Japan: Erdbeben 11. März 2011

  • 683 Antworten
  • 119610 Aufrufe

Offline Matjes

  • *****
  • 752
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #450 am: 19. März 2011, 14:29:48 »
Bei Tschernobyl damals gab es auch Versuche die Belastung von Milch, Käse, Fleisch usw zu verschweigen. Was haben wir für einen Kampf durchgeführt, damit die Bevölkerung informiert werden konnte. Besonders die Meßeinrichtungen an den Unis dienten der Öffentlichkeit. Das Volk hat das Recht informiert zu werden. In autoritären Staaten wird dieses Recht immer wieder eingeschränkt. Das ist eben der Unterschied zwischen einer Demokratie und einer Diktatur.

Gruß Matjes

Kami

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #451 am: 19. März 2011, 15:02:29 »
Laut Spiegel Online siehts derzeit so aus

+++Überblick: Zustand der Reaktoren in Fukushima+++ 
  • Reaktor 1: Stromkabel sind verlegt. Wasserpumpen sollen bald angeworfen werden und für Kühlung sorgen. Ob die Geräte noch funktionieren, ist unklar.
  • Reaktor 2: Stromkabel sind verlegt, es ist unklar, ob die Kühlung noch funktioniert. Die innere Reaktorhülle ist beschädigt, Radioaktivität tritt aus.
  • Reaktor 3: Wasserwerfern haben zur Kühlung mehr als 1000 Tonnen Meerwasser auf den Reaktor gespritzt. Mit Erfolg, sagt die Regierung. Die Brennelemente des Reaktors enthalten hochgefährliches Plutonium. Das Kühlsystem ist ausgefallen, die innere Reaktorhülle soll noch intakt sein.
  • Reaktor 4: Wasserwerfer sollen den Reaktor kühlen. Durch Explosionen klaffen Löcher in der Außenwand des Gebäudes, das Dach ist zerstört. Radioaktivität tritt aus einem Abklingbecken aus.
  • Reaktoren 5 und 6: In die Dächer beider Reaktoren-Gebäude wurden Löcher gebohrt. Dadurch soll Wasserstoff entweichen, um Explosionen vorzubeugen.  Brennelementebecken werden mit Notstrom aus Dieselgeneratoren gekühlt.


Ergänzung: Eine sehr interessante Anti-Panik-pdf welche sie jetzt in Japan veröffentlicht haben bzgl. normaler Strahlung und was man so im normalen Leben aufnimmt usw.

http://www.mext.go.jp/english/topics/__icsFiles/afieldfile/2011/03/18/1303717_01_1.pdf
« Letzte Änderung: 19. März 2011, 16:03:57 von Kami »

xwing2002

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #452 am: 19. März 2011, 16:08:48 »
Leider sagen sie nichts zu den Abklingbecken. Block 4 ist da höchstens geringfügig bewässert, bzw. besprüht, über den Zustand von Block 1-3 ist mir derzeit nichts bekannt.

Zusätzlich: in Block 1 ist entweder die Kühlwasseranzeige defekt oder es ist keines da und das auch schon länger. US-Experten veranschlagen bei diesem Reaktortyp 17 Stunden bis zur Kernschmelze nach vollständigem Kühlwasserverlust. Nun bekommt diese Rechnung Variabeln... mal war etwas Wasser da, dann wieder nicht, dann Borwasser, dann Meerwasser allein (Hubschrauber), Kühlung mal intensiver, mal wieder wenig... aber irgendwann ist da eine Grenze, dann beginnen einfach physikalische Konsequenzen. Und das betrifft alle vier kritischen Blöcke.

EDIT: Ja, die PDF ist heiß!

HAL2.0

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #453 am: 19. März 2011, 23:14:44 »
Wahrlich, die Tennisspielerin, die sich neckisch durch die Haare streicht, auf jeden Fall.  ;D

Aber mal zurück zum Ernst der Lage: es ist so still geworden hier. Hat niemand Neuigkeiten? Die Nachrichten im TV deprimieren nur noch durch ihr Wiedergekäue tagealter Beiträge. Dort fühle ich mich nicht aktuell informiert.
Für das Abklingbecken in Block 4 befindet man sich doch gerade an einem entscheidenden Punkt, oder?

