Jetzt habe ich schon zweimal angesetzt, meine Gedanken zum Ende des „Constellation“ Programms hier zu formulieren. Habe jedes Mal abgebrochen, weil mir mein Post beim durchlesen als zu emotional erschien. Aber ein bisschen Dampf ablassen muss ich wohl doch…
Also, ich bin jetzt 42 Jahre alt und wollte einmal 100 Jahre alt werden. Hatte die Vision, im Seniorenheim zu sitzen und die ersten Raumfahrer in den „Valles Marineris“ herumklettern zu sehen. Quasi mit ihren Augen die Wunder des Mars zu sehen. Wissenschaftlich vermutlich vollkommen irrelevant, emotional aber ein Bild, das eine Generation prägen könnte, wie die ersten Apollo Bilder von der Mondoberfläche.
Die 50er und 60er Jahre waren Jahrzehnte des Aufbruchs. Gewaltige Fortschritte in Wissenschaft und Technik. Nichts schien unmöglich. Wenn eine Rakete einen Sprengkopf über 10.000 km transportieren kann, dann doch wohl auch einen Menschen ins All?! Also packen wir es an! Zum Mond? Warum nicht! Nächstes Ziel Mars…
Klar war das nicht unerheblich vom Wettlauf zweier Großmächte angetrieben. Aber die Begeisterung der Menschen war echt. Menschen in aller Welt haben aus tiefstem Herzen mit den Raumfahrern mitgefiebert. In einigen Städten haben die Leute jede verfügbare Lampe eingeschaltet, damit die Astronauten den Lichtschein sehen konnten. Selbst Aborigines waren begeistert.
Und heute? Wir wissen zwar, dass wir unseren Planeten zugrunde richten, wollen aber nichts daran ändern. Im Vordergrund steht überall eine kurzfristige Gewinnmaximierung. Langfristige Strategien? Fehlanzeige! Leider ist Raumfahrt aber nun mal eine langfristige Angelegenheit. Vielleicht war es ja ein Glücksfall, dass Präsident Johnson sich nicht aus der Verantwortung stehlen konnte und Kennedys Vermächtnis fortführen musste. Damit hatte das Apollo Programm eine politische Unterstützung, die gerade eben lange genug anhielt, die gesteckten Ziele zu verwirklichen. Danach kamen die Jahrzehnte der Studien. Das Shuttle Programm konnte eben noch gerettet werden durch das Interesse des Militärs. Allerdings mit der Konsequenz, dass es sich weit von den ursprünglichen Zielen entfernte. Die ISS kam nur durch einen glücklichen und mit Sicherheit einmaligen Umstand der Geschichte zustande. Ob sich die wiedererstarkte russische Raumfahrt nochmal auf einen solchen Deal einlässt, halte ich für fraglich.
Nun wird „Constellation“, das erste Großprojekt, das sich tatsächlich der Realisierung näherte, also eingestampft. Die NASA, also der US Steuerzahler, wird zukünftig viel Geld für Studien und die Entwicklung neuer Technologien ausgeben. Sollte damit Geld zu verdienen sein, materialisiert sich das Ganze vielleicht bei einem der Raumfahrtkonzerne. Eben jene Konzerne, die auf dem Sektor des kommerziellen Satellitentransports z.Z. nicht mit Europa, Russland oder China mithalten können. Die Trägerindustrie hängt am Tropf des Militärs. SpaceX muss aus meiner Sicht erst noch beweisen, dass sie das Rad (die Rakete) neu erfinden können. Momentan sieht es für mich nicht danach aus.
Und dann konzentriert sich das kommerzielle Geschäft im Moment auf die ISS. Die soll bis 2020, vielleicht auch noch bis 2025 in Betrieb gehalten werden. Dabei haben die ersten Systeme bereits jetzt ihre Garantielebensdauer erreicht. Die Zukunft der ISS wird in 5 bis 10 Jahren den letzten Jahren der Mir ähneln (Stichworte: „zugemüllt“, „Schimmel“, „Stromausfall“ etc.). Soll das die Zukunft der bemannten Raumfahrt sein, nur weil uns nichts Besseres einfällt?!
