Materialfrage...

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rolli

  • Gast
Materialfrage...
« am: 18. April 2006, 20:08:23 »
Da habe ich doch einen sehr interessanten Beitrag von Bernd * gelesen und kann nicht umhin, in hier in voller Länge zu zeigen:

Re: materialkunde
geschrieben von: Bernd
Datum: 18. April 2006

Hallo!

Vielleicht sollte man mal klären, was sich in dem Ingenieurswesen seit den 60er Jahren so Tolles und Neues geschehen ist:

Nein, es gibt keine neuen Supermaterialien seit dieser Zeit.
Alle Metalle und alle wichtigen Legierungen waren bekannt. Es gibt nur eine endliche Zahl an chemischen Elementen, die vom Menschen nutzbar sind und jeder kann sie sich in seinem Chemiebuch aus der Schulzeit die Periodentabelle gerne ansehen. Alle Elemente über Plutonium (Nummer 94 im Periodensystem) sind für die Technik relativ belanglos.

Nein, man kann nicht einfach bestimmte Metalle zu Legierungen zusammenschmelzen und man erhält eine neue Superlegierung, die 10 mal härter, elastischer, leichter oder strahlungsundurchlässiger ist. So funktioniert das nicht. Ausserdem hat man seit den etwa 5000 Jahren Verhütungswesen praktisch alle Legierungen aus den Erzen gewonnen. Man kann aber aus physikalischen Überlegungen meist sogar die Eigenschaften der Legierungen vorhersagen und gezielt danach suchen. Das konnte man auch schon in den 60er Jahren.

Alle technisch relevanten Kunststoffe waren in den 60er bekannt. Sogar Kohlenstofffaser gab es seit 1955 (Quelle: Wikipedia).
Keramik (zum Beispiel die Kacheln der Raumfähre) gab es auch schon. Es ist sogar eines der ältesten Materialien, die die Menschheit künstlich hergestellt haben.

Mit anderen Worten: auch in den den 60er Jahren waren alle notwendigen Materialien bekannt. Und in der Hightech-Anwendung Weltraum-Rakete auch eingebaut, wenn es die Konstrukteure es für notwendig hielten. Auch für den Strahlenschutz.

Neben der Anwendung der Materialien ist das 2. große Arbeitsgebiet der Ingenieure das Berechnen. Das konnte man schon vor 100 Jahren. Sonst würde es keinen Eifelturm oder keine moderne Brücke geben. Der Trick war, dass man bis in die 50er Jahre menschliche Rechner einsetze und Methoden benutze, die das Rechnen einfach hielten. Zum Beispiel die Stabwerktechnik. Darum ist der Eifelturm und viele Brücken aus der Zeit eiseren Fachwerkkonstruktionen. Und ab den 40er Jahren benutzte man elektronische Computer und keine Rechensaal voller Menschen.

Heutzutage benutzt man dieselben Rechentechniken auf Computern. Nur verfeinert und statt mit 100 Stabewerke mit z.B. 1000000 finite Elemente, die im Prinzip nur Stabwerke sind und die Oberfläche aufspannen. Bei Computerspielen nennt das auch Polygone. Und seid versichert, auch ein modernes Computerspiel könnte von Menschen berechnet werden. Es würde nur langsam sein und ein paar Milliarden Menschen als Rechner brauchen. Ist nur eine Frage des Aufwandes, gelle  

Was hat sich seit damals wirklich verändert?
DIe Elektronik ist unglaublich geschrumpft. Und dadurch ist sie kleiner, schneller und billiger geworden. Als Folge wurde die Mechanik immer mehr durch Elektronik ersetzt. Und siehe da, darin war die moderen Raketentechnik seit Ende des 2. Weltkrieges ein wichtiger Vorreiter. Oder warum hatte die Saturnrakete eigene Bordcomputer für ihre einzelnen Stufen? Weil es schon damals erkannt wurde.

Und weil die Elektronik im kleiner und billiger wurde, konnte sie auch immer komplxer werden. Allerdings sind alle technisch sinnvollen Elektronik-Grundschaltungen seit mindestens 50 Jahre bekannt. Ein Mikorprozessor hat nur 100.000.000 von den Grundschaltungen. Nun ein Zuse kam mit 2200 Relais für seinen Rechner Z3 mit Gleitkommazahlenberechnung (alle 4 Grundrechenarten und Wurzelziehen), Pipeling, Mikroprogrammierung und nummerischen Sonderwerten (Zahl Unendlich) aus. Wobei die meisten Relais für die Registerspeicher benötigt wurde.

