Hallo,
die ESA-Mission "Exo-Mars" bestand ursprünglich aus einem einzigen Rover und einer dazugehörigen Landeplattform, welche den Mars zusammen für einen Zeitraum von sechs Monaten erkunden sollten. Im Laufe der Zeit wurde diese Mission immer weiter aufgebauscht. Neu gestellte Anforderungen erforderten weitere Instrumente usw. ( was das Ganze aber auch immer teurer machte ). Irgendwann in der Nähe der Eine-Milliarde-Euro-Grenze hat dann irgendwer die Reißleine gezogen und gesagt : Jetzt ist Schluss! Soundsoviel Euro und keinen Cent mehr!!! Als Konsequenz hat die ESA die NASA mit ins Boot geholt und in Absprache mit dieser die Mission komplett umstrukturiert.
Das Resultat waren jetzt zwei Rover ( einer von der ESA, einer von der NASA ), welche zusammen im Jahr 2018 starten und im Januar 2019 auf dem Mars landen sollten. Als Kommunikationsrelais für die Rover sollte zusätzlich noch ein Orbiter dienen, welcher ab dem Jahr 2016/ 2017 als "Zugabe" die Marsatmosphäre näher untersuchen sollte - der sogenannte "Mars Trace Gas Orbiter" ( kurz TGO ). Die NASA wollte für beide Missionen (Starts 2016 und 2018 ) die Trägerraketen stellen und zudem das Landesystem für die beiden Rover liefern. Dadurch wäre das ESA-Budget für diese Mission unter die besagte finanzielle Grenze gefallen. Zusätzlich hätte die NASA verschiedene von ihr bei vorherigen Missionen bereits erprobte Technologien in das Projekt eingebracht.
Soweit der ( in meinen Augen gute ) Plan... Das jetzt aktuelle Problem ist der ( finanzielle ) Rückzieher der Amerikaner, welche laut eigenen Aussagen nach der momentanen Haushaltslage der NASA keine Geldmittel für den Start im Jahr 2016 haben und zusätzlich auch nicht die Bereitstellung einer Trägerrakete für den 2018-Rover garantieren können. Durch den Wegfall der US-amerikanischen Trägersysteme steigen die Kosten für die Mission aber wieder deutlich über die vorgegebene "magische Grenze".
Ich war Anfang des Monats auf einem Kongress, wo u.a. auch über den aktuellen Stand dieser beiden Missionen ( Orbiter und Rover ) berichtet wurde. Es war irgendwie schon echt frustrierend, den
diversen Vorträgen bei diesem Meeting zu folgen. Die Einleitung zu der ExoMars-Session von Dr. Manish Patel lautete sinngemäß :
"Als diese Session geplant wurde konnten wir noch nichts von den aktuell aufgetretenen Schwierigkeiten ahnen..."
Unabhängig vom aktuellen Missions-Status haben diverse Universitäten und Institute in Europa und den USA die Entwicklung der verschiedenen Instrumente und der Hardware für den Orbiter und die Rover auf eigenes Risiko vorangetrieben ( eine Vorgehensweise, die übrigens üblich ist! ). Das Ergebnis : So ziemlich sämtliche Instrumente für den Orbiter sind fertig entwickelt und größtenteils auch bereits ausführlich getestet. Mehrere Teams von den einzelnen Instrumenten haben das in den einzelnen Vorträgen sehr deutlich dargelegt und dabei auch den immensen wissenschaftlichen Nutzen der einzelnen Experimente erläutert. Eigentlich könnte bereits morgen mit dem Bau des TGO begonnen werden. Was aktuell halt fehlt ist eigentlich "nur" das Geld für das Trägersystem, welches den TGO letztendlich zum Mars transportieren soll... Und in dieser Beziehung ( sprich die Bereitstellung einer Trägerrakete ) scheint die NASA zu keinen Kompromissen bereit zu sein. Das ist jedenfalls meine Einschätzung darüber, was die in die TGO-Mission involvierten Leute gegenwärtig denken...
