Hochenergetische Teilchen aus dem All

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McFire

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Hochenergetische Teilchen aus dem All
« am: 20. März 2013, 23:35:14 »
Kann man das irgendwo nachlesen oder gibt es hier Experten für die Frage: Was passiert eigentlich genau, wenn ein solches Teilchen auf eine komplexe Apparatur trifft ? Also ein Raumfahrzeug im weitesten Sinne, mit einer Menge Elektronik.
a) zuerst müßte man ja definieren, was ist hochenergetisch. Gilt das nur als  "schnell" in Kombination mit "großer Masse" ?
b) Wird das Teilchen beim Erstkontakt mit einem Atom der Apparatur sofort umgewandelt (in evtl. nicht weniger zerstörerische Teilchen) oder pfeffert so ein Teilchen durch wie ein Minimeteor und zerstört dann (mehrere) Molekülverbände nur durch freiwerdende Bremsenergie? Ruft also z.B. Fehlfunktionen in RAMs hervor.
Ich kam auf die Frage durch nachstöbern im Phobos/Grunt Thread mit seinen interessanten Beiträgen. Dort las ich zweimal so eine Stelle, daß die Bauteile des Zweitrechners direkt neben denen des Hauptrechners lagen. Ich würde das als Techniker schon aus Sicherheitsgründen nie machen (mechanische, thermische, sonstige Einwirkungen im Störfall) Aber wenn ich mir vorstelle, daß da ein heftiger Teilchenschauer ausgelöst wird....
Wie es halt so ist - man weiß Einiges, aber immer zuwenig...

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Offline cullyn

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Re: Hochenergetische Teilchen aus dem All
« Antwort #1 am: 21. März 2013, 13:29:19 »
Ich breche mal die "komplexe Apparatur" herunter auf ein Bauteil.

Wenn du ein elektronisches Bauteil betrachtest, werden viele hochenergetische Teilchen einfach durchfliegen und gut.
Kritisch wird es, wenn das Teilchen Energie an ein elektronisches Bauteil abgibt. Die übliche Betrachtung geht davon aus, dass exakt ein Teilchen pro Zeit auf ein Bauteil wirkt und dort im normalfall einen Effekt auslöst (Single Event Effekt, SEE). Schon die Möglichkeit des Single Event Multiple Upset wird oftmals nicht betrachtet wegen zu geringer praktischer relevanz.
Wichtig ist hierbei der Prozess der Energieabgabe, von daher ist die Energie des Teilchens selber nicht so relevant.

Bei den SEE unterscheidet man zerstörende und nicht zerstörende effekte. Single Event Latchup (SEL) z.B. bedeutet Latchup eines Halbleiterbauteils der bei nicht abschalten des Bauteils nach kurzer Zeit zu thermischer Zerstörung führen kann. Halbleiterbauteile für die Raumfahrt sind deshalb üblicherweise nicht anfällig für SEL im Rahmen des Messtechnisch möglichen. Die zerstörenden Effekte sind aber in der Regel nicht durch die mechanische Wirkung sondern durch elektrische Effekte. 

Bei nicht zerstörenden Effekten werden meistens Single Event Transient (SET) und Single Event Upset (SEU) unterschieden.
SET  ist ein kurzzeitiger Glitch in einem  Signal, SEU wird verwendet wenn ein Speicherelement (z.B. Bit im Memory) seinen Wert verändert.
Die Unterscheidung ist eher phänomelogisch da ein Flip-Flop als Speicherelement seinen Wert ändert, wenn auf der internen Rückkopplung ein SET auftritt, der dann "gespeichert" wird.

Neben den Strahlungseffekten durch hochenergetische Teilchen, die kurzzeitig Energie abgeben, gibt es noch die sogenannten TID (Total Ionisation Dose) Effekte.
Stark vereinfacht bedeutet das, dass durch die Strahlung Ionisierungen im Halbleiter auftreten, die durch langfristige Ladungsveränderungen die Parameter der Schaltung beeinflussen. Z.B. ändert sich die Schwellspannung von Transistoren was auch zu veränderter Leistungsaufnahme und dadurch thermischen Folgeeffekten führen kann. Eine typische TID-Folge wäre, das ein EEPROM irgendwann nicht mehr beschrieben werden kann.

Ich habe hier vieles nur oberflächlich angerissen, weil z.B. bei TID auch eine "Heilung" erfolgen kann, oder aber bei Hochleistungstransistoren mehr zerstörende Effekte Auftreten, als bei  normalen digitalen Halbleitern (SEGR, SEB). Bei SET könnte man noch unterscheiden, ob eine digitale Schaltung betroffen ist (z.B. Taktleitung), oder eine analoge Schaltung (z.B. ADC).

Alles in allem sehe ich aber keinerlei Anlass zu der Vermutung, das es einen Unterschied macht, ob die beiden Rechner nebeneinander stehen, oder an verschiedenen Enden eines Raumschiffes. Ein guter Teil der hochenergetischen Teilchen gehen selbst durch Bleikappen zur Schirmung durch wie ein Küchenmesser durch Butter und du wirsst niemals mehrere Meter Blei oder Wasser als Abschirmung im All zur Verfügung haben.

McFire

  • Gast
Re: Hochenergetische Teilchen aus dem All
« Antwort #2 am: 21. März 2013, 21:24:47 »
Danke für die ausführliche Antwort. Ein paar Fragen bleiben (für mich) aber noch.

