Das Problem mit der Tank-Schweißerei ist wohl komplexer als gedacht, aber vielleicht nicht ganz so schlimm (was die Termin-Auswirkungen angeht).
Zumindest habe ich den Eindruck nachdem ich mich durch diesen Artikel bei NASASpaceflight gekämpft habe:
https://www.nasaspaceflight.com/2017/05/sls-core-stage-recovering-weld-pin-change/Allerdings muss ich etwas warnen, beim (eingeschränkten) Verständnis dieses Textes hat es mir nichts genutzt, dass ich vor rund einem Vierteljahrhundert ein Diplom in Maschinenbau gemacht habe.
Trotzdem will ich versuchen das Wesentliche mit meinen Worten zusammenzufassen, wer es besser weiß oder besser versteht darf mich gerne korrigieren.
Grundsätzlich muss man wissen, dass die Tanks der SLS-Hauptstufe in einem “self-reacting friction stir welding”-Verfahren verschweißt werden.
Friction stir welding heißt auf deutsch Rührreibschweißen.
Wem das nichts sagt, kann bei Wikipedia nachlesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Schwei%C3%9Fen#R.C3.BChrreibschwei.C3.9FenBei diesem Verfahren wird ein Dorn ("Pin") in Rotation versetzt und auf die zu verschweißende Kontaktnaht der zwei Werkstücke gepresst.
Durch die Drehung des Dorn auf den Werkstücken entsteht Wärme, das Material wird weich, der Dorn dringt in die Naht ein, aber nur bis zu einer Verdickung/Schulter.
Dann wird der Dorn entlang der Naht bewegt.
Durch die Drehung des Dorns und der Schulter wird weiter Wärme erzeugt und Material von beiden Werkstücken wird plastisch und vermischt sich (rühren).
Auf diese Weise werden die Werkstücke verschweißt.
Der Vorteil ist, dass das Material nicht komplett aufgeschmolzen wird und eine hohe Festigkeit erhält.
Bevorzugt werden Aluminiumlegierungen auf diesem Weg verschweißt.
Das “self-reacting friction stir welding” hat noch die Besonderheit, dass mit zwei Schultern gearbeitet wird, d.h. auch auf der Werkstück-Rückseite presst eine rotierende Schulter auf die Werkstücke und erzeugt ebenfalls Reibung.
Bezüglich der Tanks für LOX und LH2 muss man wissen, dass diese Dicken erreichen, die bisher nicht in diesem Verfahren verschweißt wurden.
Man hat also technologisch-wissenschaftliches Neuland betreten.
Anfang 2016 hat man zahlreiche Test-Schweißungen mit 90 bis 120 cm langen Testwerkstücken durchgeführt.
Diese wurde insbesondere auch zerstörenden Prüfungen unterworfen und alle erreichten die vorgegebenen Werte.
Man hat allerdings festgestellt, dass beim Übergang des Dorns zur Schulter es zu Mikrorissen kommen kann, d.h. die Gefahr besteht, dass das der Dorn beim Schweißvorgang abbricht.
Das ist noch keine Katastrophe, aber das Werkzeug muss dann repariert bzw. ausgetauscht werden und auf jeden Fall kostet das erhebliche Zeit.
Deshalb hat man den Übergang vom Dorn zur Schulter etwas umkonstruiert, um das Abbrechen zu vermeiden.
Danach wurden die Schweißarbeiten wieder aufgenommen und sowohl Testartikel als auch Teile der Flugtanks geschweißt.
Allerdings hat man dann gelegentliche Test-Teile gefunden, die eine reduzierte Festigkeit bzw. eine erhöhte Sprödigkeit aufwiesen.
Dies kann bisher allerdings nur mit zerstörenden Tests herausgefunden werden.
Statistisch gesehen treten diese Fehler nur bei jedem 15ten Schweißvorgang auf.
Da man mit nichtzerstörenden Messverfahren die Fehler nicht erkennen kann, sind alle Teile die mit dem geänderten Dorn-Design geschweißt wurden unbrauchbar.
Das betrifft vor allem den Qualifikationsartikel und den Flugtank für LH2.
Beide wurden bereits im Sommer 2016 mit dem modifizierten Dorn geschweißt.
Der Qualifikations-Tank kann zwar für bestimmte Tests verwendet werden, aber er kann nicht auf Nenndruck abgedrückt werden.
Für EM-1 soll daher ein neuer LH2-Tank (Serien Nr. 3, eigentlich für EM-2 vorgesehen) verwendet werden.
Wie lange das schweißen des LH2-Tanks dauert steht nicht im Artikel, aber das Schweißen des LOX-Tanks dauert etwa eineinhalb Monate.
Das dürfte für den LH2-Tank dann ähnlich sein.
In Summe scheint das ganze nicht so schlimm zu sein, wie zunächst gedacht.
Man arbeitet jetzt wieder mit dem ursprünglichen Dorn-Design und bekommt damit fehlerfreie Schweißungen.
Viele Grüße
Rücksturz