Sojus landet im Abseits

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Offline pikarl

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Sojus landet im Abseits
« am: 04. Mai 2003, 18:09:19 »
Heute früh um 4 Uhr landete wie vorgesehen die Expedition Six Crew der ISS in der kasachischen Steppe. Dabei verursachte sie eine große Aufregung, da sie nicht in der vorgesehenen Region landete sondern etwa 440 Kilometer davon entfernt - in einer anderen Region der kasachischen Steppe. Suchmannschaften brauchten etwa zwei Stunden, bis sie die Kapsel lokalisiert hatten. Die Astro- und Kosmonauten, die sich über sechs Monate auf der ISS aufgehalten hatten, konnten sich in dieser Zeit alleine befreien und die Kapsel selbstständig verlassen.

Mehr dazu hier: http://inspace.trekzone.de/nph-nge.cgi?n=news.templates.raumfahrt&f=04052003133434

Ich möchte einmal die Behauptung aufstellen, dass wir heute durch die Fast-Notlandung der Sojus-Kapsel haarscharf an einem Supergau für die bemannte Raumfahrt vorbeigeglitten sind. Was wäre gewesen, wären die drei Insassen durch den Fehler ums Leben gekommen? Dies wäre für Presse und Öffentlichkeit wohl der Beweis gewesen, dass bemannte
Raumfahrt (nach der Columbia-Katastrophe) in Ost und West wohl nicht sicher ist. Das Projekt ISS wäre vielleicht eingestellt worden - wohl auf jeden Fall auf viele Monate unbemannt geblieben.

Ich bin kein Freund von reißerischen Was-wäre-wenn-Szenarien. Ich bin überzeugt vom Sinn der bemannten wie unbemannten Raumfahrt und sähe nichts lieber, als wenn in den nächsten 50 Jahren Menschen auf dem
Mars landen würden. Die Meldung von heute früh hat mir nichts desto trotz (ähnlich wie die Columbia-Unglücksmeldung) einen mittelschweren Schrecken eingejagt. Hoffen wir, dass die Medien den Vorfall nicht dazu nutzen, wie nach der Columbia-Katastrophe der bemannten Raumfahrt totale Nutzlosigkeit entgegenzuwerfen (wie es z.B. in der Süddeutschen Anfang Februar der Fall war: http://www.sueddeutsche.de/index.php?url=ausland/weltspiegel/61389&datei ).

Hoffen wir das Beste. :-/

Grüße
Karl

hesaenger

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Re: Sojus landet im Abseits
« Antwort #1 am: 05. Mai 2003, 06:27:27 »
Hallo,

Die Probleme bei der Landung der Soyuz muss man nicht überbewerten. Kapseln haben beim Reentry nun mal größere Abweichungen in der Flugbahn. Das war bei den Amerikanern so und auch russische Geräte hat man schon öfters suchen müssen.

Tatsächlich ist aber die gesamte westliche Raumfahrt in einer selbstgemachten Krise. Raumfahrt ist erst einmal das Transportmittel. Ohne gibt es keine Forschungssonden, keine Nachrichtensatelliten und erst recht keine bemannte Raumfahrt.

Jetzt überlegen die USA ernsthaft, ob sie das verlorene Shuttle durch einen Nachbau ersetzten sollen. Was haben sie die letzten 20 Jahre gemacht? Wenn ich ein neues Auto brauche, denke ich nicht unbedingt daran einen Golf I nachzubauen!

Dazu kommen Probleme mit der ISS. Im US-Modul ist einer von vier Stabilisatoren ausgefallen. Auf Grund von Konstruktionsproblemen kann das zu massiven Problemen führen wenn ein zweiter Kreisel ausfällt, da die Steuerdüsen als Ersatz ihren Treibstoff zu schnell verbrauchen würden.

Die europäische Raumfahrt ist aber auch nicht besser. Über die Probleme bei ARIANE V wird seit 10 Jahren gesprochen. Jetzt heißt es mal wieder, gebt uns eine Mrd., wir werden's schon richten.

Üblicherweise trägt man ein wasserdichtes Konzept seinem Vorstandsvorsitzenden oder seiner Regierung vor. Diese prüft es dann und finanziert es vielleicht. Inzwischen sieht es aber anders aus: Es gibt so und soviel Arbeitsplätz zu sichern. Dafür brauche ich so und soviel Geld. Schaun wir mal, vielleicht gibt's dafür auch Hardware :-(((
« Letzte Änderung: 05. Mai 2003, 06:28:12 von hesaenger »

Myrdin

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Re: Sojus landet im Abseits
« Antwort #2 am: 10. Mai 2003, 18:05:57 »
@ Karl: Also für mich spricht eigentlich dieser Vorfall für die Zuverlässigkeit der russischen Technik! Ich mein jetzt nicht, die Softwareprobleme, die anscheinend für die Abweichungen gesorgt haben. Vielmehr meine ich die robuste Hardware, wie der Raumkapsel selbst, die einen solchen Eintritt ohne weiteres überstanden hat. was nicht selbstverständlich war, denn der Wiedereintrittswinkel soll ziemlich steil gewesen sein....

