Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten

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Speedator

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #475 am: 06. Dezember 2009, 17:44:04 »
Hier ein SPON-Artikel zu evtl. Gründen für die Verzögerung bei den START-Verlängerung: Obama verheddert sich in Atom-Poker mit Russland

Martin

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #476 am: 12. Dezember 2009, 19:53:30 »
Weiterhin kein Glueck fuer die Bulava: Waehrend U-Boot Bauer Sevmash bekanntgab, das der Bau eines 4. Boot der Borei Klasse am 22.12. begonnen werde, schlug der 12. Start der Bulava von der Dmitri Donskoi wieder fehl. Am 9.12. startete die Rakete vom getauchten U-Boot in der Barents See, allerdings versagte laut Medienberichten die 3. Stufe. Von Norwegen aus konnten wohl spektakulaere Leuchterscheinungen durch den Start beobachtet werden, inklusive Video:

http://russianforces.org/blog/2009/12/no_luck_for_bulava.shtml

Der Start einer RT-2PM Topol von Kapsutin Yar im Suedwesten Russland war hingegen erfolgreich. Die Rakete wurde am 10.12. gestartet und flog in Richtung des Sary Shagan Testgelaendes in Kasachstan.

http://russianforces.org/blog/2009/12/launch_of_topol_from_kapustin.shtml
« Letzte Änderung: 14. Dezember 2009, 17:57:38 von Martin »

Bit

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #477 am: 14. Dezember 2009, 17:34:40 »
Zitat
Am 9.12. startete die Rakete vom getauchten U-Boot in der Barents See

Hallo Martin,
woher hast du die Info über die Barents See? Bisher war ich immer der Meinung die Russen starten aus dem Weißen Meer und zielen auf die Kura Test Range.
http://en.wikipedia.org/wiki/Kura_Test_Range

Was mich auch noch interessiert ist wie viel flüßiger Treibstoff paßt in die 3. Stufe?


Martin

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #478 am: 14. Dezember 2009, 18:30:19 »
Hallo,

stimmt, da lag ich wahrscheinlich falsch. Genaue Informationen habe ich aber nicht gefunden. Allerdings startet anscheinend nur die Bulava aus dem Weissen Meer, siehe unten:

 
1.11.2009 - R-29RMU - K-117 Bryansk - Barents See nach Kura

8.10.2009 - R-29RL - K-44 Ryazan - See von Okhotsk nach Chizha

6.10. 2009 - R-29RL - K-433 Sv. Georgiy Pobedonosets - See von Okhotsk nach Chizha

15.7. 2009 - Bulava - Dmitri Donskoy - ?

13.7. 2009 - R-29RM - K-84 Ekaterinburg - Franz Joseph Land Region nach Kura

23.12.2008 - Bulava - Dmitri Donskoy - Weisses Meer nach Kura

28.11.2008 - Bulava - Dmitri Donskoy - Weisses Meer nach Kura

12.10.2008 - R-29RM - K-84 Ekaterinburg - Barent See nach Kura

12.10.2008 - R-29RL - K-506 Zelenograd - See von Okhotsk nach Chizha

11.10.2008 - R-29RMU - K-114 Tula - Barents See nach zentraler Pazifik

18.09.2008 - Bulava - Dmitri Donskoy - Weisses Meer nach Kura

Angaben zur Treibstoffuellung habe ich nicht gefunden. Es ist aber gut moeglich, das die Bulava im MIRV Bus feste Treibstoffe wie auch die amerikanische Trident II D-5 verwendet.



Die indische Marine hat am Sonnabend eine seegestuetzte ballistische Kurzstreckenrakete Danush getestet. Die marine Version der Phritvi. Die Dhanush wurde von einem Schiff der indischen Marine im Golf von Bengalen gestartet. Sie soll eine Reichweite von 350 km besitzen.

http://www.spacewar.com/reports/India_tests_nuclear-capable_ballistic_missile_999.html

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Online Schillrich

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #479 am: 14. Dezember 2009, 18:40:01 »
Hallo

Die indische Marine hat am Sonnabend eine seegestuetzte ballistische Kurzstreckenrakete Danush getestet. Die marine Version der Phritvi. Die Dhanush wurde von einem Schiff der indischen Marine im Golf von Bengalen gestartet. Sie soll eine Reichweite von 350 km besitzen.