Lance

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #454 am: 19. März 2011, 23:34:39 »
Ich denke, es gibt keine entscheidenden Neuigkeiten. Das liegt sicherlich auch an der Lage in Lybien, die zunehmend die Nachrichten mitbestimmt.

Was ich hier noch nicht gelesen habe, ist die Meldung, dass die Werte der Verstrahlung im Trinkwasser um Fukushima bedenklich geworden sind und dass 6 Fukushima-Arbeiter einer Strahlung von mehr als 250 mSv ausgesetzt waren.

EDIT: Am Sonntag soll die Stromversorgung für Raktor 2 wieder aufgenommen werden. Es zögert sich hinaus, weil man eine Explosion durch Funkenflug befürchtet. Dieses Risiko will man zunächst ausschliessen, bevor die Stromversorgung an den Start geht.

xwing2002

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #455 am: 19. März 2011, 23:38:49 »
Eigentlich befindet man sich überall an einem entscheidenden Punkt. Ich habe heute mehrfach Physiker von "Countdown" sprechen hören. Selbigen schätze ich ja sehr... nur anders.
Das bedenkend ist es erschreckend dünn Nachrichten aus der Anlage betreffend.
Die letzte Meldung lautet: "[22.49Uhr] Japanische Feuerwehrleute haben nach Angaben der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo nach rund 13 Stunden ihren Einsatz im Krisen-Atomkraftwerk Fukushima Eins beendet. Zuvor hatten sie mit Spezialfahrzeugen Tonnen von Meerwasser auf Reaktor 3 und 4 gesprüht. Inzwischen soll die Temperatur im Kühlbecken von Block 6 gesunken sein." (Spiegel Online)

Keine Meldung über den Grund des Abbruchs oder den Effekt der Aktion, nichts vom Stromkabel. Da sollten andere Meldungen stehen... aber es ist still.

EDIT: @Jbnk03... wie kann man sowas denn ausschließen? Im Grunde hat man doch keinen Zugang zur Anlage, oder? Wie will ich denn einen ganzen Reaktorblock auf Funkenrisiko überprüfen, nachdem IN ihm eine Explosion stattgefunden hat?

Lance

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #456 am: 20. März 2011, 00:00:57 »
@xwing2002:

Das frage ich mich auch. Habe diese Info von Spiegel-Online, genaueres war nicht zu lesen. Allerdings frage ich mich sowieso was man glauben kann und was nicht. Ich habe den Eindruck dass die Leute einfach hingehalten werden. Mal sehen, ob die morgen den Strom wirklich wieder einschalten.

HAL2.0

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #457 am: 20. März 2011, 00:10:00 »
Es ist also tatsächlich so still geworden - verstehe. Daumen drücken!!!

Um halbwegs sinnvoll etwas beizutragen: wenn ich es richtig verstanden habe, gilt die Hauptsorge bei den 4 Parallel-GAUs nach wie vor den 165 Tonnen aktivierter (Netto-)Brennstoffmasse im Abklingbecken in Block 4. Die liegen ja nicht innerhalb eines besonders geschützten Druckbehälters, sondern....an der "frischen Luft", wie man das so liest.

Mal sehen - wenn morgen Früh bis Mittag, spätestens am Abend immer noch alles so still bleibt....äh....dann hoffen wir weiter?

Trotz allem ist es zumindest ermutigend, auf bizarre Weise ermutigend, das Block 5 und 6 wohl unter Kontrolle sind. Sein dürften. Müssten.

Lance

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #458 am: 20. März 2011, 03:54:58 »
Aktuelle Lage laut Spiegel-Online:

- 01.12 Uhr MEZ: Kühlsystem an Reaktor 6 läuft nach Stromwiederherstellung wieder, die Temperatur ist laut Tepco gesunken

- 01.51 Uhr MEZ: Temperaturen in Reaktor 5 und 6 erreichen laut Tepco fast wieder das Normalniveau

- 02.06 Uhr MEZ: Die Lage in den Reaktoren 1,2 und 3 habe sich stabilisiert. Laut IAEA hat sich auch die Gesamtlage in Fukushima 1 stabilisiert, für eine Entwarnung ist es allerdings zu früh

Wie soll man das bewerten? Konkretes wurde nicht gesagt, aber es hört sich zumindest so an, als ob man auf eine Verhinderung des Super-GAU hoffen kann.

