Unbemannte Forschungsstationen

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Offline Ruhri

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Unbemannte Forschungsstationen
« am: 22. September 2009, 14:15:31 »
Gegner der bemannten Raumfahrt kritisieren schon einmal ganz gerne, dass der Aufwand für Lebenserhaltung viel zu hoch ist und die Kosten völlig unnötig in die Höhe treibt. So seien viele Experimente auf der ISS medizinischer Natur und würden lediglich erforschen, wie der Mensch im All überleben kann, mithin also völlig unnötig bei Aufgabe der bemannten Raumfahrt. Die Industrie hätte sich laut Planung begeistert auf die Forschungsmöglichkeiten an Bord der ISS stürzen sollen, aber der Ansturm sei ausgeblieben. Die meisten Experimente an Bord der ISS liefen ohnehin völlig automatisiert ab und benötigten keine menschliche Betreuung.

Bevor ihr euch nun darauf stürzt, direkt meine Einwände, dass die Biologen und Mediziner Grundlagenforschung betreiben und auch auf bessere Behandlungsmöglichkeiten auf der Erde hoffen. Die Forschungsmöglichkeiten auf der ISS, so konnte man zumindest vor kurzem aus einem Forumsbeitrag herauslesen, boomen gerade, nachdem die Forschungsmodule alle im Orbit und ausgestattet sind. Zu den Experimenten bliebe zu sagen, dass die Wissenschaft sich eben mit dem behelfen mussten, was möglich war, und das waren nun einmal hauptsächlich automatisierte Experimente.

Ich möchte aber vielmehr auf den Vorschlag der Kritiker hinaus, Forschung im All ausschließlich an Bord unbemannter Stationen bzw. Satelliten durchzuführen. Hat es solche Versuche schon in größerem Maße gegeben, also etwa Experimente mit Zellkulturen oder Schmelzen? Falls nein, was sind die Gründe dafür? Wie könnten diese aussehen? Die Industrie baut tonnenschwere Nachrichtensatelliten. Von einer ähnlichen Größe könnten auch Forschungssatelliten sein. Würden derartige Satelliten im LEO, MEO, SSO, GTO oder GEO stationiert werden? Gäbe es eine Rückführmöglichkeit?

Meine Vermutung geht aber eher dahin, dass die Ergebnisse völlig unbefriedigend wären. Automatisierte Experimente hin oder her, aber für einen unbemannten Satelliten, der z.B. Schmelzexperimente durchführt, müsste der Automatisierungsgrad vermutlich noch einmal erheblich gesteigert werden im Vergleich zu denen an Bord der ISS. Allerdings kann man sich auch die Frage stellen, was sinnvoll möglich ist. Ein Freifluglabor war für die ISS durchaus geplant worden. Was könnte ein solches leisten, wie könnte aussehen? Beispiel: Ein entsprechend ausgerüstetes ATV startet und fliegt nach fünf Monaten des Experimentierens zur ISS, wo wichtige Ergebnisse in eine Rückführoption gepackt werden.

Atomino

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Re: Unbemannte Forschungsstationen
« Antwort #1 am: 22. September 2009, 14:44:11 »
Hallo,

mir fallen da auf Anhieb die russischen FOTON-Kapseln ein.

http://de.wikipedia.org/wiki/Foton

Meintest Du sowas?

GG

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Re: Unbemannte Forschungsstationen
« Antwort #2 am: 22. September 2009, 15:30:50 »
Die Flexibilität der Forschungseinrichtungen, die über Jahre hinweg mit verschiedensten Proben arbeiten können, ohne jedesmal neu in den Orbit gebracht werden zu müssen, ist ein Vorteil bemannter Raumstationen.

Re: Unbemannte Forschungsstationen
« Antwort #3 am: 22. September 2009, 15:33:17 »
Errinnert mich auch an die "Long Duration Exposure Facility" (LDEF), ein unbemannter Satellit der von '84 - '90 im Orbit war. Er wurde per Shuttle raufgebraucht und sollte eigentlich '85 geborgen werden, ist dann weiter verschoben worden, der "Rückholtermin" war letzendlich auf '86 angesetzt, aber wurde dann durch die Flugpause nach der Challengerkatastrophe nochmal verschoben, bis er dann letztendlich '90 stattfand.

Nunja, ohne das Shuttle wird man so große unbemannte Projekte wohl kaum durchführen können.

Kleine Experimente mit Rückkehrkapseln, klar. Aber ob man ohne eine bemannte Raumstation bzw. ohne größeres Rückführfahrtzeug Forschung im Orbit weiterhin in "so großem Stil" betreiben kann?
42/13,37 ≈ Pi

Offline Ruhri

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Re: Unbemannte Forschungsstationen
« Antwort #4 am: 22. September 2009, 15:48:36 »
Danke, genau solche Satelliten meinte ich. Ich stimme aber zu, dass dadurch offensichtlich nicht die Möglichkeiten geschaffen werden, wie sie die ISS bietet. Die Foton sind insgesamt eher kurz im All, und der LDEF kann nicht aus eigener Kraft Proben zur Erde senden und ist kein zweites Mal eingesetzt worden.