Das ist doch mal ein etwas "komisches" Konzept, eine Überwassereinheit als Raketenträger? Sind das vielleicht Vorstufen zu einem submarinen System? Gut, für solche Reichweiten nutzen andere Marinen Marschflugkörper ... welche vielseitiger sind.
\\   //    Grüße
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Martin

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #480 am: 14. Dezember 2009, 19:19:50 »
Yo,

die Dhanush ist seltsam. Mit der geringen Reichweite muessen die Schiffe nah an der feindlichen Kueste operieren, um Ziele zu bekaempfen. Sie scheint aber auch nur fuer Ueberwasserschiffe gedacht zu sein.

Aber es gibt auch die K-15, welche erstmals 2008 von einer getauchten Plattform startete. Sie soll auf indischen Atom-U-Booten stationiert werden. Das erste Boot dieser neuen Advanced Technology Vessel Klasse lief 2009 vom Stapel. Das ganze wuerde dann aehnlich der sowjetischen Hotel Klasse aus den fruehen 1960er Jahren sein.

http://thebulletin.metapress.com/content/t884046w31156318/fulltext.pdf

rm39

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #481 am: 15. Dezember 2009, 19:06:02 »
Weitere Raketentests im kommenden Jahr nach Bulawa-Fehlstart.
Laut einem ranghohen Angehörigen des russischen Verteidigungsministeriums sollen die seegestützten Starts entweder im Januar oder im Sommer 2010 stattfinden. Ein genauer Termin liege aber noch nicht fest wurde RIA Novosti heute mitgeteilt.
http://de.rian.ru/russia/20091215/124374189.html

tonthomas

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #482 am: 15. Dezember 2009, 22:02:31 »
Russland tritt beim Bau des vierten Borey-Boots namens Svyatitel Nikolai alias St. Nicholas auf die Bremse. Als Gründe werden organisatorische und technische genannt. Der Baubeginn soll vom 22.12.2009 auf irgendwann im ersten Quartal 2010 verlegt werden. Vielleicht hat die Verzögerung mit der Frage, ob das Boot wirklich mit Bulawa-Raketen ausgerüstet werden soll, zu tun, oder einfach damit, dass man es nicht braucht, wenn es (noch) keine funktionsfähigen Raketen, für die das Boot geplant war, gibt.

Quelle: http://en.rian.ru/russia/20091215/157247763.html

Gruß   Thomas

Bit

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #483 am: 16. Dezember 2009, 13:33:54 »
Der Start der Bulawa war lt. Itar-Tass im Weißen Meer.
http://www.itar-tass.com/eng/level2.html?NewsID=14626373&PageNum=0&sw=100%

Ist denn bekannt wieviel Treibstoff ein Sprengkopf hat um MARV fähig zu sein?
Oder fällt das in den Bereich der militärischen Geheimhaltung?
http://de.wikipedia.org/wiki/MARV

Indiens Gegner ist doch Pakistan. Dafür hat die Danush genügend Reichweite um die Küste zu bedrohen.

Martin

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #484 am: 16. Dezember 2009, 18:30:17 »
Der Start der Bulawa war lt. Itar-Tass im Weißen Meer.
http://www.itar-tass.com/eng/level2.html?NewsID=14626373&PageNum=0&sw=100%

Ist denn bekannt wieviel Treibstoff ein Sprengkopf hat um MARV fähig zu sein?
Oder fällt das in den Bereich der militärischen Geheimhaltung?
http://de.wikipedia.org/wiki/MARV

Indiens Gegner ist doch Pakistan. Dafür hat die Danush genügend Reichweite um die Küste zu bedrohen.