Es ist nur eine Frage der Kosten. Für Zuse waren Relais teuer. Für IC sind Widerstände und Kondensatoren Platzverschwender und somit teuer, und Spulen fast nicht möglich . Also ersetze soviel von den mit billigen da platzsparenden Transistoren. Ich habe mal ein tragbaren CD-Spieler repariert, dessen Verstärker aus über 40 diskreten Transistoren bestand. Vor 40 Jahren hätte man das nie gemacht, da wenige Transistoren billiger und sicherer wäre. Offensichtlich konnte es der Ingenieur nicht besser, da er mit IC arbeitet und diskrete Verstärker nicht kannte.

Wichtiger Hinweis für Nicht-Ingenieure:
Ein Ingenieur lernt in seinen Studium, wie man Probleme löst. Er nutzt dabei das ihm verfügbare Instrumentarium seines Wissen und Geräte. Es kann dabei durchaus eine kuriose Lösung herauskommen. Einzig und allein zählen hier die Kosten und der zeitliche und finanzielle Aufwand. Es kann billiger sein eine komplizierten Verstärker bauen zulassen, wenn ich dafür Werkzeuge, Kosten oder Zeit in der Entwicklung spare.

Frage: Aber mein Radio ist viel keiner geworden, oder?
Wenn man aber mal in die Musiktruhen der damaligen Zeit hineinsieht, so wird man feststellen, dass der überwiegende Innenraum nur Luft ist. Die Elektronik braucht nur wenig Platz. Es war der damalige Zeitgeschmack, den Käufern ein solides großes Gehäuse zugeben. Es gab aber auch Kofferradios und Transistorradios, die viel kleiner waren, allerdings nicht ganz so wie heute. Hier hat die Heimrelektronik von der Miniturisierung profitiert. Man schaue aber auch heute noch auf die Einzelkomponenten von Stereoanlagen usw. Also mein HiFi-Receiver besteht aus einem fetten Gehäuse mit viel Luft drinnen. Und mein Fernseher mit normaler Braunschen Röhre auch.

Und die vielen neuen elektronischen Geräte im Haushalt:
Alles nur konsequente Anwendung der Verkleinerung und Vervielfachung der Computertechnik sprich Halbleiterbauteile:
Beispiele: DVD, MP3, Videospielkonsolen Handy.
Hier die analogen Gegenstücke aus den 60er:
Laserplatte bzw Magnetaufzeichnung (MAZ, später als Videotechnik ab 70er Jahre im Konsumentenbereich).
Kassettenrekorder und Diktiergeräte (schon als , Schallplatte (Es gab schon damals tragbare Schallplattenspieler!)
Flipper, Geldspielautomaten,
Handfunkgeräte (Walkietalkie ist der Markenname von Motorola aus den 40er Jahren), Polizeifunk und Autotelefone sind schon verfügbar.

Und war ein Home-Computer in den 60er für Normalanwender möglich?
Ja! Zuse baute privat seinen ersten Computer in den 30er Jahren aus alten Telefonrelais.
Und es gab Ende der 60er den legendären Logikus von Kosmos. Wird jetzt noch immer bei EBAY verkauft (Beispiel hier).

Aber die haben fast keinen Speicher und sind langsam?
Mag sein, wenn man heutige Maßstäbe ansetzt. Aber die Rechner in den Raketen brauchten nur schnell genug und nur soviel Speicher besitzen wie nötig war. Und es waren häufig spezielle Neuentwicklungen und speziell für diese Aufgabe optimiert. Und wenn es nicht anders ging, wurde es analog hergestellt (fast alle russische Elektronik zu der Zeit, sogar das automatische Andocken der Sojuskapseln war analog) oder der Mensch wird miteingespannt (Amerikaner in dem Weltraumprogramm bis nach Apollo).

Was ich hier breit erklären wollte:

1. Alle Techniken für eine erfolgreiche Weltraummission war da (auch für die Mondlandung)

2. Es hing nur vom Aufwand ab.

3. Das man heute anders baut, heißt nicht, dass es damals nicht möglich war. Jede Generation Ingenieure hat ihre Werkzeuge genutzt.

4. Es gibt keine nennswerten Qualitätsprünge seit dem 2. Weltkrieg für Raketten. Es wird versucht, wie bei den Massenprodukten, die Konstruktion und Produktion kontinuierlich verbessern.

