Ich habe bereits klargestellt, dass ich das Erreichen der Ziele von SpaceX als durchaus sehr kritisch und ein Scheitern als nicht unwahrscheinlich ansehe. Das ist ein Punkt den ich mit MR teile, ....
Mm, ich sehe die gleichen Dinge also ganz anders? ....
Sehen wir uns beide Systeme einmal genau an, zuerst den rückkehrfähigen Booster, wie er der USAF vorschwebt. In der Tat ist das keine Idee der USAF, sondern wurde schon verschiedentlich durchgerechnet: Zuerst von der NASA, die damit die Feststoff-Booster des Shuttles ersetzen wollte und nicht zuletzt auch durch die Russen (Baikal). Der Booster soll dafür mit Tragflächen und einem Strahltriebwerk (sinnvollerweise vermutlich ein Turbofan ohne Nachbrenner wie das F-118) ausgerüstet und entsprechend ausgelegt sein, um den Belastungen beim Wiedereintritt und bei der Landung zu wiederstehen. Beim russischen Baikal-Entwurf geht man davon aus, das die Stufe allein durch die nötigen strukturellen Verstärkungen mindestens 50 % schwerer ist als eine normale Stufe. Um dennoch die geplante Nutzlast zu erreichen muss die Stufe also entsprechend größer und schubstärker als eine Einweg-Stufe sein.
Die Rakete mit dem Booster startet zunächst ganz normal. Nach der Abtrennung wird der Booster langsam zurück in die Atmosphäre geflogen, bis auf Rückflug-Flughöhe (10 - 12 k). Man geht davon aus, dass man durch ein entsprechend sorgfältiges Manöver die Belastungen des Boosters auf ca. 7 g senken kann. Das sind Belastungen, denen auch Kampfflugzeuge wie die F-15 ausgesetzt sind. Ist der Booster in der geplanten Flughöhe angekommen, wird das Strahltriebwerk gezündet und der Booster langsam auf Kurs zurück zu einer Landebahn gebracht. Da ein Strahltriebwerk nur Kerosin als Treibstoff benötigt und ihn zudem weit effizienter nutzt als ein Raketentriebwerk, sind hier auch größere Strecken bis 1000 km kein Problem. Am Flughafen angekommen, landet der Booster automatisch mittels Fahrwerk wie eine Drohne. Nach der Landung wird der Booster geprüft, repariert und anschließend wiederverwendet.
Bei SpaceX soll das alles etwas anders laufen. Die Stufe wird, um weich landen zu können, mit den entsprechenden Landebeinen versehen. Sie verfügt weder über Tragflächen noch über ein Strahltriebwerk. Auch über strukturelle Verstärkungen ist bisher nichts bekannt geworden. Auch hier startet die Rakete zunächst ganz normal. Nach der Abtrennung (die je nach Einsatzart, also Booster oder Hauptstufe, in unterschiedlichen Höhen stattfindet) zündet die Stufe erneut drei Triebwerke, um zurückzufliegen. Am Ziel angekommen, zündet in der letzten Phase ein einzelnes Triebwerk noch einmal, um die Stufe weich zu landen. Ich sehe hier gleich mehrere Probleme: Die Belastungen beim Wiedereintritt mögen ähnlich sein wie beim USAF-Booster, aber wie sieht es bei der Falcon 9 mit der Struktur aus? Wir erinnern uns, die erste Falcon 9 brach hoch oben beim Wiedereintritt auseinander, weil sie nicht stabile genug gebaut war, weitere Bergungen wurden bisher nicht versucht. Auch die erste Stufe der Falcon 9 v1.1 ist eine ausgesprochene Leichtkonstruktion. Genügt es, die Stufe beim Wiedereintritt mit dem Wiedereintrittskontrollsystem zu stabilisieren, damit sie den Wiedereintritt ohne Schäden übersteht? Wie sieht es mit dem Treibstoff für den Rückflug aus? Und das in meinen Augen größte Problem: Die erste Stufe der Falcon 9 v1.1 wiegt selbst mit Resttreibstoff für die Landung weniger als 30 t, ein maximal gedrosseltes Merlin 1D Triebwerk liefert aber über 10 t mehr Schub. Die Bremszündung zur weichen Landung muss exakt getimt sein und es darf auch keine Beeinflussungen durch Wind (Fallböen) geben. Erfolgt die Zündung zu spät, schlägt die Stufe hart auf, erfolgt die Zündung zu früh, steigt die Stufe wieder auf. Zudem muss sichergestellt werden, dass die fast 40 m hohe Stufe bei der Landung nicht umstürzt. Die bisherigen Grasshopper-Versuche sind da eher nichtssagend, da hier das kritische finale Abbremsen für das Aufsetzen nicht mal ansatzweise getestet werden kann.
Technisch gesehen habe ich keine großen Zweifel, dass das Konzept der USAF funktionieren würde. Es ist schon mehrfach durchgerechnet wurden, auch in Russland. Kritischer ist hier eher die Wirtschaftlichkeit. So ein Booster wäre in der Entwicklung deutlich teurer als eine normale Stufe, hinzu kommen die Wartungskosten nach dem Einsatz. Es käme auf einen Versuch an, ich allerdings gehe davon aus, dass die finalen Einsparungen durch so einen Booster zumindest im Moment zu gering wären, um die Entwicklung zu rechtfertigen.
Bei SpaceX sehe ich beides kritisch, geplantes Landeverfahren und die Wirtschaftlichkeit. Rechnet man Entwicklungskosten, verringerte Nutzlast und Wartungskosten zusammen, so dürfte sich dieses Konzept zumindest im Moment ebenfalls nicht lohnen. Im Unterschied zum USAF-Entwurf sind hier die Entwicklungskosten überschaubar, dafür aber die Nutzlasteinbuße deutlich höher. Technisch sehe ich allerdings kaum Chancen, dass es funktioniert. Das Landeverfahren ist weitaus komplexer als das des USAF-Boosters, vor allem das extrem genau erfolgende Abbremsmanöver für die weiche Landung ist kritisch. Über das Wiedereintrittsmanöver weiß man ebenfalls nichts Genaues, welche Kräfte hier auf die Stufe wirken, ist unklar. Insgesamt wirkt dieses Konzept auf mich sehr halbgar und wenig durchdacht. Ursprünglich hatte Musk ja mal gesagt, er sähe die Wiederverwendung als essenziell an, gelinge sie nicht, wäre SpaceX gescheitert, selbst wenn die Firma Gewinn machen würde. So wird das aber nichts. Will man wirklich eine vernünftige Wiederverwendung, so hätte man die komplette Rakete von Anfang an darauf auslegen müssen. Das hätte aber die Entwicklung dramatisch verteuert.
..... warum ich beim Boosterentwurf der USAF der Meinung bin, das dieses Konzept technisch machbar ist, während ich bei SpaceX davon überzeugt bin, das klappt nicht. Nur weil beide Konzepte versuchen, einen Teil der Rakete wiederzuverwenden, sind das noch lange nicht die gleichen Dinge. Im Gegenteil, beide Konzepte sind so grundverschieden, das sie kaum miteinander vergleichbar sind.
Kürzungen um fürs Thema nicht dienliches Persönliches. Gruß Pirx