Hallo,

die Bulava wird keine MlARV tragen. Es gibt da zwar Diskussionen ueber drei verschiedenene Versionen mit unterschiedlichen Sprengkoepfen, aber die Standardangabe sind 6 MIRV. Und bei dieser Version sollten alle Teile Feststofftriebwerke besitzen.

Martin

Martin

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #485 am: 17. Dezember 2009, 18:01:31 »
Die strategischen Raketenstreitkrafte Russlands feiern heute ihren 50. Geburtstag. Dieser Zweig der sowjetischen Streitkraefte  wurde am 17.12.1959 gegruendet. Zu den ersten Waffensystemen gehoerte die R-7A Semjorka sowie die R-12 und R-14 Mittelstreckenraketen. Innerhalb kurzer Zeit wurden sie zu einem der wichtigsten Standbeine im sowjetischen Militaerapparat und besassen im Jahr 1989 mehr als 1,400 Interkontientalraketen in 4 sowjetischen Teilrepubliken. Heute verfuegen die Raketentruppen ueber 367 Interkontinentalraketen, welche bis zu 1,248 Sprengkoepfe befoerdern koennen. Sie sind in 3 Armeen organisiert mit 11 Raketenbasen. Derzeit stehen noch 5 verschiedene Raketentypen in Dienst: die R-36MUTTHKh, die R-36M2 und die UR-100NUTTKh mit fluessigen Treibstoffen sowie die Topol und Topol M/RS-24 mit festem Treibstoff. Letztere soll in den naechsten Jahren zum Hauptstandbein der Raketentruppen werden, neben einer noch zu entwickelnden neuen schweren ICBM, welche nach Wunschvorstellungen Russlands 2016 in Dienst gehen soll.

http://russianforces.org/blog/2009/12/the_strategic_rocket_forces_at.shtml

Martin

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #486 am: 18. Dezember 2009, 19:32:00 »
Der Iran hat am Dienstag eine zweistufige Mittelstreckenrakete getestet. Die Sejil nutzt feste Treibstoffe und hat eine Reichweite laut iranischen Angaben von etwa 2,000 km.

http://www.spacewar.com/reports/Iran_test-fires_medium-range_Sejil_missile_state_TV_999.html

Ebenso gab es ein Photoupdate bei google earth, welches neue Silos auf der iranischen Basis bei Tabriz zeigt. Ein zweites Silopaar ist nun zu sehen, allerdings habe ich keine Angaben fuer die dort stationierten Raketen.

http://geimint.blogspot.com/2009/12/tabriz-silo-expansion.html

Martin

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #487 am: 22. Dezember 2009, 10:19:10 »
Hallo,

ich bin heute mal ueber den genauen Text des INF Vertrages zum Verbot von Mittelstreckenwaffen zwischen den USA und der UdSSR gestolpert. Da waren auch nocheinmal die genauen Stationierungsorte gelistet, hier jene in Deutschland:

USA:

-Pershing II
*Schwaebisch-Gmuend (48 48 54 N 009 48 29 E)
*Neu Ulm (48 22 40 N 010 00 45 E)
*Waldheide-Neckarsulm (49 07 45 N 009 16 31 E)
*Weilerbach (Raketenlager) (49 27 N 007 38 E)
*EMC Hausen Frankfurt (Startanlagenreparatur) (50 08 N 008 38 E)

-BGM-109 (bodengestartete Marschflugkoerper)
*Wueschheim (50 02 33 N 007 25 40 E)

UdSSR

-SS-12
*Koenigsbrueck (51 16 40 N 013 53 20 E)
*Bischofswerda (51 08 33 N 014 12 18 E )
*Waren (53 32 40 N 012 37 30 E)
*Wokuhl (53 16 20 N 013 15 50 E)