*

Offline tomtom

  • Raumcon Moderator
  • *****
  • 8042
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #459 am: 20. März 2011, 08:47:27 »
DFKI bietet Mond-Roboter für Fukushima an.

Spiegel Online theamtisiert, warum in Japan nicht mehr Roboter zum Einsatz kommen und dass die Roboter des uns schon bekannten Forschungsinstituts DFKI in Japan zum Einsatz kommen könnten. Angeführt wird vor allem, dass diese sich in unwegsamen Gelände bewegen können und strahlenresistenter sind.
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,751880,00.html

Tatsächlich scheint ja der unbemannte Robotereinsatz auf die Global Hawk beschränkt zu sein. Roboter haben eben ein sehr eingeschränktes, spezialisiertes Anwendungsspektrum.
Im Zweifel hilft die Such-Funktion:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?action=search

Offline Redtak

  • *
  • 17
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #460 am: 20. März 2011, 10:07:49 »
Der Block 2 des Reaktors von Fukushima 1 hat wieder Strom. Das berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo. Das soll helfen, um die Beleuchtung und die Kühlung der dortigen Abklingbecken in Gang zu setzen. Ob die Wasserpumpen allerdings funktionieren, ist noch unklar.

http://www.blick.ch/news/ausland/japan/japan-liveticker-168383

Offline Reihnold

  • ***
  • 103
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #461 am: 20. März 2011, 10:19:54 »
Im XKCD-Blog gibt es übrigens eine (englischsprachige) Übersicht, welche die Strahlung anschaulich in Verhältnis setzt: http://blog.xkcd.com/2011/03/19/radiation-chart/

tonthomas

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #462 am: 20. März 2011, 10:20:21 »
NHK. Die Situation bei Block 3 sei weiter unvorhersehbar. Der Druck im Sicherheitsbehälter des Blocks 3 müsse reduziert werden, ggf. durch Venting, auch wenn dadurch die Radioaktivität in der Umgebung weiter steige.

Gru0   Pirx

xwing2002

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #463 am: 20. März 2011, 11:12:46 »
Relativ gute Einschätzung, wie gestern der Tag verlassen wurde und sehr nüchterne Interpretation dessen, was möglicherweise daraus folgt.

http://www.greenpeace.de/themen/atomkraft/nachrichten/artikel/atomkatastrophe_in_japan_eine_einschaetzung/

Sie ruft aber auch nochmal ins Gedächnis, dass z.B. in Block 1 voraussichtlich seit Freitag die Brennstäbe komplett freiliegen, das die Abklingbecken in einem unbekannten bis kritischen Zustand sind etc.

Eine Frage: Wenn eine Kernschmelze (rein theoretisch) das Containment verlässt und beginnen würde durch die Betonplatte zu schmelzen oder die Abklingbecken durchschmolzen werden - würde man das durch Strahlenmessungen mitbekommen?

EDIT: 12.26h - keine "harten Fakten" mehr aus Fukushima. Ich versuche seit etwa 2 Stunden Daten aus den Meldungen zu ziehen. Wie etwa aktueller Wasserstand in Abklingbecken 4 nach dem andauernden Wasserbeschuss, Effekt des bestehenden Stromanschlusses... aber nix. Es wird grob angegeben WAS gemacht wird, manchmal WIE, aber ohne Ergebnisbeschreibung. Hat da jemand mehr Erfolg oder bessere Quellen?
« Letzte Änderung: 20. März 2011, 12:30:39 von xwing2002 »

Offline Ruhri

  • *****
  • 4042
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #464 am: 20. März 2011, 13:06:23 »
  • Reaktor 4: Wasserwerfer sollen den Reaktor kühlen. Durch Explosionen klaffen Löcher in der Außenwand des Gebäudes, das Dach ist zerstört. Radioaktivität tritt aus einem Abklingbecken aus.

