Genetik, Manipulation, medizinischer Eingriff hin und her - am Ende geht es doch darum, Menschen die Weltraumfahrt zu ermöglichen, und zwar allen Menschen! Schließlich wollen wir Human Spaceflight betreiben und nicht Missionen fliegen, welche nur für manipulierte und medizinisch veränderte menschliche Wesen gangbar wären.
Wenn man es auf die Spitze treibt, wäre der ideale Astronaut nämlich ein Wesen, das nur noch entfernt mit dem Menschen verwandt wäre - sehen wir es ein - wir sind von unserer biologischen Ausstattung alles andere als für den Weltraum geeignet!
Der ideale Astronaut wäre aus Massegründen schonmal sehr klein. Irgendein Science Fiction-Autor, dessen Name mir gerade entfallen ist, hatte einmal die dystopische Idee von idealen Astronauten, deren Extremitäten amputiert wurden, um Masse zu sparen. Völlig absurd!
Darüber hinaus wäre der ideale Astronaut völlig emotionslos. Dies könnte man durch eine Kombination aus Neurochirurgie und Medikation erreichen. Die psychischen Gesichtspunkte stellen bei Langzeitmissionen schließlich ein sehr wichtiges Problemfeld dar, welches man so umgehen könnte.
Der ideale Astronaut würde auch keine Nahrung über den üblichen Weg, den Mund, aufnehmen, sondern über eine Magensonde mit Nährstoffen versorgt werden.
Knochenschwund? Die Knochen des idealen Astronauten wären zu einem guten Teil durch irgendein superleichtes, künstliches Material ersetzt. Vielleicht fügt man noch künstliche Muskeln hinzu, um das Gewicht für Trainigsgeräte und die Zeit für Wichtigeres zu sparen?
Die Aufzählung der verschiedenen, "optimierbaren" Aspekte ließe sich noch eine Weile fortsetzen.
Wir sehen also: Treibt man es auf die Spitze, wäre der ideale menschliche Raumfahrer in vielerlei Hinsich recht entmenschlicht. Er wäre ein zwar intelligentes, aber emotionsloses Wesen, dessen Körper zu einem guten Teil aus nichtbiologischem Material bestünde und nur noch einen geringen Teil der Bedürfnisse hätte, die den menschlichen Körper definieren. Daran gekoppelte notwendige Aktivitäten von nicht zu unterschätzender kultureller Bedeutung, wie das Essen, gingen verloren. Ohne eine emotionale Seite, die den mitfliegenden Raumfahrern gegenüber Gefühle wie Hass oder Liebe - beides wohl missionsgefährdende Zustände - ermöglicht, empfände der Raumfahrer wohl auch nicht viel beim Anblick eines Saturnaufgangs auf Titan.
Wenn es also Missionen gibt, die es nur solchen oder ähnlichen Raumfahrern das Raumfahren ermöglichen, wird es schwer von Human Spaceflight zu sprechen und man müsste sich eingestehen, dass wir bemannte Raumfahrt eigentlich noch nicht können.
Das ganze hängt auch ein wenig mit der Sinnfrage zusammen: Warum wollen wir überhaupt bemannte Raumfahrt, obwohl die Maschinen doch viel besser dazu geeignet sind, ja sogar dafür gemacht sind? Die einzige Antwort darauf ist, dass wir den Bereich der menschlichen Existenz über den Planeten Erde hinaus ausdehnen wollen. Wenn uns das nur gelingt, in dem wir das, was uns zu Menschen macht, aufgeben, haben wir die Aufgabe verfehlt.
Konkret bedeutet das für mich, dass das große Ziel der bemannten Raumfahrt sein muss, das Raumfahren möglichst allen Menschen zu ermöglichen, ob groß oder klein, ob mit dicken oder dünnen Knochen etc.
Für erste, neue Horizonte ermöglichende Missionen ist es allerdings keine Frage, dass man die raumfahrenden Pioniere nach pragmatischen Gesichtspunkten mit Hinblick auf Psyche und Physis auswählt. Solange man das oben ausgeführte Ziel nicht aus den Augen verliert, sehe ich darin kein Problem.
Mein Punkt ist: Wir sollten nicht daran arbeiten, den Menschen für die Raumfahrt zu optimieren, sondern die Raumfahrt für den Menschen!
Nächtliche Grüße,
Timo