>>... wenn das Teilchen Energie an ein elektronisches Bauteil abgibt.
Unter welchen Bedingungen, was ist der Auslöser dafür? Von was hängt der Wirkungsquerschnitt ab?

>>... exakt ein Teilchen pro Zeit auf ein Bauteil wirkt...
Welche Zeit (oder Zeiteinheit) bzw. auf was bezogen?

>>... Schon die Möglichkeit des Single Event Multiple Upset wird oftmals
>>... nicht betrachtet wegen zu geringer praktischer relevanz.
Ja eben. Schon in der Kammer passiert ja vielmehr...

>>... Wichtig ist hierbei der Prozess der Energieabgabe, von daher ist die
>>... Energie des Teilchens selber nicht so relevant.
Aber eine "Schwell"energie muß doch wenigstens da sein?

>>... Halbleiterbauteile für die Raumfahrt sind deshalb üblicherweise
>>... nicht anfällig für SEL im Rahmen
Wird ja auch "hier unten" immer mehr zum Verkaufsargument. Die Zeiten von CMOS Latchup sind vorbei.

>>...Die zerstörenden Effekte sind aber in der Regel nicht durch die mechanische Wirkung...
Aber doch wohl kernmechanische? Ich meine 100MEV untere Grenze sind ja nun garnichts im Vergleich zu dem, was im All an GeV angeboten wird.

>>...sondern durch elektrische Effekte.
Unmittelbar oder in Folge? Ich vermute Folge? Überschreitung von worst case u.a.

>>... Die Unterscheidung ist eher phänomelogisch da ein Flip-Flop als Speicherelement
>>... seinen Wert ändert, wenn auf der internen Rückkopplung ein SET auftritt, der
>>... dann "gespeichert" wird.
Klar, schlimm wirds dann halt, wenn dieser jetzt falsche Wert weiter verarbeitet/interpretiert wird.

>>... Alles in allem sehe ich aber keinerlei Anlass zu der Vermutung, das es
>>... einen Unterschied macht, ob die beiden Rechner nebeneinander stehen
Da gibts doch aber diese Kurve Häufigkeit pro Quadratmeter. D.h. hochenergetische Teilchen treffen seltener ein. Können aber Teilchenschauer erzeugen, die immer noch genug Energie haben, um  in einem größeren Bereich Schaden anzurichten. Du schreibst ja, daß die Energie des Teilchens nicht so relevant ist.
Durch Auseinanderlegung von Redundanzkomponenten sollte also doch die Trefferhäufigkeit sinken.

>>... Ein guter Teil der hochenergetischen Teilchen gehen selbst durch
>>... Bleikappen zur Schirmung durch wie ein Küchenmesser durch Butter
Schon klar. Aber der nicht durchgehende Teil erzeugt halt Sekundärstrahlung.

>>... und du wirsst niemals mehrere Meter Blei oder Wasser als Abschirmung
>>... im All zur Verfügung haben.
Auch klar. Vielleicht später mal Gestein, wenn wir einen kleinen Asteroiden "umfunktionieren" ;)

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Offline cullyn

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Re: Hochenergetische Teilchen aus dem All
« Antwort #3 am: 22. März 2013, 16:52:59 »
Nachdem ich kein Physiker bin, kann ich nicht auf alle deine Fragen eingehen.

>>... exakt ein Teilchen pro Zeit auf ein Bauteil wirkt...
Welche Zeit (oder Zeiteinheit) bzw. auf was bezogen?

Mir ist keine fixe Definition bekannt, sondern bezogen auf die Zeit, bis der Event keinen Effekt mehr hat. Z.B. bei 1 ns Transienten kann das nach 1 ns sein, bei getakteter digitaler Logik idR 1 Takt.

>>... Wichtig ist hierbei der Prozess der Energieabgabe, von daher ist die
>>... Energie des Teilchens selber nicht so relevant.
Aber eine "Schwell"energie muß doch wenigstens da sein?

Ja, natürlich. Aber wenn ein Teilchen mit 50MeV einen Transienten verursacht, dann wird der Effekt eines Teilchens mit 500 MeV nicht 10x so stark sein, evtl. hat das Teilchen mit 500 MeV garkeine Wirkung, da es in erster Linie darauf ankommt, wieviel der Energie abgegeben wird.

>>...sondern durch elektrische Effekte.
Unmittelbar oder in Folge? Ich vermute Folge? Überschreitung von worst case u.a.

Aus elektrotechnischer Sicht neige ich evtl dazu Kernmechanik zu unterschlagen und einfache Modelle zu verwenden. Aber mein Verständnis ist, das es z.b. für einen SET zu einer Ladungstrennung am PN übergang kommt, die dann vorrübergehend rein elektrisch wirkt, ohne dass der PN Übergang hinterher einen mechanischen Schaden hat.

McFire

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Re: Hochenergetische Teilchen aus dem All
« Antwort #4 am: 22. März 2013, 17:40:50 »
Naja , etliches hast Du mir beantwortet, ein paar Sachen nicht, freilich aus erklärlichen Gründen.
Da muß ich anderenorts noch ein bissel suchen, auch weil hier nicht der Ort für ein Seminar sein kann  :)
Also auf jeden Fall - Danke !