Hi-Tec: Shuttles flicken mit der Wal-Mart-Bürste

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kmb

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Hi-Tec: Shuttles flicken mit der Wal-Mart-Bürste
« am: 12. Oktober 2003, 11:29:03 »
Um defekte Hitzeschutzkacheln am Shuttle im Orbit zu flicken hat die NASA zwar inzwischen einen Zwei-Komponentenkleber gefunden, aber die Anbringung bereitete Probleme:

---- Zitat:
Zum Missvergnügen der Ingenieure aber blieben alle ihre Hightech-Werkzeuge im Kleber hängen oder hinterließen eine klumpige Pampe. Nach Tests mit einer ganzen Reihe von hoch entwickelten Gerätschaften seien seine Experten dann auf etwas gestoßen, was O'Keefe ein "elegantes Stück ausgeklügelter Hardware" nannte: die Schaumstoffbürste mit Holzgriff.
---- Zitat Ende.

Dieses Teil gibts für 49 bzw. 99 US-Cent bei Wal-Mart.Und weiter:
---- Zitat:
[...] sagt der Leiter der Weltraumbehörde, der US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nicht besonders viel zuzutrauen scheint. "Wir werden die Bürsten bei Wal-Mart kaufen und nicht das Verteidigungsministerium um die Beschaffung bitten", betonte O'Keefe.
---- Zitat Ende

Quelle: http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltraum/0,1518,269168,00.html

Vielleiicht sollten sie mal genau nachsehen, welche Komponenten sie noch aus Bau- und Supermärkten kaufen können - dann klappts vielleicht auch mit dem Budget :-)

Kai

Felix_Korsch

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Re: Hi-Tec: Shuttles flicken mit der Wal-Mart-Bürs
« Antwort #1 am: 12. Oktober 2003, 11:44:54 »
Naja, die NASA kauft ja schon lange alte Z80-Chips unter anderem über eBay auf. Warum denn auch das Rad zweimal erfinden.

Andererseits: solche Medienartikel sind einfach schwachsinnig. 8)

kmb

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Re: Hi-Tec: Shuttles flicken mit der Wal-Mart-Bürs
« Antwort #2 am: 12. Oktober 2003, 14:15:46 »
Dieses Aufkaufen der alten Chips ist meines Erachtens eine Lachnummer allererster Kajüte, gerade weil es in vielen Fällen wohl um nicht-fliegende Technik geht, also nix was irgendwelchen aussergewöhnlichen Belastungen ausgesetzt wäre. Mit anderen Worten: Bodenstationen. Das Signal ist: Wir entwickeln nix neues, dieses Programm bleibt auf dem Stand Ende 70er.

Andererseits finde ich es durchaus nicht zum lachen, in "gewöhnlicher" Alltagstechnik flugtaugliche Lösungen zu finden und damit erstens Kosten zu sparen und zweitens den Mythos "Raumfahrttechnik" ein wenig in die reale Welt zu holen. Meiner Ansicht nach ist vieles, was zu Zeiten des ersten Shuttle-Fluges noch High-Tech und Sonderentwicklung war, heutzutage wortwörtlich im Baumarkt zu kriegen, von den Entwicklungen in der IT und Steuerungstechnik mal ganz zu schweigen. Wenn ich mir das Equipment im Shuttle angucke kriege ich vor lauter Kopfschütteln nen Schleudertrauma.

Was die Raumfahrt-F&E angeht, kann ich mir das auch nur so erklären wie Robert Zubrin es im Spiegel-Interview beschreibt [1]:

---- Zitat:
Im Lauf ihrer Geschichte hat die Nasa zwei unterschiedliche Ansätze verfolgt. Den einen nenne ich den Apollo-Modus, der im Wesentlichen von 1961 bis 1973 vorgeherrscht hat. Der andere ist der Shuttle-Modus, der seitdem das Handeln bestimmt. Der Apollo-Modus funktioniert folgendermaßen: Sie entscheiden, wohin Sie wollen. Sie entwickeln einen Plan, wie Sie dorthin kommen. Sie entwerfen die dafür erforderliche Hardware, bauen sie und fliegen die Mission. Im Shuttle-Modus gibt es dagegen verschiedene Interessengruppen, die Vorschläge zur Entwicklung von Technologien und Hardware machen. Je nachdem, wie durchsetzungsfähig sie sind, entsteht so eine Zufallsauswahl unterschiedlicher Technologien.
[...] Der Shuttle-Modus ist eine Ad-Hoc-Vorgehensweise, chaotisch und zufällig, die keinen Fortschritt bringt.
---- Zitat Ende

Es ist das Problem der fehlenden Ziele und Visionen. Statt zielorientierter Entwicklung werden in - übergreifend betrachtet - zielloser und weitgehend zweckfreier Forschung mithilfe staatlicher Gelder tiefe Bretter gebohrt und der Mythos der "teuren Hochtechnologie" gepflegt. Es lohnt sich auch für Forscher nicht, vorhandene Technologie zu _verwenden_ um etwas zu _erreichen_, sondern man muss was neues _entwickeln_, um Gelder zu bekommen.