Wozu braucht eigentlich Reaktor 4 Kühlung? Ich hatte gedacht, der wäre leer gewesen!? ???

Keine Meldung über den Grund des Abbruchs oder den Effekt der Aktion, nichts vom Stromkabel. Da sollten andere Meldungen stehen... aber es ist still.

Vielleicht mussten die Feuerwehrleute abgezogen werden, weil sie sonst mehr die akzeptable Dosis an Strahlung abbekommen würden?

[...],
warum in Japan nicht mehr Roboter zum Einsatz kommen und dass die Roboter des uns schon bekannten Forschungsinstituts DFKI in Japan zum Einsatz kommen könnten. Angeführt wird vor allem, dass diese sich in unwegsamen Gelände bewegen können und strahlenresistenter sind.
[...]

Das bin ich auch schon gefragt worden. Jemand meinte sogar, man sollte ein Modellflugzeug aus dem Spielzeugladen mit einer Kamera versehen. Nun, so ein Spielzeug würde vermutlich in Sekundenschnelle ernsthafte Probleme mit seiner Elektronik bekommen und abschmieren, und Kameras vertragen Radioaktivität auch nicht allzu gut. Aber in der Tat, wieso hat das technikverliebte Japan für alles mögliche Roboter entwickelt, nur nicht für den Einsatz in einem havarierten Kernkraftwerk? Ist man wirklich davon ausgegangen, dass ihre Kraftwerke so sicher sind, dass es niemals zu einem Super-GAU kommen könnte?

Nachgedanke: Bei der nächsten Reaktorkatastrophe, wann und wo auch immer sie eintreten wird, werden bestimmt auch japanische Roboter eingeflogen werden.

xwing2002

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #465 am: 20. März 2011, 13:39:51 »
Spiegel Online Ticker: "Rettungskräfte haben Meerwasser in das Abklingbecken des Reaktorblocks 2 gepumpt, meldet die Nachrichtenagentur Kyodo. Zuvor war der Reaktor an das Notstromnetz angeschlossen worden. Mit dem Netz werden die Pumpen zur Wasserkühlung des Meilers mit Strom versorgt."

Gut. Abklingbecken wird gefüllt. Großartig. Die interne Kühlung muss, zumindest in Teilen noch funktionieren! Die haben echt alles Glück der Welt gepachtet, mitten im größten Unglück.
Mies: Zustand des Abklingbecken war unklar... offenbar aber zumindest nicht voll gefüllt. Zustand der Brennstäbe dort? Temperatur dort? Schmelzprozess angefangen? Da fehlen genauere Daten.
Aber erstmal: Wow, die Pumpen laufen an.

Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #466 am: 20. März 2011, 14:03:45 »
Hallo Zusammen,

ich lese seit vielen Monaten in diesem tollen Forum. Habe aber bisher noch nie was geschrieben hier. Bin sehr begeistert über die Fachkompetenz welche hier vorhanden ist. Dank Euren Berichten und Diskussionen sind mir erst viele Dinge in der Raumfahrt klargeworden. War bisher einer der Stillen regelmässigen Mitleser.

Nun da die Datenlage aus den havarierten Reaktoren sehr unklar ist und überall was anderes steht habe ich mich mal auf die Suche nach genaueren Daten gemacht.
EDIT: 12.26h - keine "harten Fakten" mehr aus Fukushima. Ich versuche seit etwa 2 Stunden Daten aus den Meldungen zu ziehen. Wie etwa aktueller Wasserstand in Abklingbecken 4 nach dem andauernden Wasserbeschuss, Effekt des bestehenden Stromanschlusses... aber nix. Es wird grob angegeben WAS gemacht wird, manchmal WIE, aber ohne Ergebnisbeschreibung. Hat da jemand mehr Erfolg oder bessere Quellen?
Seit 3 Tagen informiere ich mich mit teils recht genauen Daten bei der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit. Dort wird zwei mal Täglich ein atueller Statusbericht veröffentlicht, welcher auch genaue Messwerte (Wasserstand, Druck, Temperatur usw. enthält). Man muss aber anmerken das es auf dieser Seite aber auch Widersprüche gibt.

