Wir basteln einen fiktiven Planeten mit Terminator in Schrittgeschwindigkeit

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Hallo liebe Astrofreunde,

ist schreibe gelegentlich Hard-Science-Fiction-Kurgeschichten. Obwohl ich viel Wert darauf lege, dass die Geschichten so real wie möglich sind und keine naturwissenschaftlichen Gesetze verletzt werden, war ich leider nie der Hellste in Physik und Mathematik. :-[

Daher würde ich mich freuen, wenn ihr mich bei folgendem Gedankenexperiment unterstützt und mit mir einen fiktiven Planeten kreiert.
Vor allem fehlen mir die Formeln (und wahrscheinlich auch das Verständnis für die richtige Anwendung), um einige Werte für den Planeten herzuleiten, die sich wiederum aus folgenden Annahmen ergeben:

Das wichtigste Konzept für die Geschichte ist, dass sich die Tag-Nacht-Grenze bzw. der Terminator in Schrittgeschwindigkeit über den Planeten bewegen sollte. Praktischerweise haben wir diesbezüglich ja einen Planeten vor der eigenen Haustür. Zumindest, wenn ich einer Sci-Fi-Geschichte von Kim Stanley Robinson glauben darf, in der sich eine mobile Stadt auf dem Merkur mit Schrittgeschwindigkeit fortbewegt, um immer kurz vor dem Sonnenaufgang zu bleiben. Ich weiß leider nicht mehr, wie schnell sich die Stadt dafür bewegen musste, ich glaube es waren 3-5 km/h. Die Geschwindigkeit des Terminators unterscheidet sich ja aber auch, je nachdem auf welcher Breite man ist.   
Dass die Tage und die Nächte auf dem Merkur so lang sind und der Terminator so langsam, liegt ja auch an der 2:3-Kopplung beim Umlauf um die Sonne. Das können wir auch so für unseren Exoplaneten übernehmen. Der zeitliche Abstand zwischen zwei Sonnenaufgängen an einem beliebigen Punkt auf dem Merkur liegt laut Wikipedia bei 175,938 Tagen. Machen wir es uns also möglichst einfach, nehmen den Merkur und packen ihn in unser Exo-System.
Um nicht unser Sonnensystem zu kopieren, können wir noch ein wenig variieren (bspw. ein K- statt G-Stern, falls das nicht zu viel ändert?) Auf jeden Fall sollte unser Exo-Planet größer als Merkur sein. Lasst uns von 12.000 km Durchmesser ausgehen, ähnlich der Venus. Eine leichte (0,5 bar?) Atmosphäre (wenn möglich bestehend aus Stickstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff) darf er auch haben, was sicher eine Rolle bei der Breite der Dämmerungszone spielt. In dieser soll indes eine recht verträgliche Temperatur zwischen 0-20°C herrschen, während es auf der Tag- und der Nachtseite dementsprechend extreme Temperaturen gibt.

Noch einmal meine Vorgaben zusammengefasst:
1. Der Terminator soll sich ungefähr mit einer Geschwindigkeit von 3 bis höchstens 20 km/h über den Exoplaneten bewegen.
2. Der Exoplanet bewegt sich in einer 2:3 Resonanz um seinen Stern. Die Dauer von einem Sonnenaufgang zum nächsten beträgt ca. 180 Tage.
3. Der Exoplanet hat einen Durchmesser von 12.000 km und besitzt eine leichte Atmosphäre.
4. Um den Terminator herrschen angenehme Temperaturen (ca. 0-20°C).


Dazu folgende Fragen:
1. Ist das einigermaßen plausibel oder spricht schon aus meinen Annahmen etwas komplett gegen ein solches System?
2. Wie berechne ich, auf welchem Breitengrad sich der Terminator wie schnell bewegt?
3. Lässt sich aus den Annahmen grob schätzen, wie breit die Dämmerungszone ist?
4. Wie viel (Erd-)Tage braucht der Exoplanet, um seine Sonne zu umrunden? Wenn ich von einer ähnlichen Tagesdauer wie auf Merkur ausgehe, braucht er dann auch ca. 88 Tage für Umrundung?

