Zunächst einmal eine kleine Korrektur. Michael Sheetz hat nicht Peter Beck interviewt, es gab gestern Abend einen "Media Call" mit ihm, bei dem zahlreiche Pressevertreter involvoert waren. Tatsächlich waren die Schilderungen Becks auch deutlich umfassender als von mir gestern Abend umrissen, weswegen ich jetzt hier nochmal alles zusammenbringen möchte, was ich bis jetzt in Erfahrung bringen konnte.
Zum Verlauf des Bergungsversuchs:Wie schon geschrieben war der Versuch ein kompletter Erfolg, angesichts dessen, wie die Stufe aussieht, ist man sich jetzt ziemlich sicher, dass man aus der Electron eine wiederverwendbare Rakete machen kann. Die Stufe hat sich gut orientiert und die Erhitzung gesteuert, bevor bei Mach 2 die Pilotfallschirme und Bergungssysteme aktiviert wurden. Der Bremsschirm bremste die Stufe daraufhin herunter, bis sich die Hauptfallschirme öffneten. Die Wasserung erfolgte bei 9 Metern pro Sekunde, womit man etwas langsamer war als erwartet.
Die Stufe wasserte genau dort, wo man es erwartet hatte, zu ihrem Pech leider in einem Gebiet mit fünf Meter hohen Wellen. Der deftige Seegang führte wohl selbst beim Bergungsschiff zu einigen Schäden, auch die Erststufe bekam etwas ab. Der Booster soll nun zurück in die Fabrik gebracht und zerlegt werden, um den Prozess der Komponentenqualifizierung für den Wiederflug zu beginnen. Beginnend mit nächstem Jahr möchte man zunächst einzelne Komponenten (auch aus der jetzt geborgenen Stufe) wiederverwenden, bevor man sich an eine komplette Erststufe wagt. Was man jetzt schon weiß ist, dass der Hitzeschild besser werden muss. Er hat sich zwar besser geschlagen als erwartet (man wusste vorher nicht genau, wieviel Hitze es würde aufnehmen müssen), muss jetzt aber noch deutlich verbessert werden. Auch in den Powerpacks sah es ziemlich heftig aus, was aber auch erwartet worden war. Auch dass die Triebwerke von diesem Flug nicht wiederverwendet werden steht jetzt schon fest.
Bei zukünftigen Tests soll die Technik noch einige Iterationen durchmachen, man würde zwar gerne nächstes Jahr bereits einen Booster zum zweiten mal starten, will sich aber auf keinen Zeitplan festlegen. Auch die Bergung mittels Hubschrauber soll erst dann erfolgen, wenn man sich bei der Technik komplett sicher ist und die Dynamik des Wiedereintritts vollständig beherrscht.
Die wiederverwendbare ElectronDas zur Bergung nötige Equipment wird die Nutzlast um 15 bis 20 Kilogramm reduzieren und wird größtenteils in der Interstage verbaut werden. Man plant, wiederverwendbare und nicht-wiederverwendbare Stufen parallel zu verwenden (und fertigen), wobei die für die Bergung nötigen Änderungen außerhalb der Interstage (z.B. Hitzeschild) an allen Stufen beibehalten werden soll. Man betont zwar weiterhin, dass man Wiederverwendung nur plane, um die Flugkadenz zu erhöhen, ohne die Fabrik ausbauen zu müssen aber jetzt, da bewiesen ist, dass die Erststufe wiederverwendbar zu machen ist, denken sie auch darüber nach, inwieweit es die Kosten reduziert, wenn sich die nötigen Arbeiten zur Aufbereitung auf ein Minimum begrenzen lassen.
Ein zukünftiger Start wird dann so verlaufen, dass im Landegebiet ein Schiff mit einem Hubscharauber an Bord vor Ort sein wird, der gleichzeitig mit der Rakete startet. Während des Wiedereintritts wird die Erststufe dann in Echtzeit Telemetriedaten übertragen, woraus sich ein stetig aktualisierender (hypothetischer) Einschlagspunkt ergibt. Anhand dieser Daten wird der Hubschrauber anfliegen und die Stufe einfangen. Sollten die Bergungssysteme in der Rakete versagen, gibt es demzufolge keine Telemetrie und der Hubschrauber (und seine Crew) ist sicher.
Ob der Hubschrauber anschließend die Stufe auf dem Schiff vom Haken lässt oder direkt an Land konnte ich bisher leider nicht in Erfahrung bringen, ich vermute allerdings eher ersteres.
Meine Quelle: (gespickt mit vielen weiteren Fakten, die ich hier jetzt allerdings nicht mit reingenommen habe, um es etwas zu begrenzen):
https://twitter.com/ChrisG_NSF/status/1330917380889980929So wie das momentan klingt, hat man erfolgreich bewiesen, dass das System funktioniert und ein gutes Konzept, um es in zukünftig umzusetzten. Mich hat zudem verblüfft, wie wenig Nutzlast man hierdurch verliert. Ich erwarte definitiv, dass auch andere Mitbewerber auf dem Markt der kleinen Trägerraketen in nicht allzu ferner Zukunft ebenfalls damit beginnen werden, mit Fallschirmen zu experimentieren. Bis jetzt sehen die Resultate nämlich sehr vielversprechend aus...