Sehr informativ ist die dort veröffentlichte Kurzübersicht (Stand heute 11Uhr). Dieser nach befindet sich aktuell in allen Reaktoren noch Wasser. Allerdings sind in den Blöcken 1- 3 die Brennstäbe nur teilweise bedeckt. Der Wasserstand wird an zwei Messpunkten von oberer Kernkante aus gemessen. Wie das genau gemessen wird ist mir unklar. Die Messwerte lagen auch vor, als die neuen Stromkabel noch nicht fertig waren. Einzig der Reaktor 2 lag bisher einmal komplett trocken. Dieser soll eventuell auch beschädigt sein im Bereich der Kondensationskammer. Die Kondensationskammer ist der große Stahltorus unterhalb des Reaktordruckgefäßes. Diese befindet sich allerdings unterhalb des Bodenniveaus.

Teilweise habe ich das Gefühl das von der Presse so einiges verwechselt wird. Es wird wohl oft Reaktordruckgefäß, Sicherheitsbehälter und Abklingbecken miteinander verwechselt. Weshalb sollte das besprühen  mit den Wasserwerfern den Reaktor kühlen, wenn das Containment noch intakt ist? Wenn nix raus kommt kommt auch garantiert nix rein. Der Reaktor wird aktuell über das Feuerlöschsystem mit Meerwasser gekühlt /gefüllt. wenn also die Temperatur sinkt oder ansteigt liegt das nicht an dem Rumgespritze. Als der Block drei hochgegangen ist, sind wohl auch einige der Feuerwehrpumpen kaputt gegangen welche im Freien aufgebaut wurden. Deshalb ist die Wasserversorgung im Reaktor 2 so rapide abgefallen. Bis neue Pumpen herangeschafft werden konnten lag der Kern wohl komplett trocken.

Mit den Wasserwerfen versucht man meiner Ansicht nach nur die Abklingbecken zu füllen / kühlen. An die Reaktoren selbst kommt man damit nicht ran. Und wenn man den Reaktor direkt bespritzen könnte müsste das Containment wohl völlig zestört sein. Und dementsprechend höher wäre wohl die Strahlung.

Was ich aber sehr bedenklich finde ist, dass es nach jedem Druckablassen zu ner Wasserstoffdetonation gekommen ist. Das klingt für mich nach nem Konstruktionsfehler, wenn sich beim Druckablassen das Medium im Reaktorgebäude sammelt. Warum wurde das nicht direkt nach aussen geführt? Oder weshalb gibt es keine  Belüftungsöffnungen auf dem Dach, wodurch der Wasserstoff entweichen könnte?


So jetzt genug geschrieben.
Gruß Alex@Barracuda

Offline Reihnold

  • ***
  • 103
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #467 am: 20. März 2011, 14:12:42 »
Es kommt mir momentan in Bezug auf die Nachrichtenlage irgendwie so vor, als ob das die Ruhe vor dem Sturm ist. Wenn man sich mal diese Aufstellung bei der Wikipedia anguckt, die ja nur das wiedergibt, was die japanischen Behörden melden, ist der Stand der Dinge in meinen Augen immer noch extrem ernst. Insbesondere das "Fuel Exposed" beim Wasserstand stimmt mich etwas bedenklich, da man hier schon mal genauere Angaben machen konnte.
Berücksichtigt man jetzt noch, dass im ersten Block immer noch ~3,5 MW Abwärme pro Sekunde entstehen (siehe Physikblog, Wolfram Alpha), die irgendwie abgeführt werden müssen, wird klar, dass die Situation nach wie vor extrem ernst ist.