-SS-23
*Weissenfels (51 11 50 N 011 59 50 E)
*Jena-Forst (50 54 55 N 011 32 40 E)

Zum Vertragstext: http://www.state.gov/www/global/arms/treaties/inf1.html

Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #488 am: 22. Dezember 2009, 11:04:36 »

USA:

-Pershing II
*Neu Ulm (48 22 40 N 010 00 45 E)

... und was daraus geworden ist:

Die beiden Standorte der Amis (Nelson Barrak und Wiley Barrak) gibt es heute nicht mehr.
Sämtliche Anlagen wurden größtenteils abgerissen und das Gelände aufwändig saniert.
Die Wileys sind heute ein Wohngebiet, ein eigener Stadtteil von Neu-Ulm.

Die Stassennamen blieben erhalten:
- John F. Kennedy Strasse
- Washingtonallee
- Louis Armstrong Weg
- Lincolnstrasse
- Eisenhowerstrasse
- Martin Luther King Allee usw.

Ich bin hier zu Pershing Zeiten aufgewachsen und hab die mobilen Abschußrampen fahren sehen ...
... mit nem Wiley Club fühl ich mich da heutzutage viel wohler  ;)

(falls das nicht hier hergehört, bitte einfach löschen)

Martin

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #489 am: 24. Dezember 2009, 10:42:53 »
Die Raketentruppen Russlands haben eine R-36M2 "Wojewoda" (auch RS-20W oder SS-18 Mod.6)von der Raketenbasis Dombarowsky im Sueden Russlands gestartet. Damit konnte die Betriebszeit des Raketensystems auf 23 Jahre erhoeht werden. Die R-36M2 wurden ab 1988 stationiert mit einer Gesamtanzahl von etwa 58 Raketen. Sie tragen 10 Sprengkoepfe mit jeweils 800 kT Sprengkraft und einem CEP von 220 Metern. Die Raketen verfuegen ueber zwei Stufen mit UDMH/NTO als Treibstoff und haben ein Startgewicht von rund 211 Tonnen. Die Raketen wurden in Dnepropetrowsk in der Ukraine gebaut.

http://de.rian.ru/safety/20091224/124486209.html
http://www.russianspaceweb.com/r36m2.html
http://russianforces.org/podvig/2008/06/the_window_of_vulnerability_that_wasnt.shtml

Martin

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #490 am: 28. Dezember 2009, 23:08:12 »
Der Betreiber vom ELINT & Analyses Blog hat ein interessantes Bild bei Google Earth gefunden: http://geimint.blogspot.com/2009/12/image-of-week-53t6-silo.html

Zu sehen ist eine Basis des russischen A-135 ABM Systems um Moskau mit Raketensilos der 53T6 Abfangrakete. Interessanterweise ist eines der Silos offen und man kann die Rakete darin sehen.

Martin

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #491 am: 09. Januar 2010, 12:41:56 »
Russianforces Betreiber Pavel Pdodvig hat einen interessanten Eintrag ueber die Produktion von SLBM in der Sowjetunion und Proliferation von Raketentechnik nach deren Zerfall geschrieben. Die UdSSR produzierte eine ungewoehnlich hohe Anzahl von seegestuetzten ballistischen Raketen fuer ihre U-Boote. So soll es fuer jede Startroehre der R-27 Rakete 3,64 Raketen gegeben haben, bei der R-29 waren es 4,7 Raketen pro Startroehre, bei der R-29R 4,3, der R-29RM 4,0 und bei der R-39 3,0 Raketen je Startroehre.

Bei Landgestuetzten Raketen war es etwas moderater, so gab es 1,5 bis 1,7 Raketen des Typs R-36, UR-100N und MR UR-100 je Startplatz, etwa dasselbe Verhaeltnis wie bei amerikanischen ICBM.

Warum die Marine soviele Raketen produzieren liegt moeglicherweise an Plaenen, das die Boote nach abfeuern der Raketen zum nachladen in die Haefen zurueckkehren sollten. Realistischerweise waere natuerlich davon auszugehen, das die Haefen in diesem Fall nicht mehr existiert haetten.

