Teil 1
Quarks & Co
Der Stern von Bethlehem
Sendetermin: 23.12.2003, 21.00 Uhr, WDR (Wdh.)
Autoren: Heinz Greuling, Christian Hackenberger,
Daniel Münter und Elmar Sommer
Redaktion: Ingo Knopf
Nach der Weihnachtsgeschichte wurde Jesu Geburt durch ein himmlisches Leuchten angekündigt. Aber was genau haben die weisen Männer aus Babylon gesehen? Quarks & Co beleuchtet das biblische Ereignis von verschiedenen Seiten und berichtet über Kometen, Supernovae und andere astronomische "Verdächtige".
War der Stern von Bethlehem vielleicht ein Komet? Darüber streiten sich die Gelehrten bis heute. Moderator Ranga Yogeshwar berichtet, wie die kosmischen "Schneebälle" mit ihren Leuchtschweifen die Menschen früher in Angst und Schrecken versetzten und erzählt die Geschichte von der Entzauberung des Halleyschen Kometen, den die Astronomen lange für den Weihnachtsstern hielten. Neue Schweifsterne werden heute meist von Hobby-Astronomen entdeckt. Quarks & Co geht mit einem der erfolgreichsten auf Kometenjagd.
Im Jahre 1604 sieht der Astronom Johannes Kepler ein unbekanntes Phänomen von extremer Leuchtkraft am Himmel, das bis heute nicht mehr beobachtet werden konnte. Auch diese himmlische Erscheinung könnte der Stern von Bethlehem gewesen sein. Vermutlich war es eine Supernova, ein explodierender Stern. Doch wo sind seine Überreste? Quarks & Co blickt auf die zahlreichen Sternengräber in unserer Galaxie und zeigt in einer Reportage aus der Zukunft den spektakulären Tod des Beteigeuze-Sterns - ein heißer Kandidat für die nächste Sternenexplosion!
Bald ziehen sie wieder von Tür zu Tür, segnen die Häuser und sammeln für die Kinder, denen es nicht so gut geht: die Sternsinger. Die drei Weisen Caspar, Melchior und Balthasar. Sie sahen am Himmel den Aufgang eines neuen Sterns, machten sich auf und fanden ein Flüchtlingskind in einem Stall, tödlich bedroht von einem machthungrigen König.
Jeder glaubt ihn zu kennen, den Stern von Bethlehem, aber Quarks & Co versucht die Weihnachtsfrage zu beantworten: Was ist dran an den vielen Theorien über den Weihnachststern, dem Himmelsereignis das die Geburt Jesu ankündigte? Kann man tatsächlich astronomisch genau bestimmen - wie viele behaupten - wann Jesus geboren wurde? Was sagen Bibel, Astronomie und Historiker, was ist ernstzunehmen, was ist Stand der Forschung?
Die Geburt Jesu - die kurze Antwort
Wann wurde Christus eigentlich geboren? Die Standardantwort aus dem Katechismus wäre: natürlich Weihnachten, zur Zeitenwende... Und die Meisten werden fortfahren: Weihnachten, das ist der 24. Dezember, Zeitenwende, also das Jahr Null. Doch an dieser Antwort stimmt so einiges nicht.
Weihnachten ist am 25. Dezember. Der 24. ist der Vorabend, der Heilige Abend. In der Antike (auch heute noch bei Juden und Muslimen) beginnt der neue Tag stets mit Sonnenuntergang, also am Vorabend des entsprechenden Tages. In der Kirche ist das auch heute noch so, auch am Weihnachtstag.
Ein Jahr Null gibt's in unserem Kalender nicht. Es gibt nur Jahre vor und Jahre nach Christi Geburt - dazwischen hat kein Jahr Null Platz. Ein Jahr Null (in unserem bürgerlichen Kalender) findet sich auch bei "ausgewiesenen" Fachleuten immer wieder, aber sie irren.