@hesaenger: Der Vergleich mit dem Nachbau eines Golf 1 ist gut und leider trifft er auch 100% zu...
Aber was sollen sie denn anderes machen, wenn sie in jedes neue Konzept zuerst Millionen stecken und dann mittendrinn aufhören.....wenn die Automobielindustrie genauso arbeiten würde, würde wohl jeder einen mit Elektronik aufgemotzten VW Käfer fahren... ;D

BraiNbuG

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Re: Sojus landet im Abseits
« Antwort #3 am: 11. Mai 2003, 09:48:20 »
ne kurze Frage:
Warum haben sie solange suchen müssen? Wäre es nicht am einfachsten einfach nach der Landung einen Peilsender zu aktivieren und sich von dem Signal leiten zu lassen?  ???

hesaenger

  • Gast
Re: Sojus landet im Abseits
« Antwort #4 am: 11. Mai 2003, 10:06:09 »
Hallo,

wer garantiert, daß ein Nachbau viel günstiger wird? Immerhin muß das meiste mit neuen Ressourcen neu entwickelt, neu geplant werden. Ein wirklich neues Gerät unter Zeitdruck sähe auch noch nicht aus wie ein 'Sänger' mit luftatmenden Kombinationsantrieben. Eher optisch wie das alte Shuttle, aber mit zuverlässigerer und bezahlbarerer Technik. Über Startkosten von einer Mrd. freut sich höchstens Boeing. Also wie könnte es aussehen? Mit lagerfähigen flüssigen und ungiftigen Treibstoffen für Haupttriebwerk und Booster, mit gut zu wartenden Reentry-Strukturen, unbemannt einsetzbar wie Buran etc.
Alleine, warum haben wir das nicht schon?

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Offline pikarl

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Re: Sojus landet im Abseits
« Antwort #5 am: 11. Mai 2003, 11:24:59 »
Zitat
ne kurze Frage:
Warum haben sie solange suchen müssen? Wäre es nicht am einfachsten einfach nach der Landung einen Peilsender zu aktivieren und sich von dem Signal leiten zu lassen?  ???

Das würde mich auch mal interessieren. In der Zeit von GPS und eben Peilsendern dürfte es doch kein Problem sein, nach der Landung die Kapsel schnell zu orten, oder?

Grüße
Karl
« Letzte Änderung: 07. November 2008, 09:32:29 von MSSpace »

hesaenger

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Re: Sojus landet im Abseits
« Antwort #6 am: 12. Mai 2003, 15:01:21 »
Aus bisher nicht bekannten Gründen leitete die Kapsel eine Notrückkehr ein. Das heißt, ein reentry mit einer für die Passagiere steilst möglichen Abstiegsbahn. Dabei versagte die Bordelektronik, die Antennen verschmorten und sogar ein Fallschirmseil riss. Ohne Elektronik funktioniert aber kein GPS und kein Sender und der Platz in einer Kapsel ist viel zu knapp für eine großartige Redundanzausrüstung. Wie aber schon einmal gesagt, so ungewöhnlich ist dies bei Kapseln nicht und inzwischen sind nur alle nach dem Shuttle-Unglück wieder viel stärker sensibilisiert.
« Letzte Änderung: 12. Mai 2003, 15:01:50 von hesaenger »

BraiNbuG

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Re: Sojus landet im Abseits
« Antwort #7 am: 12. Mai 2003, 15:13:43 »
Zitat
Dabei versagte die Bordelektronik, die Antennen verschmorten und sogar ein Fallschirmseil riss. Ohne Elektronik funktioniert aber kein GPS und kein Sender und der Platz in einer Kapsel ist viel zu knapp für eine großartige Redundanzausrüstung.

Was nun? Ist die Antenne für das GPS System verschmort oder zählt ein GPS-Empfänger als redundante Bordelektronik und wurde gar nicht mitgeführt?
« Letzte Änderung: 07. November 2008, 09:33:00 von MSSpace »

hesaenger

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Re: Sojus landet im Abseits
« Antwort #8 am: 12. Mai 2003, 16:46:13 »
Was würde das GPS nutzen, wenn die Sendeanlage nicht mehr tut?

Atomizer (Gast)

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Re: Sojus landet im Abseits
« Antwort #9 am: 16. Juni 2003, 22:21:58 »
na ja selbst bei peilsender
dauerts doch ne weile bis zu dem ort.440 km müssen die rettungsmanschaften auch erstmal zurücklegen.
ich glaube nich das die über die gesamte kasachishe Steppe ihre Leute verteilt ham :)

ach na ja.egal.

Ich glaube wenn jetz das "Wettrennen zum MARS" beginnt wird wohl wieder eine gesunde euphorie für die Raumfahrt aufkommen.
und vielleicht erneuert sich sogar der Gedanke einer bemannten Marslandung in der Öffentlichkeit.

mfg JD