Vor allem der Vorteil, kleine Probleme zu beheben oder auch nur "nachzuladen", entfällt bei unbemannten Satelliten. Mir ist da so ein Vergleich durch den Kopf gegangen. Nehmen wir an, bei einem Experiment ginge es darum, in gewissen Abständen eine Pistole abzufeuern. Man nimmt also ein Standardmodell und bastelt eine Vorrichtung dazu, die den Abzug betätigt. Irgendwann ist sie leergeschossen, also braucht man einen automatischen Magazinwechsel. Ein Mensch würde einfach hingehen, die Apparatur ausschalten, ein neues Magazin einführen und das Experiment wieder starten. Ähnliches Vorgehen bei einer Ladehemmung. Ich hoffe, die Analogie passt. So wie ich mir das vorstelle, läuft z.B. ein automatisiertes Materialforschungsexperiment so ab, dass verschiedene Substanzen zusammen gebracht, gelöst, geschmolzen oder gefroren werden, und irgendwann ist das Material zu Ende, obwohl technisch eigentlich noch alles in Ordnung ist. Ein Astronaut geht dann hin und füllt einen Satz weiterer Materialien ein, drückt "START" und tut dann wieder etwas anderes.

In einem wissenschaftlichen Blog habe ich übrigens vor einiger Zeit gelesen, dass die Wissenschaftler geradezu sehnsüchtig auf die vollständige Aufnahme des Forschungsbetriebs gewartet haben. Einer hat etwa ein Plasma-Experiment, bei dem nach Inaugenscheinnahme ein Regler betätigt werden muss. Er kann einem Menschen genau beschreiben, wann das zu erfolgen hat, hat aber nicht die geringste Ahnung, wie das zu automatisieren wäre.

Fazit: Die Kritiker irren! Automatisierte Experimente benötigen mehr oder weniger Betreuung durch einen Menschen. Sind wir uns soweit einig?

GG

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Re: Unbemannte Forschungsstationen
« Antwort #5 am: 22. September 2009, 15:58:12 »
Es gab noch die SPAS-Satelliten. Diese wurden im Verlaufe von Jahren mehrfach für etwa eine Woche aus dem Shuttle ausgesetzt. Da waren auch manchmal Materialexperimente an Bord.

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Offline Schillrich

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Re: Unbemannte Forschungsstationen
« Antwort #6 am: 22. September 2009, 16:31:45 »
Die Kritik an der bemannten Raumfahrt richtet sich nicht gegen den Betrieb eines Labors zur Grundlagenforschung im Orbit, sondern gegen den Menschen als "Erkunder" an fremden Orten, sei es der Mond oder der Mars.
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

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runner02

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Re: Unbemannte Forschungsstationen
« Antwort #7 am: 22. September 2009, 18:44:49 »
Zitat
Die Kritik an der bemannten Raumfahrt richtet sich nicht gegen den Betrieb eines Labors zur Grundlagenforschung im Orbit, sondern gegen den Menschen als "Erkunder" an fremden Orten, sei es der Mond oder der Mars.

Dann könnte man auch gegen Menschen in der Antarktis oder in Afrika oder Australien oder Ausländer argumentieren. Alle sind zugewandert, haben neues erkundet. Das wäre ziemlich kurzsichtig.

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Offline Schillrich

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Re: Unbemannte Forschungsstationen
« Antwort #8 am: 22. September 2009, 19:26:45 »
Hallo runner,

verwechsel nicht Kritik mit dem Fehlen von Wunsch und Wollen einer menschlichen Exploration, also einer Vision des Menschen im Sonnensystem. Ich will menschliche Exploration, aber quasi um ihrer selbst Willen, als Luxus einer hoch entwickelten Gesellschaft und als weitere Vision für eine leistungsfähige Kultur. Was ich aber nicht sehe: dass der Mensch bei Anlegen eines strengen, oder auch nur rationalen, Maßstabs auf Mond und Mars der bessere Erkunder wäre. Sonden werde immer besser, der Mensch stagniert bei der Leistung.
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

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Offline Ruhri

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Re: Unbemannte Forschungsstationen
« Antwort #9 am: 22. September 2009, 19:40:54 »
Die Kritik an der bemannten Raumfahrt richtet sich nicht gegen den Betrieb eines Labors zur Grundlagenforschung im Orbit, sondern gegen den Menschen als "Erkunder" an fremden Orten, sei es der Mond oder der Mars.

Doch, mindestens einer tut es. Ich denke, du kennst diesen Kritiker auch.