Offline Reihnold

  • ***
  • 103
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #468 am: 20. März 2011, 14:16:46 »
Was ich aber sehr bedenklich finde ist, dass es nach jedem Druckablassen zu ner Wasserstoffdetonation gekommen ist. Das klingt für mich nach nem Konstruktionsfehler, wenn sich beim Druckablassen das Medium im Reaktorgebäude sammelt. Warum wurde das nicht direkt nach aussen geführt? Oder weshalb gibt es keine  Belüftungsöffnungen auf dem Dach, wodurch der Wasserstoff entweichen könnte?
So wie ich es verstanden habe: Im Normalbetrieb entsteht kein/kaum Wasserstoff. Wenn jetzt aber die Brennstäbe zu heiß werden gibt es einen chemischen Prozess, bei dem das Wasser mit der Legierung der Brennstäbe reagiert dabei wird dann Wasserstoff freigesetzt. Beim Druckablass gelangt der Wasserstoff dann auch in das umliegende Gebäude und kann, wenn er sich dort ansammelt, zu einer Knallgasexplosion führen.
Mir ist aber nach wie vor unerklärlich, wieso sie nach der ersten Explosion in den anderen Reaktoren nicht sofort kontrolliert Löcher angebracht haben, durch die der Wasserstoff entweichen konnte. Das haben sie bei den Gebäuden 5 und 6 z.B. ja erst vorgestern oder gestern gemacht...

Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #469 am: 20. März 2011, 14:24:09 »
So wie ich es verstanden habe: Im Normalbetrieb entsteht kein/kaum Wasserstoff. Wenn jetzt aber die Brennstäbe zu heiß werden gibt es einen chemischen Prozess, bei dem das Wasser mit der Legierung der Brennstäbe reagiert dabei wird dann Wasserstoff freigesetzt. Beim Druckablass gelangt der Wasserstoff dann auch in das umliegende Gebäude und kann, wenn er sich dort ansammelt, zu einer Knallgasexplosion führen.

Nun ja, aber Druckablassen ist ja im Normalbetrieb nicht nodwendig. Wenn man über das Sicherheitsventil den Druck ablassen muss ist es wohl anzunehmen das man ein ernstes Problem hat. Da muss dann auch mit Wasserstoff gerechnet werden. In meinen Augen ein Konstruktions / Auslegungsfehler

Offline Liftboy

  • ****
  • 439
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #470 am: 20. März 2011, 17:36:55 »
Zitat
Nun ja, aber Druckablassen ist ja im Normalbetrieb nicht nodwendig. Wenn man über das Sicherheitsventil den Druck ablassen muss ist es wohl anzunehmen das man ein ernstes Problem hat. Da muss dann auch mit Wasserstoff gerechnet werden. In meinen Augen ein Konstruktions / Auslegungsfehler

Stimmt schon, es scheint irgendwie nicht ganz durchdacht.




Mir ist aber nach wie vor unerklärlich, wieso sie nach der ersten Explosion in den anderen Reaktoren nicht sofort kontrolliert Löcher angebracht haben, durch die der Wasserstoff entweichen konnte. Das haben sie bei den Gebäuden 5 und 6 z.B. ja erst vorgestern oder gestern gemacht...

Vll liegt es genau an den beiden Wörtern. Zum einen weiß ich nicht, ob sie sofort Maschinen da hatten um Löcher reinzubohren, zum anderen kann man wohl kaum direkt nachdem der eine Betonbau explodiert ist zu irgendjemandem sagen, nun setz dich mal auf die anderen und bohr da Löcher (und hoff, dass das Ding währenddessen nicht hochgeht).

Eine andere Frage ist, in wie weit man "kontrolliert" da ein Loch bohren kann - also so, dass gerade durch das Bohren es nicht zu einer Explosion kommt.
Stell dir mal vor, das erste Gebäude ist gerade explodiert - warum, hat man fix rausgefunden, auch kommt sofort die Idee auf, in die anderen einfach Löcher reinzubohren, um einer Wiederholung eines solchen Ereignisses vorzubeugen; die ganze Aktion wird auch schnell durchgezogen - und dann passiert gerade dabei ein Unfall, der die Lage eher verschlimmert, als verbessert - dann würde es heißen, man hat zu voreilig und zu unbedacht gehandelt.
Es ist problematisch, einerseits muss man schnell handeln und andererseits vor allem auch "richtig", und beides gleichzeitig verträgt sich nicht immer. Gerade im Nachhinein weiß man dann, was besser gewesen wäre, und fragt sich dann: "ja warum eigentlich nicht gleich so?"