Das ganze hat Auswirkungen bis heute. Nutzt man die vorhandenen Zahlen fuer die R-27 SLBM, so rechnet Podvig vor, bleiben mehrere hundert uebrig. So gab es auf den Yankee Klasse U-Booten in den 1970er Jahren 544 Startroehren fuer die R-27. Bei dem oben angegebenen Verhaeltnis bedeutet dies das 2,000 Raketen produziert wurden. 653 Raketen wurden zwischen 1968 und 1988 fuer Testfluege verwendet, 544 weitere waren betankt auf den U-Booten und wurden nach deren Ausmusterung wahrscheinlich vernichtet. Damit bleiben rund 800 Raketen uebrig, die nicht betankt wurden, und moeglicherweise zumindest in Teilen den Weg ins Ausland gefunden haben.

Im Blogeintrag ist dieses Dokument verlinkt: A Technical Assessment of Iran’s Ballistic Missile Program
Darin wird beschrieben, das sowohl der Iran als auch Nordkorea Technik der R-27 in ihren Raketen einsetzen. So hat die zweite Stufe der nordkoreanischen Unha Traegerraketen grosse Ahnlichkeiten mit der R-27 und nutzt moeglicherweise deren Technik. Technik der R-27 kommt auch bei der iranischen Safir zum Einsatz.

Obiges Dokument ist ohnehin sehr interessant und beinhaltet viele interessante Bilder und Diagramme von iranischen und nordkoreanischen Raketen sowie Einschaetzungen zu deren Leistungsfaehigkeit. Viele Daten wurden aus dem Start der nordkoreanischen Unha-2 im Jahr 2009 gewonnen, von deren Start es sehr viele Daten inklusive Bildern gibt. Die ersten beiden Stufen funktionierten und es ist bekannt, woe diese im Meer aufschlugen. Stufe drei versagte, aber diese Stufe flog wahrscheinlich schon erfolgreich als zweite Stufe der iranischen Safir.

Die erste Stufe der Unha-2 nutzt Technolgie der R-17 (Scud) Rakete. Vermutlich nutzt sie 4 Triebwerke der Nodong mit jeweils 30 Tonnen Schub. Aus den vorhandenen Daten kann auf eine Treibstoffgewicht von 68 bis 69t geschlossen werden bei einem Vollgewicht von 74 bis 75 t. Die Beschleunigung beim Start lag bei etwa 0,3g.

Die zweite Stufe brannte 122 Sekunden und ein Impakt wird bei 3,200km Flugweite errechnet, innerhalb der von Nordkorea angegebenen Sicherheitszone. Es wird angenommen, das die dritte Stufe fuer 275 Sekunden arbeiten sollte und dabei 10 kg/s Treibstoff verbauchen sollte. Dies wuerde in einem Satellitenorbit von 490 km Hoehe resultieren. Die in dem Dokument modellierten Daten stimmen weitgehend mit den Angaben der Nordkoreaner ueberein. Aus diesen Daten kann man fuer die Unha-2 auch die Moeglichkeiten als ICBM ableiten. Sie koennte einen Sprengkopf von 1,000 kg Masse ueber eine Reichweite von 10,000 km befoerdern. Werden nur die beiden erfolgreich getesteten ersten beiden Stufen genutzt, koennte die Rakete 1,000 bis 2,000 kg ueber 5,000 bis 6,000 km befoerdern.

Es gibt noch eine ganze Menge mehr interessanten in dem Dokument, aber das Mittagessen ruft.