Die ESA hat entsprechend reagiert und nach intensiven Gesprächen mit NASA-Offiziellen andere Optionen ins Auge gefasst. Die naheliegendste Option : Russland!
Das Problem, welches ich hauptsächlich sehe : Der Start des TGO soll im Sommer 2016 erfolgen ( mit welchem Trägersystem auch immer... ). Raumfahrttechnisch gesehen ist das aber bereits übermorgen!!! Bisher existieren von den Instrumenten lediglich Testversionen. Die Tests mit diesen Modellen zeigen, dass entsprechende Original-Instrumente im Marsorbit funktionieren werden. Aber es sind halt nicht die Modelle, welche letztendlich zum Mars fliegen werden/ sollen...
Die Originale müssen erst noch gebaut und anschließend ebenfalls ausführlich getestet werden. Und diese Original-Versionen werden erst gebaut werden, wenn die gesamte Mission auf soliden Füßen steht... Anschließend müssen sie noch in den eigentlichen Orbiter integriert und dort im Zusammenspiel mit allen anderen Systemen erneut überprüft werden. Eine solche Prozedur verlangt erfahrungsgemäß aber einen zeitlichen Rahmen von mehreren Jahren. Jeder Tag, der jetzt verstreicht, lässt einen Start im Jahr 2016 alleine schon aus zeitlichen Gründen noch unwahrscheinlicher erscheinen...
Wie kann die ESA die russische ( oder chinesische, indische ... ) Seite davon überzeugen, sich kurzfristig aktiv an der ExoMars-Mission zu beteiligen? Durch Bezahlung! Wie kann diese Bezahlung erfolgen? Entweder durch einen Scheck ( Geld ist aber bei diesem Projekt eher Mangelware ) oder durch die Bereitschaft, dass der zukünftige Partner seine eigenen Instrumente auf dem Orbiter bzw. Rover installieren darf... Was bedeutet letzteres? Noch sehr viel mehr Zeit für neue Tests dieser neuen Instrumente und daraus u.a. resultierend ein insgesamt noch größeres Finanzvolumen für die gesamte Mission...
Ich persönlich bin momentan eigentlich eher "ziemlich hoffnungslos" in Bezug auf die gesamte ExoMars-Mission... Alleine schon die vorgesehene TGO-Mission ist in meinen Augen auch ohne den ExoMars-Rover immens wertvoll - von der Bedeutung als Relaisstation für den Rover einmal ganz zu schweigen. Neben der Suche nach Spurengasen in der Marsatmosphäre und deren Quellen ( Stichwort "Methan" ) geht es hierbei u.a. um die langfristige Studie der meteorologischen Phänomene auf dem Mars. Zusätzlich ist ein Orbiter nach dem bisherigen Planungsstand der Rover-Mission als Kommunikationsrelais für den vorgesehenen Rover mehr oder weniger zwingend notwendig.
Um der gesamten Mission einen Sinn zu geben müssen die entsprechenden Beschlüsse aber zeitnah gefasst werden!
Die ESA - oder vielleicht besser gesagt die Wissenschaftler aus den ESA-Mitgliedsstaaten - wollen den Rover auf dem Mars sehen. Ein Teilnehmer des Kongresses in Nantes, den Namen habe ich leider nicht mitbekommen, hat gesagt : "Wir müssen uns daran erinnern, was wir eigentlich ursprünglich wollten : Einen Rover auf dem Mars. Alles weitere kam später dazu... "
Ein angedachtes Szenario sieht wohl so aus, dass der Rover wie geplant gestartet wird ( mit welcher Rakete auch immer und wer auch immer dafür bezahlt ) und auf der gleichen Rakete fliegt ein simpler Relaissatellit mit, welcher außer dem Kommunikationsmodul keine weiteren Instrumente transportiert. Trotz aller Effizienz in Bezug auf die Kommunikation zwischen dem Mars und dem Kontrollzentrum auf der Erde wäre dies in meinen Augen allerdings eine ungemeine Verschwendung von gegebenen Ressourcen...
Schöne Grüße aus Hamburg - Mirko