5. Da aber Raketen keine Massenprodukte wie Radios usw. sind und in den Anfangszeit der Raketentechnik viel Optimierung (großer Aufwand) geleistet wurde, wird es auch in der nahen bis mittleren Zukunft keine wesentlichen Leistungssteigerungen geben.

Ach ja, warum die starke Optimierung der Raketen von etwa 1930 bis 1960 (immerhin fast 30 Jahre! Solange wurde von der A1 bis zur Saturn gebraucht). Offensichtlich bewegen wir uns hier an der Grenze der Physik. Nur wenn alle Teile einer Raketen optimal zusammenarbeiten, kann ein relativ kleiner kleiner Anteil die Erde verlassen und ins Weltall gelangen. Hätte unsere Erdanziehungskraft einen deutlich größernen Wert, wir hätten es wahrscheinlich nicht geschafft.

Und die physikalische Grenze kann nicht ausgetrickst werden.

Das ist Physik und Politik!  

Tschüß
Bernd "

Danke Bernd, sehr bemerkenswert!

Kleine Ergänzung zur Werkstoffkunde:
Bei den Supraleitern hat sich einiges getan.
z.B. HgBa2Ca2Cu3O8+x, das eine Sprungtemperatur von 133Kelvin hat.
Es wird also schon bei -140°C supraleitend!
Das ist ein echter Fortschritt.
Bin gespannt was da noch kommt ...

Hier die Quelle:

http://forum.mysnip.de/read.php?6903,659889,660152#msg-660152

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« Letzte Änderung: 18. April 2006, 20:15:55 von rolli »

GG

  • Gast
Re: Materialfrage...
« Antwort #1 am: 19. April 2006, 18:02:17 »
Naja, da wurde doch einiges arg vereinfacht dargestellt. Es gibt schon gewaltige Fortschritte z.B. in der Werkstoffforschung und –anwendung: Metallschäume und metallische Gläser, Formgedächtnismetalle und -kunststoffe, Nanobeschichtungen, synthetische Mikrofasern, Mikromechanik, leuchtende, magnetische oder elektrisch leitfähige Polymere, vielfältige Anwendung von Klebetechniken statt Schrauben, Nieten oder Schweißen, Laserbearbeitung, Pulverpressmetalle, Sandwichverbundstoffe mit neuen Eigenschaften und Tixoformen.

Beispiel:

Das Osnabrücker Unternehmen Karman und das Fraunhofer-Institut Bremen haben eine Technologie zum Einsatz von Metallschäumen in der Automobilindustrie entwickelt. Dazu wird zunächst Aluminium mit einem speziellen Treibmittel vermischt und dann zwischen zwei Metallplatten gepresst. Dieses Metallsandwich lässt sich anschließend normal bearbeiten (bohren, fräsen, formen). Erst nach der Formgebung wird das Treibmittel durch Erwärmung aktiviert. Das Aluminiumpulver im Inneren des Sandwichs wird aufgeschäumt. Das Gesamtmaterial ist nur halb so schwer wie normaler Stahl aber zehnmal stabiler. Außerdem ist der Aluminiumschaum ein idealer Crashabsorber.
(Quelle: DLF - Forschung aktuell vom 09.02.1998)

Heutige Keramiken sind sogar mehrere Hundertmal fester als das, was man vor 50 Jahren unter Keramik verstand. Für die anderen genannten Bereiche ließe sich ebenfalls eine laaange Kette evolutionärer und revolutionärer Entwicklungen nennen.

GG
« Letzte Änderung: 19. April 2006, 18:03:34 von GG »

rolli

  • Gast
Re: Materialfrage...
« Antwort #2 am: 19. April 2006, 19:24:56 »
Hi GG

na klar hast Du recht.

Nur Bernd wollte einfach mal generell sagen, dass auch die heutigen Raketen immer noch nach dem gleichen Prinzip funktionieren wie vor 40 Jahren; noch konkreter: Der Fortschritt in der Raketentechnik ist eigentlich erstaunlich klein.

Wir müssen immer noch einen unglaublichen Aufwand betreiben, um auch nur ein Kilo Nutzlast in den Orbit oder instellare Flugbahn zu bringen.

Von eigentlicher Raumfahrt ist der Mensch praktisch immer noch gleichweit entfernt wie vor 45 Jahren :o

Aber langfristig tut sich ja schon was, Ionen, Antigrav, Sonnensegel, Plutonium..

