Hallo an alle,
Ein paar Anmerkungen von mir zum Thema Lagrange-Punkte:
Dort heben sich die Gravitationskräfte der beteiligten Himmelskörper auf und jeder der beteiligten Körper ist kräftefrei.
Fast, es heben sich die Gravitationskräfte und die Zentrifugalkraft auf
. Und die Himmelskörper sind nicht kräftefrei, sondern nur der masselose Körper in dem Lagrange-Punkt.
John Barnes und "Dr. Rendezvous" Buzz Aldrin lassen in ihrem Roman "Begegnung mit Tiber" einen Kommunikationssatelliten um den L2-Punkt des Erde-Mond-Systems kreisen, um Kontakt zu einer Expedition auf der erdabgewandten Seite halten zu können. Der Lagrange-Punkt wird dabei als "Attraktor" bezeichnet, um den ein Raumfahrzeug wie um eine große Masse kreisen könne. Und wenn Aldrin, der alte Raumfahrt-Kämpe mit entsprechendem Doktortitel, nicht weiß, wovon er schreibt, wer dann?
So verkehrt ist das nicht, auch wenn es wissenschaftlich gesehen falsch ist. Ich denke man sollte hier das Wort Attraktor nicht überbewerten, vielleicht hat Buzz es lediglich auf einfache Art und Weise umschreiben wollen (ich kenne den Originaltext nicht).
Ein mir bekannter Physiker bezeichnet die Beschäftigung der Raumfahrtingenieure dagegen als "pure Spielerei", haut mir den Begriff "Attraktor" als völlig falsch verwendet um die Ohren und erklärt mir mit wachsender Begeisterung, dass es sich um labile Gleichgewichtspunkte handelte und eine Sonde ohnehin niemals einen Lagrange-Punkt erreichen könne.
Wie ich bereits sagte, wissenschaftlich gesehen ist "Attraktor" falsch, kein Wunder das ein Physiker hier Einspruch erhebt, völlig zurecht. Aber "pure Spielerei" ist das sicher nicht, dazu sollte der gute Physiker vielleicht mal einen Blick in die reale Welt werfen. Dann wird er nämlich feststellen, dass es bereits mehrere Raumfahrt-Missionen zu den Lagrange-Punkten gab und gibt. Ausserdem sind nur die Lagrange-Punkte L1 bis L3 instabil, L4 und L5 sind stabil.
Das letzte wird schon stimmen, nur schickt man meinem Verständnis nach diese Sonden ja auch nicht zu irgendwelchen Lagrangepunkten, um sie dort mit Relativgeschwindigkeit 0 direkt im Punkt zu parken, sondern um sie auf teilweise extrem komplizierten Orbits darum kreisen zu lassen.
Man kann auch keinen (3-D) Körper in einem (1-D) Punkt parken
. Selbst wenn, was macht man dann mit weiteren Satelliten?
Mir ist da vorhin noch eingefallen, vor längerer Zeit gelesen zu haben, dass ein Ingenieur (von der NASA?) die Idee entwickelt hatte, Sondenflugbahnen entlang zu planen, um einen möglichst sparsamen Kurs zu erhalten.
Das sind die sogenannten Manifolds der Lagrange-Punkte, entlang derer man sich bewegen kann (vergleichbar mit Orbits). Es gibt stabile und instabile Manifolds, und sie führen immer von den Lagrange-Punkten weg bzw. hin. Das interessante ist nun, dass viele Manifolds der vielen verschiedenen Lagrange-Punkte sich an bestimmten Stellen berühren und man dort mit sehr wenig Energieaufwand (delta-v) von einer Manifold in eine andere wechseln kann. So kann man halt auch reisen, dauert nur etwas länger. Dafür kann man mit weniger Energieaufwand von a nach b kommen als mit dem als ideal geltenden Hohmann-Transfer.
Und der NASA Ingenieur den du meinst ist sicher entweder Koon, Lo, oder Marsden (die drei haben auch ein schönes Buch über Dreikörperproblem, Lagrange-Punkte und Manifolds geschrieben). Wobei man hier fairerweise auch den Namen Belbruno erwähnen sollte.
Dieser "interplanetare Superhighway" ist auch eine Mogelpackung: Es geht nur um Bewegung entlang eines Planetenorbits (bei Genesis nahe des Erdorbits).
Auch wenn du am Beispiel der Genesis Mission sicher recht hast, aber diesen interplanetaren Superhighway gibt es. Allerdings muss man zwischen den Manifolds von z.B. Erde-Sonne L2 und Mars-Sonne L1 noch einen klassischen Transfer einlegen, da diese sich nicht direkt berühren (soweit ich weiss).
Gruss
Cosmo