"softer" Wiedereintritt durch hoher Gleitzahl

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"softer" Wiedereintritt durch hoher Gleitzahl
« am: 01. April 2019, 20:14:29 »
Die Kármán-Linie liegt in 100km Höhe und definiert die Grenze zum Weltraum. Sie ist die ungefähre Höhe in der die Atmosphäre zu dünn ist, um einen nennenswerten Auftrieb bei einem Flugobjekt zu erzeugen.

Das Space-Shuttle hatte eine Gleitzahl von 5,5 und hatte in ca 70km Höhe die größte thermische Belastung. War der Wiedereintrittswinkel zu Flach, konnte das Space-Shuttle von der Atomosphäre abprallen und würde einen 2. Runde um die Erde drehen.

Könnte ein Segelflugzeug mit großer Gleitzahl (50-70) in der Lage sein, seinen Wiedereintritt "abzufangen" und in 90-100km höhe zu Segeln bis es genügend Geschwindigkeit abgebaut hat, um dann ohne Hitzeschild zu Landen?

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Offline Schillrich

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Re: "softer" Wiedereintritt durch hoher Gleitzahl
« Antwort #1 am: 02. April 2019, 19:47:50 »
Hallo Recke,

das ist ein oft gesehenes Missverständnis. Denn durch "Segeln" wird ja keine Energie abgebaut. Die muss immer noch aus dem System raus und das bedeutet Wärme ... spätestens in den Bremsscheiben, wenn man auf der Landebahn "in die Eisen steigt".

Vom Grundsatz: diese Frage hat man bei der Entwicklung der X-15 untersucht. Sollte man eine Konfiguration mit hohem und niedrigem Widerstand im Überschallbereich nutzen? Niedriger Widerstand hätte bedeutet, dass die Hochatmosphäre kaum bremst und man erst "unten" gebremst wird. Dabei wären dann die g-Lasten für Piloten zu hoch (s. ballistischer Eintritt von Sojus-Kapseln und Co. ... nur für den Notfall eine Option). Mit hohem Widerstand kann man in der hohen Atmosphäre bereits gut bremsen und kommt unten "sanfter raus".

Aber, in beiden Fällen bremst man in der Atmosphäre. Das erzeugt Wärme. Und gerade gleitende Eintritte belasten die Struktur in Sachen Wärme viel mehr als ein kurzer Eintritt. Das Raumschiff ist dann viel länger von einem Plasma umgeben und bekommt viel Wärme in die Hülle/Struktur übertragen, v.a. durch Strahlung, teilweise durch Reibung.
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Offline Schillrich

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Re: "softer" Wiedereintritt durch hoher Gleitzahl
« Antwort #2 am: 02. April 2019, 19:55:37 »
Wobei ich das Gesagte auch relativieren muss. Es gab auch mal die japanische Idee mit einen Origami-Segler aus der ISS auszusetzen und zu Erde "sinken" zu lassen. Ich weißt aber nicht, was daraus geworden ist ...

Wobei es dabei nicht um einen echten, aerodynamischen Gleiter ginge. Die Dynamik der Idee entspräche wohl eher "einem Papierblatt", das unkontrolliert ist und so einen schlechten ballistischen Koeffizienten hat, dass die oberste Restatmosphäre bereits gut bremst, quasi "atomar".
« Letzte Änderung: 02. April 2019, 21:01:29 von Schillrich »
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Offline Gertrud

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Re: "softer" Wiedereintritt durch hoher Gleitzahl
« Antwort #3 am: 02. April 2019, 21:35:21 »
Hallo Schillrich,

aus dem Projekt von Takuo Toda, die Papierflieger von der ISS zur Erde fliegen zu lassen, ist anscheinend leider nichts geworden.

Zitat
The Japanese origami artist Takuo Toda raised the idea several years ago of launching paper planes from the International Space Station, which orbits earth at about 400 kilometres. Naturally this would be considerably more complicated than the present project, and therefore has not moved past the inspiration stage
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Quelle:
https://www.thelocal.de/20110127/32705

Beste Grüße
Gertrud
die Erklärung zu meinem Avatar:
http://de.wikipedia.org/wiki/NGC_2442
http://antwrp.gsfc.nasa.gov/apod/ap070315.html
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Die Gabe des Staunens lässt uns die Welt aufgeschlossener sehen und ihre Wunder würdigen. (Richard Henry Lee)