Apollo-Programm, bei dem alles viel schneller vonstatten ging, verwies er auch auf den damals herrschenden Wettlaufcharakter mit der Sowjetunion, der zu den damaligen schnellen Ergebnissen beigetragen hat, und den es so jetzt nicht mehr gibt.
Nach der Mittagspause ging es dann mit dem Vortrag von Prof. Dr. Felix Huber von der DLR Oberpfaffenhofen weiter. Er stellte die Mobile Raketenbasis MORABA vor. MORABA führt Starts von Höhenforschungsraketen durch und wurde 1967 gegründet. Dabei ist MORABA eine Abteilung innerhalb des DLR, die über 45 Mitarbeiter verfügt. Da die Raketen und die zugehörigen Startrampen nicht sehr groß sind, können Starts weltweit geordert und durchgeführt werden. Hauptsächlich finden die Startaktivitäten aber auf den beiden eigenen Startgeländen in Kiruna (ESRANGE) bzw. Andoya statt.
Jährlich absolviert die MORABA circa 500 Raketenstarts, wobei im Laufe der Zeit unterschiedliche Raketenmodelle zum Einsatz kamen. Zunächst kam als Basisstufe die als Luftabwehrrakete entwickelte Nike zum Einsatz, von der rund 45.000 Stück produziert worden sind. Später kamen auch Raketenmotoren von ausgemusterten Patriot-Luftabwehrrakete hinzu. Die heutigen Höhenforschungsraketen haben dagegen kaum noch eine militärische Vergangenheit. Sie werden hauptsächlich in Brasilien produziert und von der MORABA gekauft. Es handelt sich dabei um Raketen der Typen VSB-30, VSB-43, VS-40 und VS-50. Mit derartigen Raketen werden unter anderem auch die Texus- bzw. Maxus-Startkampagnen durchgeführt. Fernziel der MORABA-Akivitäten ist der Start von Microsats in den Erdorbit mit dem Microlauncher VLM-1. Ein derartiger Träger ist nach den Worten des Referenten dann aber nicht mehr mobil zu betreiben, sondern aufgrund seiner Größe auf feste Startrampen angewiesen.
Es folgte ein Vortrag von Dr. Karlheinz Steinmüller über „Leben im Weltraum“. Er ging auf die mögliche Anzahl von intelligentem Leben in unserer Galaxis ein, wobei die Möglichkeit von „Sehr weit verbreitet“ bis hin zu „Wir sind einmalig“ reichte. Welcher Fall aber tatsächlich zutreffend ist, kann heute und wohl auch in naher Zukunft nur Anhand von theoretischen Überlegungen abgeschätzt werden, und damit ist es kaum mehr als ein Lesen in der Glaskugel. Jedem bleibt es also selbst überlassen zu entscheiden, welches Denkmodell er für das Wahrscheinlichste hält.
Das eigentliche Highlight der Veranstaltung war schließlich der Vortrag von Eberhard Köllner. Sein mit viel Esprit und Leidenschaft gehaltener Vortrag ging auf viele pikante Details während seines Aufenthalts in der Sowjetunion ein. Er schilderte wenig bekannte Episoden während der Ausbildung der tschechischen, polnischen und deutschen Raumflugaspiranten, und er ging auf zahlreiche Details des Ablaufes des eigentlichen Raumfluges ein. Auch das Anlegen des Sokol-Raumanzuges war dabei ein Thema, ebenso die Frage, ob der Raumanzug auf dem Weg zur Rakete zum Pinkeln nochmal geöffnet werden kann (nach seiner Aussage ist es nicht ganz so einfach, aber doch möglich!).
Thema seines Vortrages war auch der jüngste Fehlschlag beim Start von Sojus MS-10. Er schilderte nochmal detailliert die Funktionsweise der drei (!) Stufen der Trägerrakete und des Rettungssystems SAS, und er ging dabei sowohl auf den Nominalfall als auch den Havariefall in verschiedenen Flugphasen ein.
Seine Rede ging weit über die geplante Zeit von 45 Minuten hinaus, doch Langeweile kam bei diesem hervorragenden Vortrag keine auf.
Nach fast 90 Minuten musste der Vortrag leider abgebrochen werde, da die Abfahrtzeit des Busses zurück zum Hotel heran war, denn auf uns wartete bereits das abendliche Bankett, hergerichtet vom Team des Hotels Am Ring.
Dem Team des Hotels gilt ein herzlicher Dank für die schmackhaften Speisen und Getränke zum Abschluss eines gelungenen Tages.
Am Vormittag des Sonntags ging es schließlich weiter mit den Vorträgen. Zunächst hielt Wolfgang Both einen Vortrag über Kurt Heinisch und die Magdeburger Pilotenrakete. Heinisch gehörte zum Konstrukteursteam dieser Rakete, und er war durchaus bereit, damit einen Flug zu unternehmen. Dazu ist es aber nie gekommen. Später gehörte Heinisch der Mannschaft um Wernher von Braun an und er war in diesem Zusammenhang als Ingenieur in Peenemünde tätig. Im Gegensatz zu vielen anderen aus dieser Gruppe ging er nach dem Krieg aber nicht mit nach Übersee, sondern er blieb in Deutschland.
Da ich anschließend meinen Zug erreichen musste, konnte ich die beiden letzten Vorträge leider nicht mehr miterleben. Peter Schneider berichtete in seinem Vortrag über „NewSpace – Traumblase oder Start in die Zukunft?“ und Ulrich Köhler ging bei seinem Event auf die Missionen von Hayabusa 2 und InSight ein.
Alles in allem waren die 34. Raumfahrttage in Neubrandenburg eine gelungene Veranstaltung, und viele Anwesende werden sich sicher in naher Zukunft einmal wiedersehen.
Allen Organisatoren, Sponsoren und den zahlreichen fleißigen Helfern, die zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben, gilt dabei mein Dank, und ich denke, dass ich diesen Dank auch im Namen aller anderen Anwesenden übermitteln kann.
Viele nette Grüße
Uwe Rätsch
P.S. Korrekturen und Ergänzungen zu dem von mir Gesagten sind ausdrücklich erwünscht!