Die richtige Antwort - ganz nach dem Heiligenkalender wäre also:
Jesus wurde geboren in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember des Jahres 1 vor Christus.
Nach den jüdischen Regeln beschnitten und seinen Namen "Jesus" erhielt er eine Woche später, am 1. Januar des Jahres 1 nach Christus, und das ist unser Neujahrsfest. An diesem Tag beginnt das Neue Jahr. Und auf exakt diesen Tag legt der Mönch Dionysius Exiguus im Jahr 525 den Beginn unseres Kalenders. Seinen ersten Geburtstag feierte Jesus also am 25.12. im Jahre 1.
Das wäre die Antwort der Kirche, aus dem Katechismus. Stimmt denn nun das damals - von einem fleißigen Mönch - ausgerechnete Datum? Er hatte die ihm damals zur Verfügung stehenden Quellen gesammelt, so gut es ging. Aber wissen wir heute mehr? Was steht eigentlich genau in der Bibel über den Stern von Bethlehem?
Die Antwort der Bibel - die Weihnachtsgeschichte
Alle nicht "Bibelfesten" finden die Weihnachtsgeschichte im Neuen Testament beim Evangelisten Matthäus, im zweiten Kapitel. Die Theologen nennen sie "das Kindheitsevangelium".
Hier steht:
"Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben Seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um Ihm zu huldigen (Mt 2,1-2)."
Die Drei Könige aus unserem Anfang waren also weder "drei" noch waren sie "Könige" - sie waren Weise, Sternkundige aus dem Osten. Das waren - von Palästina aus gesehen - damals Babylon, Mesopotamien, ja sogar Arabien. Sie hatten "Seinen Stern" gesehen, und der wies ihnen den Weg nach Israel, ja er blieb sogar - als sie in Israel waren - über Bethlehem "stehen", wie es in der Geschichte weiter heißt. Wenn wir die Geschichte so nehmen, wie sie da steht, muss es sich also um ein wichtiges Himmelsereignis gehandelt haben - das Sternkundige veranlasste, sich auf die Reise zu machen.
Wir haben aber noch andere Anhaltspunkte - gleich, welches Ereignis am Himmel da nun gemeint sein kann - es ist von geschichtlich bekannten Personen die Rede: dem König Herodes, dem römischen Kaiser Augustus, Quirinus; von ihnen wissen Historiker durch andere Quellen, wann sie gelebt haben und wann sie gestorben sind. Das engt die Zeit der Geburt Jesu auf ein schmales Fenster ein - die Ereignisse drehen sich um ein Zeitfenster von nur knapp vier Jahren: zwischen etwa 7 vor Chr. bis 4 vor Chr.
Es geschah damals und geschieht auch heute noch viel Spektakuläres am Himmel. Wenn es aber nicht in dieses Zeitfenster fällt, scheidet es als mögliche Erklärung für den Weihnachtsstern aus.
Was haben die Sternkundigen aus Babylon denn nun am Himmel auftauchen sehen? Darüber streiten die Gelehrten und Theologen seit der Evangelist Matthäus die Weihnachtsgeschichte aufgeschrieben hat - und das muss so zwischen 75 und 90 nach Chr. gewesen sein. Drei mögliche, immer wieder auftauchende Theorien über diesen Weihnachtsstern wollen wir näher unter die Lupe nehmen:
1. "Sein Stern" war ein Komet
2. "Sein Stern" war eine aussergewöhnlich seltene Begegnung von Planeten am Himmel, so nah, dass sie fast zu einem Stern verschmolzen sind, kurz: eine Planetenkonjunktion.
3. "Sein Stern" war eine Supernova.