Ich denke, es wird so seine Gründe gehabt haben, warum man es nicht sofort gemacht hat - auch wenn es vll nicht die sind, an die ich hier gedacht habe.

xwing2002

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #471 am: 20. März 2011, 17:46:20 »
@Barracuda
Erstmal ganz herzlich willkommen im Forum! :)
Vielen Dank für Deine detailierten Beschreibungen! Deine Überlegung betreffs des Überdruckventils ist sehr stichhaltig. Was aber, wenn der Wasserstoff gar nicht durch das Ablassen an den "falschen" Stellen im Gebäude angesammelt wurde?? Shuttlefans wissen, dass es leidigerweise so ist, dass man bei Wasserstoff immer nur mit einer relativen Dichtigkeit arbeitet. Wasserstoffatome sind sehr klein. Wäre es vielleicht denkbar, dass sie einfach aufgrund dessen das Containment verlassen und sich im Reaktorgebäude verbreiten konnten?

Du schreibst, in allen Reaktoren befindet sich noch Kühlwasser. Laut Greenpeace galt zumindest für den Reaktor 1 über einen mehr als 24 stündigen Zeitraum: "Seit Freitagabend (18:15 Uhr) liegen aber vermutlich die Brennstäbe frei, da kein Wasserstand mehr gemessen werden konnte." (Meldung von Samstag!)
Die Erklärung: dass entweder die Messanzeige nicht funktioniert oder kein Kühlwasser da ist.
Damit hätten wir, neben der phasenweisen Trockenlegung der Brennstäbe in Reaktor 2, mindestens einen weiteren Reaktor in dem man eine Kernschmelze annehmen muss.

SpaceCruiser

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #472 am: 20. März 2011, 18:43:47 »
Cryptome.org hat nun auch ein "Long-term Training Course on Safety Regulation and Safety Analysis / Inspection on Japan Nuclear Power Stations" (2.4MB) aus dem Jahr 2005 veröffentlicht. Ist sicherlich für einen oder anderen interessant. Ich als Nichtexperte werde jedoch nicht schlau draus. Sind aber auf jeden Fall ein paar nette Bilder im Script..

Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #473 am: 20. März 2011, 21:20:26 »
... Deine Überlegung betreffs des Überdruckventils ist sehr stichhaltig. Was aber, wenn der Wasserstoff gar nicht durch das Ablassen an den "falschen" Stellen im Gebäude angesammelt wurde?? Shuttlefans wissen, dass es leidigerweise so ist, dass man bei Wasserstoff immer nur mit einer relativen Dichtigkeit arbeitet. Wasserstoffatome sind sehr klein. Wäre es vielleicht denkbar, dass sie einfach aufgrund dessen das Containment verlassen und sich im Reaktorgebäude verbreiten konnten?
Es ist zwar richtig das Wasserstoffatome Wände von Tanks durchdringen können. Dies verursacht ja in der Raumfahrt so manches Problem und die Lagerfähigkeit von Wasserstoff wird dadurch nicht gerade verbessert. Allerdings sprechen wir hier von komplett anderen Dimensionen. In der Raumfahrt ist Gewicht so gut wie alles und dementsprechend sind die Wandstärken ausgelegt. Leichtbau eben. Im Kaftwerksbau spielt Gewicht praktisch so gut wie keine Rolle.

Der Reaktordruckbehälter des Kraftwerks Krümmel hat z.B eine Wandstärke von 170mm (Quelle)aus hochlegiertem Edelstahl. Danach folgt das eigentliche Containment der Sicheheitbehälter aus Stahl mit 30-40mm Wandstärke und danach eine Betonabschirmung von bis zu 1.800mm

Die Tanks von Raketenstufen haben im Gegensatz nur minimalste Wandstärken aus Leichtmetallen. Bei der Ariane V sind es an den Boostern 8,1mm.