Martin

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Online Schillrich

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #492 am: 09. Januar 2010, 13:42:48 »
Wenn ich Zeit hätte, würde ich mir das durchlesen ... wirklich sehr interessant. Aber ich denke ich werde nicht dazu kommen (können).
\\   //    Grüße
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Martin

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #493 am: 10. Januar 2010, 23:46:00 »
Beim EastWestInstitute gibt es auch noch eine Studie zur iranischen Sejjil Rakete, welche nach iranischen Angaben schon zweimal getestet wurde: Sejjil (.pdf)

Diese Rakete nutzt zwei Feststoffstufen. In obiger Studie wird davon ausgegangen, das die Rakete einen 1,000 kg Sprengkopf ueber 2,200 km tragen kann. Die Rakete wird auf ein Startgewicht von 21 t geschaetzt.

Die erste Stufe soll ein Gewicht von 14,7 t haben mit einem Leergewicht von 2,2t. Der spezifische Impuls soll bei 220 Sekunden am Boden und 250 Sekunden im Vakuum betragen. Die zweite Stufe soll einfach eine verkuerzte Version der ersten Stufe sein mit einem Startgewicht von von 5,8t und einem Leergewicht von 870 kg.

Die Autoren des Berichts gehen davon aus, das eine aus der Sejjil entwickelte ICBM ein Startgewicht von 65 t besitzen wuerde, nach Meinung der Autoren zu schwer fuer ein mobiles System. Es wuerde auch fuer den Iran schwiriger sein, die Sejjil Technolgie zu einer ICBM weiterzuentwickeln als die Scud-basierte Shahab/Saphir Raketenfamilie. Diese nutzt eine Mischung aus Kerosin/Benzin (TM-185) als Treibstoff und Salpatersaeure/NTO (AK-27) als Oxidator.

Martin

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #494 am: 11. Januar 2010, 19:31:50 »
Die chinesische Armee hat laut einem RIAN Bericht ein Raketenabwehrsystem erfolgreich getestet. Genauere Angaben zu den Details des Tests sowie den Faehigkeiten des Systems wurden aber nicht angegeben.

Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #495 am: 11. Januar 2010, 23:22:50 »
Der Bericht von Theodore Postol „A Technical Assessment of Iran´s Ballistic Missile Program “ (http://docs.ewi.info/JTA_TA_Program.pdf )  beruht im wesentlichen auf den Analysen von Dr.Markus Schiller und Prof. Robert Schmucker aus München, die bereits in Raumfahrt Concret Nr. 54/55 ( Scud-Rakete) und Raumfahrt Concret Nr.57 ( iranische Trägerrakete Safir) veröffentlicht wurden.
Allerdings ist die Analyse in Postol´s Bericht wesentlich detaillierter und daher sehr lesenswert. Hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte.
Die Raketenprogramme von Nordkorea und Iran sind eng miteinander verknüpft.
Beide Länder verfügen über keine eigene Raketentechnologie. Schlüsselelemente wie Antriebe stammen aus der ehemaligen Sowjetunion. Die Industrien beider Länder sind nicht in der Lage, solche Baugruppen selbst zu produzieren, d.h. es werden erworbene Bestände verwendet. Allerdings sind die Ingenieure, vor allem Nordkoreas, in der Lage, aus den vorhandenen Baugruppe neue Raketen zu schaffen. Selbstständig wurden neue Zellen und Tanks gefertigt.
Im wesentlichen beruhen die nordkoreanischen und iranischen Langstreckenraketen auf folgenden sowjetischen Raketentypen: R-17 (Scud-B) ,R-18, R-27 (SS-N-6), S-200 (SA-5) und OTR-21 Totschka (SS-21).
Nun der Reihe nach.
Die bislang erfolgreichste Konstruktion ist die iranische Trägerrakete Safir. Sie brachte am 2.2.2009 den Satelliten Omid in eine erdnahe Umlaufbahn.
Die Rakete verfügt über zwei Stufen. Die erste Stufe verwendet das Triebwerk der R-18/Nodong. Ihre Treibstofftanks wurden auf maximal mögliche Größe verlängert, um die Schubreserven des Triebwerkes vollständig zu nutzen. Ausgangsmodell der 1.Stufe ist die ballistische Rakete Shahab-3, was wiederum der iranische Name für die nordkoreanische Nodong ist. Die Nodong ist nichts anderes  die russische Rakete R-18 aus dem Makejew-Konstruktionsbüro (R-17 und R-18 wurden gemeinsam entwickelt, R-18 hat den stärkeren Raketenmotor, ist größer als R-17).
Als Antrieb der 2.Stufe der Safir dienen die beiden Steuerdüsen der sowjetischen  U-Boot-Rakete R-27 .  Auf das Haupttriebwerk wurde verzichtet, vermutlich, weil dessen hoher Schub durch die in Leichtbauweise gefertigte 2.Stufe konstruktiv nicht zu bewältigen wäre. Allerdings bedeutet das auch, dass die Safir in der vorliegenden Konstruktion an ihrer absoluten Leistungsgrenze ist. Mehr als die 27 kg des Satelliten Omid oder höhere Umlaufbahnen sind mit dieser Konfiguration nicht möglich. Daraus resultiert die gute Nachricht: sollte der Iran tatsächlich vorhaben, aus der Safir eine atomar bestückte Interkontinentalrakete zu machen , müsste die 2.Stufe völlig neu konstruiert werden. In der gegenwärtigen Konfiguration kann sie keine schweren Atomsprengköpfe tragen, sondern nur einen sehr leichten Erdsatelliten.
Im Satelliten Omid wurden übrigens zahlreiche elektronische Bauelemente made in USA verwendet. Auch auf diesem Gebiet besteht als keine Unabhängigkeit des Iran.
Interessanterweise sind die Nordkoreaner einen etwas anderen Weg als die Iraner gegangen.
Ihre erste Trägerrakete aus dem Jahr 1998 hieß Taepodong 1. Sie entsprach in ihrer Leistungsfähigkeit der iranischen Safir, hatte aber 3 Stufen. Als 1.Stufe diente die bereits erwähnte Nodong ( die nordkoreanische Bezeichnung für eine sowjetische Rakete aus dem Makejew-Konstruktionsbüro, die dort R-18 hieß  und in ihren Leistungen der R-17 ähnelte, allerdings einen stärkeren Motor hat). Im Gegensatz zur iranischen Safir wurde die Nodong unverändert übernommen. Deshalb brauchte die Taepodong 1 auch drei anstelle von zwei Stufen.
In der 2.Stufe der Taepodong 1 wurde in eine Zelle der R-17 das Marschtriebwerk der Luftabwehrrakete S-200 Wega eingebaut. Dieses Triebwerk ist regelbar und bietet daher Vorteile beim Einsatz als Satellitenträger gegenüber dem Originaltriebwerk der R-17. Ein regelbares Triebwerk, das in der letzten Phase des Betriebes der 2.Stufe heruntergeregelt wird, lässt die Stufe zum Betriebsende weniger schwanken und erleichtert damit die Ausrichtung der 3.Stufe im Raum vor der Zündung zur Injektion in den Erdorbit erheblich.
Als 3.Stufe diente wahrscheinlich das Feststofftrieb der sowjetischen Kurzstreckenrakete OTR-21 Totschka. Zumindestens passen deren Leistungsdaten und die Verfügbarkeit für Nordkorea in die Rekonstruktion der Taepodong-1.
Die Rakete war in der Lage, ein ähnlich schweres Objekt wie den iranischen Omid in eine hochelliptische Bahn mit einem Apogäum von ca. 7000 km (Safir nur knapp 400 km Apogäum)   zu transportieren, was vor allem auf die vergleichsweise hohe Schubkraft der 3.Stufe zurückzuführen war. Allerdings versagte die 3.Stufe beim ersten und einzigen Startversuch im September 1998.
Eine wesentlich fortgeschrittenere Konstruktion ist die neue nordkoreanische Trägerrakete Unha-2, die am 4. April 2009 den ersten und weitgehend erfolgreichen Startversuch unternahm. Mit ca. 90 t Startmasse ist sie rund dreimal so schwer wie Taepodong-1 und Safir. Eine völlig neuentwickelte und deutlich größere 1.Stufe verwendet erstmals das Prinzip der Triebwerksbündelung: vier Triebwerke der Nodong-Rakete treiben die Stufe an. Als zweite Stufe wird die russische U-Boot-Rakete R-27 verwendet. Laut Pavel Podvig wurden rund 2000 Exemplare dieser Rakete gebaut, von denen ca. 800 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion noch vorhanden waren und zum Verkauf standen (natürlich nicht offiziell). Nordkorea könnte also durchaus einige Dutzend R-27 erworben haben, die nun gemeinsam mit dem Iran utilisiert werden. Die 3.Stufe der Unha-2 ist mit der 2.Stufe der Safir identisch. Obwohl die Stufe zu diesem Zeitpunkt bereits einmal erfolgreich geflogen war, versagte sie in der Unha-2. Dennoch, 1. und 2.Stufe arbeiteten einwandfrei.
Auch wenn kein Satellit in den Orbit gelangte, kam Nordkorea der Interkontinentalrakete damit deutlich näher als der Iran: schon eine  2stufige Unha-2 kann knapp 2 t Nutzlast über 6000 km Entfernung schleppen und auch die Konstruktion der Rakete erlaubt nukleare Gefechtsköpfe. Die dreistufige Unha-2, wenn voll funktionstüchtig, könnte knapp 1 t fast 10.000 km weit transportieren. Damit könnte Nordkorea theoretisch große  Teile der USA treffen.
Realistisch gesehen, geht aber von der Unha-2 keine Bedrohung aus: die Startvorbereitungen dauern Tage, wenn nicht Wochen, die Rakete steht auf einer offenen Rampe, ist  leicht aufzuklären und anzugreifen und damit als Waffe genauso wenig wert wie damals die sowjetische R-7 Semjorka.
Und damit sind wir bei der wichtigsten Schlussfolgerung der Analyse: auch wenn Nordkorea und Iran bei der Meisterung der Raketentechnik gewisse Fortschritte gemacht haben – selbstständig sind sie nicht, der Nachschub an Schlüsseltechnologie stammt im wesentlichen aus Russland und der erreichte (und künftig erreichbare) technische Stand stellt keine militärische Bedrohung (maximal eine politisch-psychologische) dar.