Heinz Greuling
Der Halleysche Komet
Der Halleysche Komet ist sicherlich diejenige Himmelserscheinung, die von den meisten Menschen mit dem Stern von Bethlehem in Verbindung gebracht wird. Da die Bahn und damit die periodische Wiederkehr dieses Kometen sehr gut bekannt ist, lässt sich jedoch mit Sicherheit ausschließen, dass der Komet in dem Zeitraum auf der Erde zu sehen war, den Historiker für die Geburt von Jesus ermittelt haben. Trotzdem hat dieser Komet eine interessante Geschichte.
Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts waren Kometen für die Menschen ein weitgehend unerklärtes Phänomen. Für diejenigen, die eher rational orientiert waren, galt die Interpretation, die Aristoteles schon im 4. Jahrhundert v. Chr. für das Erscheinen von Kometen gegeben hatte: Kometen seien atmosphärische Phänomene. Schlechte und giftige Gase würden der Erde entweichen, aufsteigen und sich in großer Höhe entzünden.
Weitaus verbreiteter aber war die Deutung von Kometen als schlechtes Omen oder als Zeichen für eine bevorstehende Strafe Gottes für das sündige Leben der Menschen. Im Jahr 1066 n. Chr. hatte der Komet, der später der Halleysche Komet genannt werden sollte, einen großen Auftritt. Er tauchte im Frühjahr auf - zu einer Zeit der politischen Instabilität. Harold der Zweite hatte in England den Thron bestiegen. William der Eroberer überquerte daraufhin mit seinem Heer den Ärmelkanal, um Harold herauszufordern. Harold fiel in der Schlacht von Hastings und viele Menschen sahen sich in der Deutung des Kometen als Unheilsbringer bestätigt.
Besonders im 16. und 17. Jahrhundert grassierte die Kometenangst - angefacht von so genannten Einblattdrucken. Auf diesen illustrierten Flugblättern wurde der Komet für Erdbeben, Dürre und Hungersnot verantwortlich gemacht. Selbst der Reformator Martin Luther - ein erklärter Gegner der Astrologie - meinte:
"Die Heiden schreiben, dass Kometen von natürlichen Ursachen kommen, aber Gott schafft keinen, der nicht sicheres Unglück anzeigen würde."
Wegbereiter der Wissenschaft
Den ersten großen Schritt hin zu einer wissenschaftlichen Betrachtung der Kometen machte der dänische Astronom Tycho Brahe. Er beobachtete die Bahn eines Kometen im Jahr 1577 sehr akribisch und verglich seine Messungen mit denen eines Kollegen aus Prag. Aus diesem Vergleich schloss er richtig, dass die Bahn des Kometen deutlich weiter entfernt von der Erde verlaufen musste als die des Mondes. Die Deutung als atmosphärisches Problem war damit widerlegt.
Der Durchbruch in der Kometenforschung kam aber erst mit den beiden englischen Astronomen Edmond Halley und Isaac Newton. Im Jahr 1687 veröffentliche Newton eines der wichtigsten Bücher der Wissenschaftsgeschichte: die "Principia". In diesem Buch formulierte er zum ersten Mal das Gravitationsgesetz. Dieses Naturgesetz beschreibt die gegenseitige Massenanziehung aller Körper. So konnte Newton nicht nur auf einfache Art die Bahnen der Planeten um die Sonne erklären, sondern auch die Bewegung der Kometen. Newtons Freund und Kollege Edmond Halley übernahm die Fleißarbeit. Er machte sich an die Bahnberechnung von 24 historischen Kometen. Im Laufe dieser Rechnungen merkte er, dass drei Kometen der Jahre 1531, 1607 und 1682 n. Chr. auffallend ähnliche Bahnen besaßen. Er schloss daraus, dass es sich jedes Mal um den gleichen Kometen gehandelt haben musste und er sagte die Wiederkehr des Kometen für das Jahr 1758 voraus.