Bzw. kann mir bitte jemand möglichst einfach den Zusammenhang anhand der Merkurdaten erklären? Also wie eine siderische Umlaufzeit von 87,969 Tagen, eine synodische Umlaufzeit von 115,88 Tagen, die Rotationsperiode von 58,3 Tagen und eine 2:3-Resonanz des Sonnenumlaufs eine Tageslänge von 175,938 ergeben? Ich komm leider nicht drauf. :-[

Vielen Dank, dass ihr euch die Mühe gemacht habt, mein Gedankenexperiment zu lesen. Und vielen Dank im Voraus, dass ihr mir bei der Ausarbeitung meines Exoplaneten helft!  :)

LG
Martin
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Offline Hugo

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Hinweis zu 2+4: Das passt nicht zusammen. Entweder ein Planet dreht sich relativ schnell, wie die Erde, oder er ist auf der einen Seite in der Sonne sehr heiß und auf der anderen Seite im Schatten sehr kalt. Auch könnte so etwas starke Winde produzieren.

>> 2. Wie berechne ich, auf welchem Breitengrad sich der Terminator wie schnell bewegt?
Formeln für Kugeln und Kugelsegmente gibt es auf Wikipedia. Das ist auch genau Deine Formel dabei.
https://de.wikipedia.org/wiki/Formelsammlung_Geometrie#Geometrie_der_K%C3%B6rper


>> 3. Lässt sich aus den Annahmen grob schätzen, wie breit die Dämmerungszone ist?
Das ist eine Definitionssache. Es gibt auf der Erde verschiedene Dämmerungen, die bürgerlichen Dämmerung, die nautische Dämmerung und die astronomische Dämmerung. Die Sonne steht dann bei -6°, -12° und -18° unter dem Horizont. Im norden Deutschlands gibt es im Sommer z.B. gar keine astronomische Dämmerung. Da bleibt es nachts schon bei der nautischen Dämmerung. Da Dein Planet aber ähnlich groß sei soll wie die Erde, könntest Du hier entsprechend der Erde verfahren. Die breite der Dämmerungszonen ist ja unabhängig von der Umdrehungsgeschwindigkeit des Planetens.


>> 4. Wie viel (Erd-)Tage braucht der Exoplanet, um seine Sonne zu umrunden?
Das ist abhängig von seiner Entfernung zur Sonne. Je weiter ein Planet von der Sonne entfernt ist, desto länger braucht er um sie einmal zu umrunden.

>> Also wie eine siderische Umlaufzeit von 87,969 Tagen, eine synodische Umlaufzeit von 115,88 Tagen
siderisch = 1 mal um die Sonne herum, also von außen Betrachtet. Also 360 Grad.
synodisch = 1 mal um die Sonne herum, aber von der Erde aus betrachtet. Da die Erde sich in der Zeit aber auch weiter dreht, muss man länger warten.


Beachte: Die Umlaufzeit um die Sonne ist etwas anderes als die Eigenumdrehung. Während die Erde sich 366 mal um sich selbst dreht, ist sie einmal um die Sonne herum. Somit gab es bei 366 Umdrehungen der Erde 365 Tage. Ein Tag Dauert 24 Stunden, aber eine Umdrehung der Erde um sich selber nur 23 Stunden und 57 Minuten.

Der Mond dreht sich z.B. in rund 4 Wochen einmal um die Erde und in der gleichen Zeit auch einmal um sich selbst. Somit schaut immer die gleiche Seite vom Mond zur Erde.

McPhönix

  • Gast
Meinst Du Kohlenstoff und Wasserstoff als Verbindung ?

Kohlenstoff (einzeln) geht nicht als Atmosphären bestandteil. Nur in Verbindung zumindest als CO2.

Wasserstoff als Atmosphärenbestandteil erfordert Erklärung in der Story :
a) Ist es kleiner Restbestandteil von irgendeinem Event / Geschehnis der Handlung ? Oder
b) wird er ständig ergänzt von innen / von außen / durch einen Prozeß der Handlung ?
Einfach so als Bestandteil in höheren Prozentzahlen wäre evtl bei ganz jungen Planeten denkbar. Da müßten die Bewohner aber recht Hitzefest sein. Gab es allerdings in der SF auch schon. U.a. bei Startrek in einer der ausgesonderten Folgen.
In allen anderen Fällen würde Wasserstoff recht schnell wegdiffundieren ins All.

Vielen Dank für eure Antworten!

Für Frage 2 schäme ich mich inzwischen, da es ja so einleuchtend ist. Wenn man von einer Terminatorgeschwindigkeit von 10 km/h am Äquator und einem Äquatordurchmesser von 12.000 km ausgeht, dreht sich der Planet in 100 Tagen einmal um seine Achse. Dementsprechend ist der Terminator bei einem 45°-Breitengrad 5 km/h schnell und an den Polen 0 km/h. Also wenn wir der Einfachheit halber von einer Achsenneigung von 0° ausgehen.