In jedem Auto der oberen Mittelklasse steckt heute mehr Materialwissenschaft, Physik, Fertigungstechnik und IT als damals im gesamten Saturn/Apollo/Eagle-System. Zubrin zum Thema Marsflug: "Wir wissen, wie all das gebaut werden kann. Wir müssen es nur tun."

Kai

[1] http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltraum/0,1518,268006,00.html
« Letzte Änderung: 12. Oktober 2003, 14:30:48 von kmb »

hesaenger

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Re: Hi-Tec: Shuttles flicken mit der Wal-Mart-Bürs
« Antwort #3 am: 12. Oktober 2003, 20:03:37 »
Zitat


In jedem Auto der oberen Mittelklasse steckt heute mehr Materialwissenschaft, Physik, Fertigungstechnik und IT als damals im gesamten Saturn/Apollo/Eagle-System. Zubrin zum Thema Marsflug: "Wir wissen, wie all das gebaut werden kann. Wir müssen es nur tun."

Kai





Hallo,

da kommen schon noch ein paar Aspekte dazu. Raumfahrtausrüstung muß funktionieren! Das heißt, jedes Detail das nicht wirklich gebraucht wird, wird besser weg gelassen. Also nimmt man klassische Kippschalter statt clapcoms usw.usw. Dazu kostet das Qualifizieren von Hardware für die bemannte Raumfahrt vielleicht 1 Mio. pro Kilogramm.
Natürlich wäre es besser Akkus aus dem Baumarkt zu verwenden, anstatt irgendwelcher Sonderentwicklungen. Wenn's funktioniert. Nur, die Elektronik eines Autos von 1980 würde funktionieren, die von 2003 nicht. Dabei denke ich nicht an den Pannenreport sondern an die Auslegung der Schaltkreise, ganz abgesehen das viele aktuelle Elektronik wegen des Kostendrucks nicht ausgetestet wird weil eben viele aktuelle Entwicklungen mit den Marktpreisen gar nicht wirklich realisierbar sind.
Also fliege ich lieber mit einem Youngtimer, bevor ich den ADAC in 400 km Höhe oder gar auf den Mond bestelle. ;-)

kmb

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Re: Hi-Tec: Shuttles flicken mit der Wal-Mart-Bürs
« Antwort #4 am: 13. Oktober 2003, 02:12:52 »
Die heutige Technik würde nicht funktionieren? Hm. Sind die Motorsteuerungen, die Antiblockier-, Antischlupf- und Seitenstabilisierungssysteme wirklich anfälliger als zum Beispiel die VME-Bus-SPARC-Rechner, die im Envisat stecken? Warum? Und schau mal, was heutzutage in der Automatisierungstechnik Standard ist an Stabilität, Leistung und Verfügbarkeit. Ich kann Dir da gerne ein paar Beispiele geben. Ich wüsste nicht, warum mich "Raumfahrttechnik" gross beeindrucken sollte.

Und was übrigens das Thema Akkus angeht: Wenn ich mich nicht sehr täusche, waren die Akkus im BremSat (siehe "die überflüssige Ausstellung") tatsächlich Standardprodukte, ebenso wie die Verkabelung, die Stecker, etc. Die finde ich alle im aktuellen A+B Katalog. Es würde mich auch wirklich wundern, wenn heutige Industrietechnik nicht mit dem technologischen Stand der 60er/70er mithalten könnte, wie er bei Apollo und Shuttle eingesetzt wird. Die Dinger sind immerhin auch geflogen, ganz ohne CE-Zeichen...

Kai

hesaenger

  • Gast
Re: Hi-Tec: Shuttles flicken mit der Wal-Mart-Bürs
« Antwort #5 am: 13. Oktober 2003, 06:29:51 »
Zitat
Die heutige Technik würde nicht funktionieren?
Kai


Hallo,

aktuelle Schaltkreise sind so dicht gepackt, daß sie unter kosmischem Teilchenbeschuss nach einiger Zeit kurzgeschlossen oder unterbrochen wären - auch unter 1000 km höhe, wo der innerste van Allen-Gürtel beginnt. Alles was keinen Steuerchip hat und den mechanischen Ansprüchen genügte, kann aber funktionieren, also auch ein einfacher Akku. Zudem muß alles Redundant sein. Wieder ein Problem für viele aktuelle kommerzielle Regelkreise.