Nachhaltigkeit oder Showeffekt - die frühe sowjetische Raumfahrt

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knt

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Re: Nachhaltigkeit oder Showeffekt - die frühe sowjetische Raumfahrt
« Antwort #25 am: 31. August 2010, 02:50:04 »
Zitat
Allerdings haben die Sowjet damals nicht gesagt, "wir testen gerade eine verbesserte Version der Wostok mit einer neuen Landetechnik", sondern sie haben der Welt gegenüber beteuert, dass ihre Raumfahrttechnik so sicher sei, dass ihre Kosmonauten nun ohne Druckanzüge Missionen fliegen könnten und dass sie zum ersten Mal in der Geschichte der bemannten Raumfahrt drei Männer gleichzeitig losgeschickt haben. Wie Jahre später die tragisch verlaufene Mission Sojus 11 gezeigt hat, war das bodenloser Leichtsinn.
Dieses Argument hatst du schon einigemale vorgebracht. Ich versuche es noch einmal mit meiner Gegenperspektive.

Deine Gegenüberstellung "nicht gesagt...sondern gesagt.." impliziert, das sie nur etwas anderes hätten sagen müssen um die Mission in deinen Augen aufzuwerten. Das ist meiner Meinung nach aus mehreren Gründen problematisch.

1. liegt die Bedeutung einer Leistung, ihre Nachhaltigkeit doch in der Leistung selbst, und nicht darin was, oder wie darüber geredet wird.

2. liegt zwischen dem sowjetischen Mund und deinem (wahrscheinlich) westeuropäisch, amerikanischen Ohr der Kalte Krieg. Das meine ich nicht als Metapher, sondern ziemlich wörtlich: Aus dem was du hast "sie sagen hören" kannst du nicht schließen, was "sie gesagt haben". Nimm das Gegenteil und verkorkse es wie du magst, dann liegst du wahrscheinlich näher an der Wirklichkeit.

Was die Leichtsinnigkeit betrifft - nun natürlich war das Leichtsinnig. Die ganze frühe Raumfahrt war maximal leichtsinnig. Auch daran ist nichts spezifisch sowjetisches.

Offline Ruhri

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Re: Nachhaltigkeit oder Showeffekt - die frühe sowjetische Raumfahrt
« Antwort #26 am: 31. August 2010, 23:36:06 »
Naja, nicht ganz. Auch wenn Woschod 1 offiziell "nur" der Test einer neuen Landevorrichtung gewesen wäre, müsste man einen großen Leichtsinn konstatieren. Und mal ehrlich, was macht es für einen Unterschied, wenn man jetzt drei, vier oder fünf Leute in ein Raumfahrzeug setzen kann? Viele Jahre später war das beim amerikanischen Space Shuttle auch kein Thema mehr, dass man regulär mit 7 und einmal mit 8 Astronauten geflogen ist. Wie du schon sagtest, ist Raumfahrt gefährlich und war damals noch um einiges gefährlicher. Unnötige Risiken einzugehen nur zur Erreichung eines propagandistischen Zieles, hinterlässt ein ziemlich ungutes Gefühl.

(Leichtsinn durch zu große Routine und daraus resultierender Sorglosigkeit wäre da ein ganz anderes Thema. Im Grunde sind alle tödlichen Unfälle mit Raumfahrzeugen darauf zurück zu führen, wobei die Russen bekanntlich besser abgeschnitten haben als ihre amerikanischen Kollegen.)

Wenn man es genau betrachtet, hat die so erfolgreiche sowjetische Erfolgspropaganda ein Gutteil des Fundaments gelegt für diese unselige Verschwörungstheorie. Damals in den 50er und 60er Jahren müssen die Menschen (außerhalb der Raumfahrtprogramme) das Gefühl gehabt haben, die Sowjets lägen uneinholbar weit in Führung. Diese Meinung ist auch heute noch sehr weit verbreitet. Wenn man genau hinsieht, weiß man es natürlich besser, denn die amerikanische Mondlandung ist eben nicht plötzlich vom Himmel gefallen. Wenn es ein Leben nach dem Tod für alte Kommunisten geben sollte, wird Chruschtschow sich jedes Mal königlich amüsieren, wenn wieder jemand die Leistungen der Amerikaner anzweifelt. Naja, das nur so nebenbei.