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Offline tomtom

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Re: Unbemannte Forschungsstationen
« Antwort #10 am: 23. September 2009, 00:31:34 »
Die Kritik an der bemannten Raumfahrt richtet sich nicht gegen den Betrieb eines Labors zur Grundlagenforschung im Orbit, sondern gegen den Menschen als "Erkunder" an fremden Orten, sei es der Mond oder der Mars.
Dieser Sichtweise könnte ich mich anschließen.
Es ist aber schwer, sozusagen den prinzipiellen Unterschied zwischen LEO und Mond zu sehen. Ich sehe jedenfalls keinen Unterschied zwischen dem Erkunder des Mond und dem Erkunder eines Labors im LEO.
Die Leistungsfähigkeit automatischer Systeme voranzubringen, ist sicher sehr interessant.
Im Zweifel hilft die Such-Funktion:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?action=search

Offline Ruhri

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Re: Unbemannte Forschungsstationen
« Antwort #11 am: 23. September 2009, 08:58:02 »
Wie gesagt, so mancher Kritiker tut das auch nicht, und da kommt dann das Totschlagargument, dass der Mensch im Weltraum alles unnötig schwerer, komplizierter und teurer macht und dass unbemannte Systeme viel effizienter wären.

Im Fall von Planetensonden stimme ich sogar zu, da die Technik einfach noch nicht so weit ist, Menschen auch nur annähernd aus dem Erdorbit wegzubringen. Die Mondmissionen haben aber andererseits recht gut gezeigt, worin der Vorteil eines Menschen liegt. Eine Sonde bohrt stumpfsinnig in den Boden, und wenn der Bohrer abbricht, ist sie aufgeschmissen und die Mission gescheitert. Der Mensch läuft herum, schwingt seinen Geologenhammer, bemerkt aber auch ungewöhnliche Felsformationen und bleibt dabei immer flexibel.

Eine Steigerung der Leistungsfähigkeit automatischer Systeme wird sicherlich kommen, aber das wird noch lange dauern, bis der Leistungsunterschied zu halbautomatischen Systemen unter menschlicher Kontrolle so klein geworden sein wird, dass es effizienter ist, auf den Menschen zu verzichten.

Im konkreten Fall eines Raumlabor heißt das, dass die teure menschliche Arbeitskraft der Raumfahrer sinnvoller eingesetzt werden kann, indem sie hauptsächlich überwachend und steuernd eingreifen und den ständig sich wiederholenden Ablauf eines Experiments der Automatik überlassen. Die Arbeit, auch die wissenschaftliche, geht den Jungs und Mädels da oben nie aus.

Martin

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Re: Unbemannte Forschungsstationen
« Antwort #12 am: 28. September 2009, 08:48:58 »
Die Kritik an der bemannten Raumfahrt richtet sich nicht gegen den Betrieb eines Labors zur Grundlagenforschung im Orbit, sondern gegen den Menschen als "Erkunder" an fremden Orten, sei es der Mond oder der Mars.

Sehe ich genau andersherum. Es gibt fuer mich keinen vernuenftigen Grund fuer bemannte Forschung im LEO. Gemessen am Ergebnis ist der Aufwand irreal hoch (und ich meine hier Grundlagenforschung!).

Ich denke bei der ganzen Sache spielt vor allem Psychologie mit rein, da man nicht gern sieht das es heute Bereiche gibt wo Technik effektiver ist als Menschen. Entwickeln und konstruieren von Experimenten sollte der Schwerpunkt in Zukunft sein, eben wo Kreativitaet des menschlichen Geistes gefragt ist, und nicht ein paar HIWIs in den LEO schicken.

Foton ist sicherlich keine ideale Loesung, aber mit einem Bruchteil des ISS/Shuttle Budget koennte man sicherlich ein automatisiertes System entwickeln mit weit hoeherer Leistungsfaehigkeit. Etwa ein zentrales Modul zur Energieversorgung, Steuerung usw. als Basiselement was staendig im Orbit ist, an dem Kapseln mit Experimenten andocken, die noetige Zeit im Orbit bleiben und danach den Wiedereintritt antreten. 

Martin

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Offline James

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Re: Unbemannte Forschungsstationen
« Antwort #13 am: 28. September 2009, 17:13:26 »
Hallo

Und das sehe "ich" wieder anders. Es wird immer Aufgaben geben die sich gut automatisieren lassen, und solche bei denen dies schwer vorstellbar ist. Es verschieben sich mit steigender Automatisierungfähigkeit nur die Grenzen - der Bereich wo diese verschoben werden kann ist aber nach oben offen. Das gilt für Automatisierung auf der Erde und damit auch im Orbit.
Außer man zweifelt die Grundlagenforschung im Orbit als Solche an. Das ist aber eine endlose Debatte. Und außerdem meiner Meinung nach eine Kontraproduktive.
Ob der Aufwand für etwas irreal hoch ist, liegt im persönlichem Ermessen.

m.f.G., James