Nochmal zu Frage 4:
Wenn der Exoplanet sich in 100 Tagen einmal um seine Achse dreht und wie Merkur in 2:3-Resonanz zu seiner Sonne steht, braucht er 66,6 Tage für den Umlauf. Aber wie lange dauert es nun an einem festen Punkt des Planeten von einem Sonnenaufgang zum nächsten?
Anscheinend ja nicht 100 Tage. Denn Wikipedia sagt zu Merkur: "Seine siderische Rotationsperiode beträgt zwar 58,646 Tage, aber aufgrund der 2:3-Kopplung an die schnelle Umlaufbewegung mit demselben Drehsinn entspricht der Merkurtag – der zeitliche Abstand zwischen zwei Sonnenaufgängen an einem beliebigen Punkt – auf dem Planeten mit 175,938 Tagen auch genau dem Zeitraum von zwei Sonnenumläufen."
Sorry, ich werde da nicht schlau draus. Was heißt das "übersetzt" für unseren Exoplaneten?

Danke auch für die Erklärung zu der Dämmerung. Da muss ich mich noch ein wenig belesen. Die Atmosphäre spielt doch aber wegen der Lichtstreuung sicher auch eine Rolle?
Über die Atmosphärenzusammensetzung und -erhaltung habe ich mir indes auch noch nicht groß den Kopf zerbrochen. Stimmt, ich meinte tatsächlich Kohlenstoffdioxid. Und gern ein wenig Sauerstoff, da ich mir dort auch gut Photosynthese betreibende Lebewesen vorstellen könnte.
Und damit komme ich zum Hauptanliegen, das ich eigentlich auch schon im ersten Post hätte formulieren sollen  ::)
Der Exoplanet soll über eine habitable Zone verfügen, die mit dem Terminator um den Planeten wandert.


Es würde mich freuen, wenn ihr schreibt, welche (außer der bisher genannten) Voraussetzungen dafür eurer Meinung nach existieren müssten.

Da es nur um eine Kurzgeschichte geht, ist es sicherlich auch übertrieben, zu sehr ins Detail zu gehen. Andererseits ist es gut für die Plausibilität und interessant sind solche Gedankenspiele ja allemal  :)
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Offline Hugo

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Nochmal zu Frage 4:
Wenn der Exoplanet sich in 100 Tagen einmal um seine Achse dreht und wie Merkur in 2:3-Resonanz zu seiner Sonne steht, braucht er 66,6 Tage für den Umlauf. Aber wie lange dauert es nun an einem festen Punkt des Planeten von einem Sonnenaufgang zum nächsten?

Ich stelle mir das wie folgt vor: Während der Planet sich 3 mal um die Sonne dreht, hat er sich selber 2 mal gedreht. Das wäre dann die Definition von 1 Tag, weil man genau 1x Sonnenuntergang hatte und genau 1x Sonnenaufgang hatte und die Sonne wieder genau an der gleichen Stelle steht. Bzw. es wären 200 Erden-Tage.

- Bei 3 mal um die Sonne drehen gäbe es 3 Sonnenaufgänge, wenn der Planet sich nicht drehen würde.
- Bei 2 mal um sich selber drehen gäbe es 2 Sonnenaufgänge, wenn der Plant sich nicht um die Sonne drehen würde.
- Ist die Drehrichtung gleich ergibt das 1 Sonnenaufgang in der Subtraktion.

Vielen Dank für die Erklärung Hugo, das klingt logisch. Das lässt sich zwar trotzdem nicht mit den Merkurdaten in Einklang bringen, aber da spielt auch eine Rolle, dass er sich im Perihel um einiges schneller als im Aphel bewegt, wenn ich das richtig verstehe.

Für den fiktiven Planeten können wir aber von einer annähernd kreisrunden Bahn ausgehen. Dafür habe ich auch eine (hoffentlich) logische Erklärung, die auch sonst einiges an dem Szenario vereinfachen würde: Hinter dem Exoplaneten kreist ein großer Gasplanet.
Folgen:
1. Er hat die Bahn des Exoplaneten stabilisiert, die dadurch fast kreisrund ist.
2. Er hat den Exoplaneten in die 2:3-Resonanz mit seiner Sonne "gedrängt".
3. Er hat die Achse des Exoplaneten stabilisiert, sodass sie bei annährend 0° ist.
4. Er sorgt (neben dessen Sonne) für starke Gezeitenkräfte auf dem Exoplaneten.

