Hallo,
also, jetzt musste ich mich auch mal anmelden und hierzu was schreiben. Ich lese schon eine Weile mit, aber regelmäßig bei den bemannten Raumfahrtthemen kommt mir die Galle hoch. Nicht wegen Obamaspace, sondern wegen des Pessimismus, der hier vorherrscht.
Ich finde den neuen Plan gar nicht so schlecht. Begeisterungsstürme löst er natürlich nicht aus; das wäre aber nur mit signifikant mehr Geld möglich. Und das kann – angesichts der Finanzlage und der Kürzungen in anderen Bereichen – gar nicht bereitgestellt werden, selbst, wenn Obama es wollte.
Statt ein gescheitertes Constellation-Programm künstlich am Leben zu erhalten, sollte man lieber nach vorne schauen. Ich bin jedenfalls froh, dass zur Abwechslung mal einer Kommission auch tatsächlich Gehör geschenkt wird.
Vor 2015 ist einfach kein Geld für ein HLV vorhanden. Deswegen forscht man bisschen rum um die Elite der Ingineure in der NASA zu halten und kein Know How zu verlieren.
Das stimmt so aber nicht. Man forscht nicht mal ein „bisschen rum“, sondern man entwickelt essentielle Technologien, die für Tiefenraummissionen unerlässlich sind:
• Treibstoffdepots im Orbit (sonst ist eine Marsmission kaum finanzierbar, weil man 12 Ares V oder Äquivalentes bräuchte)
• Aufblasbare Module (für Langzeitraumschiffe und Bodenstationen)
• Automatischer Rendezvous und Andocken
• geschlossene Lebenserhaltungssysteme
Dafür werden 2013 z.B. 1,8 Milliarden $ ausgegeben. Das ist nicht gerade wenig, dabei wird auch was rumkommen.
All das hätte man auch bei Constellation gebraucht, wenn man nicht nur Apollo 2.0 hätte betreiben wollen. Und es ist auch richtig, diese Techniken vor dem HLV zu entwickeln, denn letzteres hat hohe laufende Kosten, da sollte man dann auch Missionen fliegen können, sobald man es hat. Ohne Landesysteme, Strahlenschutz, Lebenserhaltung und dergleichen könnte man aber höchstens den Mond umrunden.
Würde man das Shuttle verlängern, könnte man vielleicht die Lücke schließen; wenn das überhaupt möglich ist, viele reden auch da von zwei Jahren Pause, weil man erst wieder alles hochfahren müsste. Aber dann wären auch all diese Entwicklungen nicht möglich, und die ersehnten Missionen jenseits des Erdorbits würden sich nur noch weiter verzögern, wahrscheinlich in die 30er Jahre. Das will doch auch keiner.
Das „Rumforschen“ ist höchstens auf einen anderen Punkt im Budget anwendbar: Space Technology. Dafür gibts eine Milliarde pro Jahr, und damit werden Forchungsprojekte unterstützt, die mit hohem Risiko behaftet sind und deswegen normalerweise nicht entwickelt würden, aber hohen Nutzen bringen. Neue Materialien, neue Triebwerkskonzepte, Energiespeicherung, Robotik, sowas halt. Solche Forschungen gehören ganz zentral zur Mission der NASA und wurden in letzter Zeit vernachlässigt.
Ich schlüssele man mal auf, wo das Geld von Constellation überall hingeht. Dazu vergleiche ich das Budgets von 2009 mit dem von 2011, wieviel jeweils im Jahr 2013 budgetiert wird (bis dahin sind nämlich die Constellation- und Shuttle-Übergangsfinanzierungen abgeschlossen). Jeweils die Differenz (Budget 2011–Budget 2009) in Milliarden US$, gerundet auf volle 100 Mio.
• Constellation systems –7.1
• Advanced capabilities –0.6 (Technologie und Human Research)
• ISS +1.0 (Sojus-Flüge)
• Space and Flight Support +0.5 (v.a. für Kennedy Space Center)
• Commercial Spaceflight +1.4
• Exploration Research and Development +3.3, davon:
· Exploration Technologies and Demonstration +1.8 (s.o.)
· Heavy Lift and Propulsion +0.6
· Robotic Precursor missions +0.7
· Human Research +0.2 (übernommen von Advanced capabilities)
• Space Technology +1.1 (s.o.)
• Aeronautics +0.1
• Cross-Agency support –0.2
• Construction and Environmental Compliance +0.4
Wo die Orion-Kapsel reinkommt, weiß ich auch nicht, ich glaube, das ist in dem Budget noch nicht berücksichtigt. Es wird wohl durch Exploration Technologies and Demonstration finanziert werden. So toll finde ich die Idee auch nicht, zum jetzigen Zeitpunkt ist die Entwicklung fehl am Platz. Aber ganz sinnlos ist sie nicht: Eine Wiedereintrittskapsel kommt für Langzeitmissionen in den weiten Weltraum ganz gelegen. Man wird kaum die Astronauten wochenlang in einer kleinen Kapsel einpferchen wollen, also braucht man ein echtes, größeres Raumschiff, das im Orbit zusammengebaut und betankt wird. Rückkehrfähig wird das nicht sein.
Jetzt kommt sowas aber verfrüht, für die ISS braucht man das eher nicht. Es sei denn, beim kommerziellen Transport geht mal was schief und die Astronauten sind auf der ISS gestrandet. Vor allem will man aber die Arbeit nicht in 10 Jahren nochmal machen müssen, und Orion ist ja das einzige an Constellation, das ziemlich gut lief.
Bisschen komisch finde ich auch die Stimmen, die die Vorherrschaft der USA im Weltraum für beendet erklären. Wer soll sie denn bitte ablösen? Die Russen? Haben kein nennenswertes unbemanntes Programm und nur ein uraltes Raumschiff, das sie zur Raumstation bringt. Erstmal sind sie damit zwar die einzigen, aber schon 2015 oder so sind die Amis wieder gleichauf. Die Chinesen? Liegen noch knapp hinter den Russen zurück, und zum Mond werden sie auch auf absehbare Zeit nicht aufbrechen. Die Europäer? Investieren ihr winziges Budget vornehmlich in Satelliten und die Ariane. Ob das ATV je weiterentwickelt wird, steht in den Sternen.
Nein, die NASA wird noch auf lange Zeit das Maß der Dinge sein. Schade eigentlich. Mehr Konkurrenz von den Europäern z.B. würde auch den amerikanischen Steuerzahler bereitwilliger machen. Aber eh man hier in Europa mal eine echte Vision entwickelt und die Bevölkerung sich hinter das Raumfahrtprogramm stellt, sind die Amis schon auf dem Mars. Die meisten haben doch keinen Schimmer, dass es die ESA überhaupt gibt.
Das ist die eigentliche Tragik der Situation.