Kann sich eigentlich noch jemand daran erinnern, wie viele Jahre es gedauert hat, bis aus den ersten Studien („Alpha“) und Modellen eine handfeste Raumstation wurde? Wenn wir einen ISS Nachfolger haben wollen, müssen wir jetzt damit beginnen! Stattdessen schicken wir das Shuttle als Schwerlastträger aufs Altenteil. Ähnliches droht der Proton, deren Nachfolger Angara sich ebenfalls immer weiter verzögert. Und ob die Angara auch zum echten Schwerlastträger entwickelt wird oder nur für kommerzielle Starts auf den GEO optimiert wird, werden wir auch noch sehen.
Was ich nach 2020 sehe, sind Touristenflüge von vielleicht einigen Tagen, bestenfalls zu einer Mini-Raumstation (Bigelow?). Wenn China im bisherigen Tempo weitermacht, sind die auch nicht so schnell auf dem Mond. Bisher haben die Chinesen zwar gute Arbeit geleistet. Ihr Shenzhou ist aber ganz bestimmt kein Mond-Raumschiff. Und Routine sind ihre bemannten Flüge schon gar nicht. Alle paar Jahre ein neuer Schritt. Wenn sie mal ihre eigene Raumstation haben, geht es vielleicht allmählich voran. Aber selbst in den 80er Jahren waren z.B. Außenbordaktivitäten durch Kosmonauten noch ein seltenes und besonderes Ereignis. Erst mit der ISS wurden komplexe EVAs „Routine“ (auch hier wird in den nächsten Jahren viel know-how verlorengehen). Indiens Raumfahrt sehe ich noch weiter abgeschlagen. Das Land hat tolle Erfolge erzielt. Mit der PSLV verfügen die Inder über eine robuste Rakete. Doch schon die GSLV ist ein Sorgenkind. Der kryogene Antrieb der Endstufe scheint an die Grenzen der beherrschbaren Technologie zu gehen. Das Projekt hängt Jahre hinter dem Zeitplan. Bis man also einen man-rated Träger für ein bemanntes Raumschiff hat, wird deutlich mehr Zeit vergehen als man braucht, um ein paar hübsche Powerpoint Folien zu erstellen. Wenig verwunderlich, dass auch das indische Raumschiff zunächst auf der russischen Sojus basieren soll. Also werden wir in 10 Jahren 2 oder 3 Raumschiffe mit Sojus Technologie haben (Russland hat dann vielleicht einen Nachfolger am Start). In den USA gibt es ein oder zwei kommerzielle bemannte Systeme für den LEO. Der ESA traue ich nicht zu, die erforderliche Finanzierung auf die Beine zu stellen, um das ATV für bemannte Flüge tauglich zu machen. Und in 10 Jahren klappt die Umsetzung schon gar nicht. Japans JAXA ist derart klamm, dass es dort wohl auch bei Powerpoint bleibt.
Fazit: Es wird wohl auch in 10, 15 Jahren noch bemannte Raumfahrt geben. Wenig inspiriert und wenig innovativ. Entweder stark auf eine kommerzielle Nutzung orientiert (wie sieben Astronauten im Raumanzug in eine „Dragon“ Kapsel passen sollen, erschließt sich mir noch immer nicht) oder als minimalistisches „wir können es auch“ Projekt (Indien, China). Ob Russland in 10 Jahren wieder an einer nationalen Mir-2 bastelt, kann ich schwer abschätzen. Aber ich glaube, dass dort die Begeisterung für die (bemannte) Raumfahrt immer noch groß genug ist, um diese am Laufen zu halten.
Positiv an der Entwicklung ist, dass wir in 10 bis 15 Jahren wohl mehr potente Partner für ein Raumfahrt-Großprojekt wie die Marslandung haben werden. Technologisch (mal abgesehen von der Computertechnik und tollen HeadUp-Displays) aber auf dem Niveau der 60er/70er Jahre. Nur das damals die Technik häufig noch nicht reif war, die Ideen der Raumfahrtingenieure umzusetzen. Kosmonauten und Astronauten waren dennoch bereits, sich den kaum erprobten Raumfahrzeugen anzuvertrauen. Heute (und wohl erst recht in 10 Jahren) haben wir das technische Potential, es kann sich aber kein Politiker aufraffen, das passende visionäre Ziel zu formulieren. Das ausgerechnet der „yes we can“ Präsident Obama eine so uninspirierte Entscheidung trifft, stimmt schon traurig.