Letzteres hat wiederum den Vorteil, dass der Exoplanet über Plattentektonik, oder zumindest starken Vulkanismus verfügt. Dadurch werden ordentlich CO2 und andere Gase in die Atmosphäre befördert, die deshalb ziemlich dicht ist. Eine dichte Atmosphäre hat wiederum den Vorteil, dass die Temperaturunterschiede zwischen Tag- und Nachtseite zwar schon stark, aber nicht ganz so extrem wie bspw. dem Merkur sind.
Zudem hoffe ich, dass eine solche Atmosphäre auch einen Wasserkreislauf ermöglichen kann. Flüssig ist das Wasser allein um den Terminator herum. Während des Tages verdunstet es und bildet Wolken, die dann wieder abregnen bzw. -schneien, sobald es Nacht wird. Wenn die Sonne wieder aufgeht, taut der Schnee/das Eis wieder auf und es geht von vorne los.

Ich freue mich wie immer über eure Einschätzung, ob und wie realistisch das alles ist.
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Offline ASTP

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Hier einmal meine bescheidene Einschätzung zu diesem Planeten  :)

Ein Planet mit einer derart langen Rotationsdauer würde die Temperaturschwankungen zwischen Tag- und Nachtseite vermutlich durch eine Superrotation der Atmosphäre ein Stück weit ausgleichen, analog zur Venus. Der Wind käme also immer aus derselben Richtung und mit ihm auch sämtliche Niederschläge wie Regen, Schnee, Hagel. Über die Jahrmillionen würde das sämtliche Landmassen des Planeten entscheidend umformen. Berge und Täler würden in West-Ost-Richtung ausgeschnitten sein. Titan könnte hierbei noch ein gutes Beispiel abgeben. Periodisch auftauchende Seen und Abflusssysteme zum Beispiel, in den Ebenen würde der Wind gewaltige Sanddünen aufwerfen.

Was die Stabilität eines schützenden Magnetfeldes angeht: Man muss davon ausgehen, dass es zumindest schwächer als das der Erde wäre. Der Dynamo, angetrieben durch die Rotation des Planeten, wäre nicht so effektiv. (Für die Venus vermutet man, dass ihr fehlendes Magnetfeld aus ihrer langsamen Rotation resultiert, Merkur wiederum hat ein Magnetfeld mit 1% der Stärke des unsrigen, allerdings ist der Planet auch bedeutend kleiner).

Ein großer Gasplanet hat meist eher einen störenden Einfluss auf die Bahn des Planeten. Es sei denn, die beiden stehen in Resonanz zueinander. Zum Beispiel ein Umlaufverhältnis von 2:3 oder 1:2. Das würde funktionieren. Bei einem nicht allzu kleinen Stern wären aber die Abstände zwischen den Planeten so groß, dass spürbare Gezeitenkräfte wohl eine untergeordnete Rolle spielen würden. Nicht so aber auf die Rotationsachse. Die Achsen von Erde und Mars schwanken ja durch den Einfluss der anderen Planeten und diese sind deutlich weiter entfernt als jener Gasriese in deiner Annahme. Die Achse des Mars wird (vor allem durch Jupiter) innerhalb von hunderttausenden von Jahren hin und her geworfen. Ein Mond bietet sich zur Stabilisierung wohl eher an als ein Himmeskörper, der beim Überholen immer von der gleichen Seite "zieht". Wie das bei all den dichtgepackten Exoplanetensystemen funktioniert, wissen wir ja leider noch nicht.

So mal meine Einschätzung, das Gedankenexperiment finde ich wirklich interessant.  :)

Vielen Dank für deine Einschätzung und interessanten Ausführungen, ASTP.
Über die Auswirkungen auf die Geografie des Planeten habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht, aber der Hinweis mit der Ost-West-Richtung von Gebirgen und Tälern ist sehr einleuchtend und lässt sich gut in die Geschichte einbauen  :)
Ebenso sind deine Hinweise zum Magnetfeld und dem Einfluss des Gasriesens sehr hilfreich.

Meine wichtigsten Fragen sind damit geklärt. Die Diskussion möchte ich aber nicht abwürgen. Wenn euch noch was zu unserem Exoplaneten einfällt, freue ich mich über weitere Kommentare.
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