Ich bezweifel also einfach mal das der Wasserstoff in solch kurzer Zeit diese meterdicken Hindernisse durchdringen kann. Geschweige in der Menge welche nötig ist solch ein Gebäude zu sprengen.

Du schreibst, in allen Reaktoren befindet sich noch Kühlwasser. Laut Greenpeace galt zumindest für den Reaktor 1 über einen mehr als 24 stündigen Zeitraum: "Seit Freitagabend (18:15 Uhr) liegen aber vermutlich die Brennstäbe frei, da kein Wasserstand mehr gemessen werden konnte." (Meldung von Samstag!)
Die Erklärung: dass entweder die Messanzeige nicht funktioniert oder kein Kühlwasser da ist.
Damit hätten wir, neben der phasenweisen Trockenlegung der Brennstäbe in Reaktor 2, mindestens einen weiteren Reaktor in dem man eine Kernschmelze annehmen muss.
Ich würde gern mal wissen woher die Info stammt das da kein Wasser mehr drin ist?
Es existieren für jeden Tag Messwerte. So zum Beispiel von heute Abend - Reaktor 1:
Zitat
Wichtige Anlagenparameter (Messzeitpunkt jeweils 20.03.2011, 05:00 Uhr Ortszeit):
Druck im Reaktor: 0,304 MPa (Messstelle A), 0,263 MPa (Messstelle B)
Füllstand im Reaktor: 1750 mm unter Kernoberkante (Messstelle A und Messstelle B)
Druck im Sicherheitsbehälter: 0,18 MPa, (Messung wieder hergestellt)
Kondensationskammer: Druck 0,17 MPa, Wassertemperatur unbekannt
Nachzulesen gibt es das hier:
http://www.grs.de/sites/default/files/Kurzuebersicht_Stand%25201100_20032011_web.pdf.
Jeden Tag gibt es 2 solcher Berichte. In jedem stehen die Messwerte sofern sie vorhanden sind.

Der Kern mit den Brennstäben hat eine Höhe von 4 Metern - so sind nach den Werten von heute 2.250mm des Kerns im Wasser. Ok, der obere Teil ist seit Tagen nicht mehr unter Wasser und wird dementsprechend Schäden haben. Aber das er komplett trocken liegt ist falsch.

Ganz interessant ist auch folgendes PDF welches den zeitlichen Ablauf darstellt:
http://www.grs.de/sites/default/files/images/Timeline%20Fukushima%20Daiichi%20Stand%202011-03-20-1500%20%282%29%20%282%29.pdf

Einen guten Eindruck über den Inneren Aufbau des Reaktorblocks liefern auch diese Bilder:

Beide Bilder stammen von http://www.frontmotor.blogspot.com/

xwing2002

  • Gast
Re: Japan: Erdbeben 11. März 2011
« Antwort #474 am: 20. März 2011, 22:06:52 »
Ich glaub' ich hab' die Erklärung wie der Wasserstoff ins Reaktorgebäude kommen konnte. Ein wenig bekannter Test im Brunswick Atomkraftwerk könnte eine Erklärung abieten.
Zusammengefasst: dort wollte man das containment mit 71 psi unter Druck setzen und dann über mehrere Stunden beobachten. Doch der Druck ließ sich nur bis zu 70 psi aufbauen. Man begann nach einem Leck zu suchen und folgte einem zischenden Geräusch oberhalb des containments. Der Druck presst zwei durch einen O-Ring (kommt uns das bekannt vor?) verbundene Leitungen auseinander und erlaubte der Luft in das Reaktorgebäude zu entweichen.
Der Kessel war für Druck bis 62 psi ausgelegt, die Fehlerstelle wäre ohne den Drucktest nie entdeckt worden.
Das ist laienhaft zusammengefasst... insgesammt nachzulesen unter: http://allthingsnuclear.org/

(Runterscrollen bis zum Artikel: Possible Cause of Reactor Building Explosions vom 18.März 2011 - darin enthalten das Kapitel: How Hydrogen May Have Gotten from Primary Containment into the Reactor Building)