Aber mal etwas weniger weit zurück in die Vergangenheit geschaut: Ist mein Eindruck korrekt, dass die sowjetische Raumfahrt nach der (Propaganda-) Niederlage im Zusammenhang mit der Mondlandung erwachsener wurde und die Missionen damit an Nachhaltigkeit gewonnen haben? Interessanterweise kam es zwischen den Missionen von Woschod 1 und 2 zum Sturz von Nikita Chruschtschow. Hatte das tatsächlich so große Auswirkungen auf die sowjetische Raumfahrt? Hm, wer weiß?

websquid

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Re: Nachhaltigkeit oder Showeffekt - die frühe sowjetische Raumfahrt
« Antwort #27 am: 04. September 2010, 16:23:28 »
@Ruhri: Deinem Eindruck, dass die Missionen nachhaltiger wurden, sobald das Rennen zum Mond verloren wurde, stimme ich zu. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das an der Niederlage lag. Mit den ganzen frühen Missionen hat man ja vor allem Technologien demonstriert. Irgendwann kam dann der Punkt, an dem man diese Technologien auch einsetzen wollte.

Ich denke eher, dass es (auf beiden Seiten) Anfang der 70er die Einsicht gab, dass immer teurere Propagandamissionen keinen praktischen Nutzen haben. Statt der großen Visionen (Marsflug etc) wurden jetzt praktische Programme umgesetzt, die einen echten Erkenntnisgewinn brachten, aber nicht immer teurer wurden. Auf beiden Seiten fehlte dann der Wille, mit allen Mitteln weiterzumachen. Bis heute.

mfg websquid

Offline Ruhri

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Re: Nachhaltigkeit oder Showeffekt - die frühe sowjetische Raumfahrt
« Antwort #28 am: 05. September 2010, 12:55:06 »
Ich hatte da auch nur einmal so vor mich hinsinniert. Bei den Sowjets kann man das eigentlich auch schon etwas früher sehen. Die hatten ja auch so eine "Gap" zwischen Wostok/Woschod und Sojus. Die Sojus war bereits in Entwicklung, als die letzten Woschod-Missionen geflogen wurden, und dann hat man sich erst einmal zurück genommen. Da gab es natürlich das Mondlandeprogramm, mit dem man mit den USA konkurrieren wollte, aber im Grunde hatten die Verantwortlichen wohl erkannt, dass sich jetzt etwas ändern müsse.

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Offline roger50

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Re: Nachhaltigkeit oder Showeffekt - die frühe sowjetische Raumfahrt
« Antwort #29 am: 25. September 2010, 00:41:50 »
Ich habe die 60er-Jahre ja schon sehr bewußt erlebt, und vieles, was damals in den frühen Jahren der Raumfahrt gemacht wurde, geschah in erster Linie aus Propagandagründen. Auf beiden Seiten. Es war halt ein kalter Krieg der ideologischen Systeme. Wie Collins schon geschrieben hat:

Zitat
Sie wollten den andern zeigen wo zu mann in der Lage war und die anderen nicht.
Die Show war Mittel zum zweck diesen zu gewinnen.
Nach dem Motto : Überlegen im All = Überlegen auf der Erde.

Bis zum großen Umbruch Anfang der 90er wußten wir im Westen ja kaum etwas über die inneren Vorgänge in der "UdSSR", aber seither ist vieles, was uns damals verwunderte, erklärbar geworden.

Ich bleibe jetzt mal bei Woschod: als im Oktober 1964 Woschod-1 mit drei Kosmonauten ohne Raumanzügen startete, sprach die Prawda von einem "riesigen neuen Raumschiff, das so komfortabel ist, daß Raumanzüge nicht mehr erforderlich sind". Nun, heute wissen wir, daß es nicht so war, weder was Größe noch die Gründe für das Weglassen der Suits angeht. Und wir wissen, daß Sergei Koroljow ja entschieden gegen das gesamte Woschod-Programm war, und unbedingt alle (knappen) Mittel auf die Fertigstellung des in Entwicklung stehenden Sojus-Raumschiffs konzentrieren wollte. Aber da die NASA angekündigt hatte, Ende 1964 die erste Gemini-Kapsel mit 2 Leuten zu starten, wollte Nikita C. dies übertrumpfen und befahl Koroljow, die Amerikaner mit 3 Personen in einem Raumschiff zu übertreffen.

Aber ohne diese frühen (vielfach propagandistischen) Erfolge der Sowjetunion hätten die USA niemals so viel Geld in die Raumfahrt gepumpt, hätte es kein Apollo-Programm mit einer "Mondlandung bis 1970" gegeben und wir ständen heute nicht da, wo wir heute stehen. Und das ist für mich das Entscheidende, und ich bin persönlich sehr dankbar dafür, daß die russischen Kollegen damals imstande waren, solche tollen Erstleistungen zu erbringen.

Gruß
roger50