 ;)

Re: Materialfrage...
« Antwort #3 am: 19. April 2006, 21:26:13 »
Zitat
ber langfristig tut sich ja schon was, Ionen, Antigrav, Sonnensegel, Plutonium..
Antigrav? Hört sich das nur so futuristisch an oder gib es tatsächlich schon Fortschritte bei der Erschaffung einer künstlichen Gravitation oder einer Technik, die der Gravitation entgegen wirkt? Hört sich jedenfalls interessant an ;)

rolli

  • Gast
Re: Materialfrage...
« Antwort #4 am: 20. April 2006, 09:51:06 »
Antigrav, na ja schon lange ein kleiner Wunschtraum vieler SF-Autoren.

Schon als Junge stellte ich mir immer ein kompaktes, rundes Raumschiff mit Antigrav-Antrieb vor: Man dreht einen Schalter (wie bei einer Lokomotive :)) langsam nach oben, die Erdschwerkraft unter dem Raumschiff wird reduziert und geht langsam ins Gegenteil, das heisst, die Erde stösst jetzt das Raumschiff ab. In der Fantasie und mit diesem grossen, runden Wunderschalter habe ich dann spielend Ausflüge ins gesamte Sonnensystem unternommen. Wenn man aus dem Anziehungsbereich der Erde weg ist, beginnt automatisch die Sonne als nächster "Antigrav-Schubmotor" zu wirken....

*Seufz*, eben ein Bubentraum

Langfristig (50-100 Jahren) wird man schon noch mit der Gravitation ins "Spiel" kommen, denke ich mal ::)

Beim googlen gefunden:

"Antigravitationsantrieb
Technik       -> Report in PR 2028 Nr.317

Fortbewegungssystem, bei dem durch Versetzen eines Raum- oder Luftfahrzeugs in den Zustand der Schwerelosigkeit, ein normales Rückstoßaggregat bei minimalem Aufwand maximale Wirkung erzielt. Beim Start von Planeten oder Monden ist zusätzlich eine Abstoßprojektion gegen die Schwerkraft des Himmelskörpers gerichteter Gravitationsenergie erforderlich. Der Antigravitationsantrieb ist nicht zum Erreichen relativistischer Geschwindigkeiten geeignet."

(Ich gestehe, dass ich den letzten Satz nicht ganz kapiere... :-/)
 
Hier noch nen Link:

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/13/13021/1.html

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« Letzte Änderung: 20. April 2006, 09:57:20 von rolli »

GG

  • Gast
Re: Materialfrage...
« Antwort #5 am: 20. April 2006, 11:50:56 »
Bei relativistischen Geschwindigkeiten, also Geschwindigkeiten in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit, kommt zur trägen Masse noch die relativistische Masse (spezielle Relativitätstheorie). Diese lässt sich wohl durch den Antigravitationseffekt nicht verringern.

Leider bin ich aber auch nur auf dem Stand des Heise-Artikels. Seitdem ist es doch recht ruhig um die Sache geworden. Was das wohl zu bedeuten hat?

GG

Gero_Schmidt

  • Gast
Re: Materialfrage...
« Antwort #6 am: 21. April 2006, 00:36:31 »
Es gibt ja auch die Theorie, dass die technologischen Grundlagen, über die wir heute verfügen bereits ausreichend sind, um damit 'ernshaft' Raumfahrt betreiben zu können. Wir müssen die gesamte Ausrüstung nur auf Simplizität und Kostenoptimierung trimmen. Genau diesen Ansatz verfolgen 'start-ups' wie SpaceX oder t/space. Ob es gelingt wird die Zeit zeigen...

rolli

  • Gast
Re: Materialfrage...
« Antwort #7 am: 29. April 2006, 10:15:46 »
Na sowas: Zufällig bin ich auf einen Link gestossen betreff "Antigrav". Da scheint sich schneller was anzubahnen als gedacht:

http://derstandard.at/?url=/?id=2424633

Das wäre natürlich DER Antrieb der Zukunft

 :o

tobi453

  • Gast
Re: Materialfrage...
« Antwort #8 am: 29. April 2006, 12:00:13 »

rolli

  • Gast
Re: Materialfrage...
« Antwort #9 am: 29. April 2006, 17:03:47 »
Hi tobi453

danke. Das ist halt so: Alle Welt spricht Englisch. Dass die ESA das auch tut, ist zwar schade, denn Deutsch wäre ja auch nicht schlecht.

Also grundsätzlich lese ich zuerst die deutschen Links, daher ist es mir entgangen, dass da schon früher über das Gleiche in Englisch geschrieben wurde

Na ja, doppelt gemoppelt...
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