Einer der Gründe wieso die NASA Commercial Crew macht ist auch einem kommerziellen Markt der bemannten Raumfahrt auf die Beine zu helfen. Ähnlich wie die Airline-Industrie in ihren Anfangsjahren von Staaten wesentlich gestützt wurden. Man hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass dies die Vision der NASA hinter dem Programm ist. Wieso die NASA das macht? Weil am Ende so auch (verhältnismäßig) günstige Preise für den bemannten LEO-Flug herauskommen. Die Preise gehen dann nicht ins unermessliche, wenn es einen Wettbewerb zwischen Anbietern gibt.
Einen einzelnen Anbieter auszuwählen und ihn auch ausschließlich zu nutzen würde die ganze Motivation hinter dem Programm ad absurdum führen.
Boeing ist ein Konzern, der wie jeder Konzern seinen Aktionären und nicht einem verträumten Chef verpflichtet ist. Die können nicht zig Millionen in ein Projekt stecken, bei dem vielleicht nichts rauskommt. Bemannte Raumfahrt ist so ein Projekt. Aktuell ist es schon schwer genug, mit einem Träger Geld zu verdienen, mit einer bemannten Raumkapsel ist es aber absolut unmöglich. Solange die NASA zahlt, entwickelt man weiter, aber keine Minute länger.
Das ist unterschied zwischen 08/15-Unternehmensführung und Visionären. Buchhalter haben noch nie die Welt verändert. Träumer / Visionäre schon. Da können wir für Beispiel Elon Musk sogar außen vor lassen, es gibt massenhaft Beispiele bei denen die Visionäre für die "Gamechanger" verantwortlich waren.
Um ernsthaft langfristig einen Massenmarkt für sagen wir mal tausende LEO-Passagiere zu schaffen ist viel Mut und Aufwand nötig. Sowas werden wir mit diesen kommerziellen Raumschiffen der ersten Generation (Dragon, CST-100, DreamChaser) sicher noch nicht erleben. Aber sie sind nötige erste Schritte. Vergleiche dies mit den ersten Verkehrsflugzeugen. Dragon und Co sind das Pendant der Junker Ju 52 oder Douglas DC-3. LEO-Massencarrier wird es wahrscheinlich erst in einigen Jahrzehnten geben, aber dazu muss auch erstmal ein erster Schritt gemacht werden
und dies geschieht genau jetzt mit Commercial Crew.Die Erfahrung und das Potential wird den Unternehmen den nötigen Mut verschaffen selbstständig weitere Modelle und Möglichkeiten wahrzunehmen.
Die Airline-Industrie war in ihren ersten Jahren-/Jahrzehnten auch alles andere als ein Geschäft großer Gewinne aus dem Stand heraus.
Bei Boeing kann man sich recht sicher sein, die haben jahrzehntelange Erfahrung beim Bau von bemannten Raumfahrzeugen.
Boeings jahrzehntelange Erfahrung im Bau von Raumfahrzeugen ist schon längst in Rente oder im Jenseits. Klar, es gibt Archive und Dokumente, aber auf die hat jeder der CC-Teilnehmer Zugriff. Die entwickelten Raumschiffe waren NASA-Eigentum, auch hinsichtlich des intellektuellen Eigentums. Entsprechend dürfte alles was sich im Boeing-Archive findet, auch im NASA-Archiv finden. Von diesen Zugriff haben übrigens alle drei Teilnehmer in etwa gleich viel gebrauch gemacht. Es gab da in einer Präsentation mal eine schöne Grafik aus welchen bisherigen Programm wie viele Patente und Unterlagen von wem angefordert wurden. Da hat selbst Boeing auf Unterlagen von STS und Apollo zugegriffen, obwohl sie das eigentlich im eigenen Archiv haben müssten.
Ich streite Boeing die ingenieursseitige Kompetenz nicht ab, aber dass vor 40 Jahren das Shuttle und vor 50 Jahren Apollo in den Vorgängerfirmen gebaut wurden, hat heute keinen sonderlichen Effekt auf CST-100. Man hat ja seit den 80ern kein bemanntes Raumschiff mehr ausgeliefert. Die Rockwell-Fabrik in Downey (Geburtsstätte der Shuttles) ist bis vor kurzem als Filmstudio genutzt worden und ist dabei abgerissen zu werden. Die Mitarbeiter sind ebenfalls (zumindest größtenteils) nicht mehr im Unternehmen. Ihre Nachfolger haben diese Erfahrungen auch nicht zwingend mit auf dem Weg bekommen: Wie denn wenn keine bemannten Raumschiffe mehr hergestellt werden?
Seit den 80ern hat Boeing höchstens beim Betrieb der Shuttle-Flotte mitgewirkt. Vom Entwicklung und Bau eines bemannten Raumschiffs kann man da bei weitem nicht sprechen.
Auch wenn es dich schockiert: So weit sind SpaceX, Boeing und SNC sich beim Faktor "Erfahrung von Bau & Entwicklung bemannter Raumschiffe" nicht voneinander entfernt
Den Auftrag für Orion hat die NASA ja schließlich auch an Lockheed Martin vergeben. Die haben bis heute kein einziges bemanntes Raumschiff gebaut.
Falcon 9 und Dragon sind ja gut und schön, technisch aber zum großen Teil auf dem Stand der 60er Jahre. Vor allem sind sie so billig wie möglich entwickelt und außer SpaceX ist wohl kaum jemand der Ansicht, das die Falcon 9 für bemannte Missionen geeignet ist.
Die Aussage (Stand der 60er) halte ich für extrem gewagt. Immerhin haben F9 und Dragon einige Ansätze, die deutliche operationelle Verbesserungen und Einsparungen bringen dürften. CST-100 ist von den drei Teilnehmerentwürfen, der mit Abstand konservativste: Kommandokapsel angelehnt an Apollo, Wegwerf-Servicemodul, Wegwerf-LAS. Die 60er-Jahre-Aussage würde zu CST-100 besser passen...
Und wo sagte jemand der NASA mal explizit dass die F9 für bemannte Missionen nichts taugt?
Bei der Entwicklung der Atlas V hatte man übrigens nie einen bemannten Start im Sinn. Entsprechend muss jetzt Nacharbeit am Entwurf gemacht werden. Das Emergency Detection System (EDS) ist da so ein großer Eingriff, der entsprechend auch große Eingriffe in die Elektronik nötig macht. Ebenso muss die Flugsoftware geändert werden, da CST-100 wie auch DreamChaser die Aerodynamik erheblich verändern. Bisher flog man ja immer mit den bekannten Fairings, die aerodynamisch ziemlich risikoarm sein dürften. DreamChaser fliegt darüber hinaus eine Version, die bisher noch nicht geflogen ist (Centaur-Oberstufe mit zwei Triebwerken u.a.).