Halley kehrt zurück
Edmond Halley starb schon 1743 und konnte deshalb "seinen" Kometen nicht mehr erleben. Dessen Rückkehr wurde aber ein Triumph für die Wissenschaft und der endgültige Beweis für Newtons Theorie. Ein großer Kreis der gebildeten Zeitgenossen wartete gespannt auf das Erscheinen des Kometen. Überraschenderweise war es dann ein Amateur, der ihn als erster entdeckte. Der sächsische Bauer und Hobbyastronom Johann Georg Palitzsch erspähte den Halleyschen Kometen am 25. Dezember 1758. Die Kometen waren nun endgültig entzaubert. Newton und Halley hatten ihnen einen festen Platz im Spiel der Himmelskörper zugewiesen.
Daniel Münter
Planetenkonjunktion
Wer in den Weihnachtstagen in ein Planetarium geht, wird ganz bestimmt diese astronomische "Version" des Sterns von Bethlehem zu sehen bekommen - und viele Details werden präsentiert, die diese Lösung stützen sollen. Der Erste, der sie vorgeschlagen hat - im Jahre 1606 - war der große deutsche Astronom Johannes Kepler. Er wusste nichts mehr vom muslimischen Astronomen Masha'allah. Der hatte schon im 8. Jahrhundert vorgeschlagen: Der Stern von Bethlehem war eine äußerst seltene dreifache Begegnung der hellen Planeten Jupiter und Saturn.
"Konjunktionen" sind selten, aber noch seltener sind enge Begegnungen, die dreimal kurz hintereinander stattfinden - die letzte Dreierbegegung zu unseren Lebzeiten fand 1980/81 statt, die nächste wird erst 2238 am Himmel zu sehen sein.
Der Stern von Bethlehem und Babylon
Im Britischen Museum in London liegen wohlbehütet drei Tontafeln mit den Nummern BM 34659, 34614 und 35429. Sie berichten von unserem Stern - einer aussergewöhnlichen Himmelsbegegnung. Was wir heute mit unserer Hochleistungsastronomie im Nachhinein berechnen können, steht dort in Keilschrift fein säuberlich aufgelistet: die drei Konjunktionen fanden am 15. März, 20 Juli und 12. November im Jahre 7 vor Christus statt, und zwar jeweils im Sternbild Fische.
Wichtig für die Astronomen damals war aber nicht die Berechnung, sondern die Deutung dieses Spektakels. Für sie waren Planeten keine Himmelskörper, sondern die Götter selbst. Für Babylon entsprach alles, was sich am Himmel abspielte, Ereignissen auf der Erde. Jupiter, dieser hellglänzende Wandelstern am Himmel, stand für den höchsten babylonischen Gott "Marduk" - er war "Der Stern" schlechthin. Saturn entsprach dem Gott "Kajmanu", einem Wandelstern, der mit dem König in Israel in Verbindung gebracht wurde. Dieser Kajmanu taucht auch in der Bibel auf. Dort heißt er aramäisch verballhornt (also in der Sprache, in der Jesus selber sprach) "Kewan" (Am 5,26) und griechisch fehlübersetzt im Neuen Testament "Romfa" in der Apostelgeschichte (Apg 7,43). Und eben dieser Saturn stand auch noch im Sternbild Fische, dem himmlischen Entsprechungsort des Landes Israel. Für die babylonischen Astronomen war es also durchaus klar: Jetzt ist in Palästina ein neuer König geboren und Babylons König sollte hingehen, um diesem neuen König zu huldigen.
Unsere Geschichte vom Ankommen der Weisen hat etwas Magisches und klingt fast wie ein Märchen. Dabei war so etwas in der Antike gar nicht so ungewöhnlich. Der römische Geschichtsschreiber Sueton, aber auch Tacitus und Dio Cassius berichten unabhängig von einem solchen Spektakel im Rom des Jahres 66 nach Christus. Nero war damals Kaiser und eine Abgesandtschaft von Magiern traf in Rom ein und überbrachte Geschenke, Grüße und Botschaften von Tiridates, dem König von Armenien.
Heinz Greuling
Weiter siehe Teil 2