Hallo,
ich habe gerade einen Artikel gefunden, in dem ein Historiker namens Pawel Schubin die Ereignisse von Anfang der fünfziger Jahre beschreibt, als (erstmals am 22. Juli 1951) Hunde mit R1-RB Raketen auf suborbitalen Bahnen den Weltraum erreichten. Der Autor behauptet, diese Ereignisse, die lange Zeit streng geheim waren, erstmals seit 70 Jahren genau und wahrheitsgemäß darzustellen.
https://nplus1.ru/blog/2021/07/22/soviet-astrodogsDer Artikel beruht zum einen auf den Memoiren von Professor Vladimir Yazdovsky vom Forschungsinstitut für Luftfahrtmedizin (der Professor schilderte z.B. sein erstes Zusammentreffen mit Koroljow) sowie außerdem auf folgenden Dokumenten von 1951 vom Russischen Staatsarchiv für wissenschaftliche und technische Dokumentation (RGANTD):
"Experimentelle Untersuchungen zur Gewährleistung physiologischer und hygienischer Bedingungen für Tiere in einer versiegelten Kabine mit geringem Volumen"
"Untersuchung der Überlebensmöglichkeit und lebenswichtiger Aktivität von Tieren während des Fluges mit der Rakete 1-RB"
"Untersuchung der Überlebensmöglichkeit und vitaler Aktivität von Tieren bei Flügen in die obere Atmosphäre"
Es ging im wesentlichen darum, herauszufinden, welchen Einfluss die Schwerelosigkeit und die kosmischen Strahlung auf die Tiere haben würde. Kosmische Teilchen hatte man schon auf Fotoplatten detektiert, man stellte sich vor, sie würden auf den lebenden Körper wie eine Injektion mit sehr dünnen Nadeln wirken. (was passiert dann im Gehirn?)
Das Programm begann offiziell am 30. Dezember 1949 mit einer Resolution des Ministerrates der UdSSR. Fünf Flug- und eine Reserverakete wurden dem Experiment zugewiesen. Die R1-RB Raketen waren modifizierte Nachbauten der deutschen A4 (V2) Weltkriegsraketen.
Rakete R1-RB
Bild:RGANTD
Als Tester wurden Mischlingshunde ausgewählt, das begründete man mit der russischen Tradition, beginnend mit dem Wissenschaftler Pavlov. Wichtig war das Gewicht der Tiere, das zwischen fünf und acht Kilogramm liegen sollte.
Man begann damit, die Kapsel mit einem Lebenserhaltungssystem und wissenschaftlicher Ausrüstung zu entwickeln, und die Hunde daran zu gewöhnen, in die Kapsel zu gehen und bis zu zwei Stunden darin auszuharren. Die Hunde verhielten sich dabei individuell sehr unterschiedlich. Beim "Angsttest" wurde eine vollausgestattete Kapsel mit Hunden auf die Rakete gesetzt, während ein Triebwerkstest ausgeführt wurde. Leztlich wurden die beiden am besten geeigneten Hunde für den ersten Flug ausgewählt.
In der Zeit von Juli bis August 1951 war geplant, sechs Starts der Rakete durchzuführen. Am 7. Juni wurden die letzten Tests des Kapselrettungssystems durchgeführt. Eine Kapsel mit zwei Hunden wurde aus 5100 Metern Höhe von einem TU-2 Bomber abgeworfen. Die gelandete Kapsel wurde mit Hilfe von Po-2 Flugzeugen geortet und von speziellen Suchteams geborgen. Die Hunde waren unverletzt und nahmen glücklich ihr Leckerli.
(im Grunde kann man sagen, die Hunde wurden so rund 1,5 Jahre lang ausgebildet wie richtige Kosmonauten, welche aber nach der Landung kein Leckerli bekommen
)
Der erste Flug war für den 22. Juli geplant. Eine Stunde vor dem Start wurden die Hunde noch einmal untersucht (Elektrokardiogramm, Gewicht, Atemfrequenz, Puls). Dann wurden sie in der Kapsel festgeschnallt.
Zum Ablauf des Fluges gibt es folgende Skizze:
Bild:RGANTD
Die erste, angetriebene Phase des Fluges dauerte 63 Sekunden mit einer Beschleunigung bis zu 5.45g. Die Geschwindigkeit nach dem Abschalten des Triebwerks betrug 1094 m/s, die Gipfelhöhe des ersten Fluges war 88,7 km. Der Flug wurde ein voller Erfolg, nach der Landung konnte man die beiden Hunde lebend bergen.
Bei einem späteren Flug, am 15. August 1951, erreichte man eine Höhe von 100,9 Kilometern. Welcher Flug jetzt als erster den Weltraum erreichte, hängt von der Definition der Weltraumhöhe ab (diese Diskussion hatten wir kürzlich in anderen Threads). Bis zum Schluß des Programms, am 3. September 1951, wurden sechs Raketen gestartet. Zwei der Missionen endeten tragisch für die Hunde, weil an ihren Kapseln die Fallschirme nicht richtig funktionierten. Die überlebenden Weltraumhunde wurden danach von den Wissenschaftlern adoptiert.
Das wissenschaftliche Ergebnis dieser Flüge war, das die Befürchtungen über die Schädlichkeit des Aufenthalts im Weltraum stark übertrieben waren. Das Programm, Tiere in den Weltraum zu bringen, zeigte, dass man auch Personen ins All bringen kann.
viele Grüße
Steffen