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #496 am: 12. Januar 2010, 00:50:45 »
Einen herzlichen Dank an Martin und wernher66 für diese ausführliche Zusammenfassung.  :)
"To invent an airplane is nothing. To build one is something. But to fly is everything." --Otto Lilienthal

Martin

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #497 am: 12. Januar 2010, 08:29:13 »
Russischen Medienberichten zufolge soll es erst wieder im Sommer 2010 Tests der Bulava Rakete stattfinden. Nach den neuen Plaenen soll es dann zwei Versuche von der Dmitri Donskoy geben bevor es im Herbst der erste Start von der Yuri Dolguruky stattfinden soll.

Der Fehler beim letzten Flug soll bei der Schubkontrolle der 3. Stufe gelegen haben, welche bei NPO Iskra in Perm gefertigt wird.

http://russianforces.org/blog/2010/01/bulava_tests_will_not_resume_until_s.shtml

Martin

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #498 am: 12. Januar 2010, 19:48:47 »
RIAN berichtet auch. So soll es dieses Jahr (Formulierung beachten) moeglicherweise deutlich mehr als zwei Teststarts geben. RIAN berichtet entgegen meinem vorangegangen Beitrag von einer Fehler bei der Stufentrennung der dritten Stufe. Dieser soll konstruktionsbedingt sein.


Die USA sind ueber den Raketenabwehrtest Chinas nicht informiert worden, so berichtet RIAN. Das Pentagon habe den Start zweier Raketen sowie die Kollision zweier Objekte geortet.

Martin

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Re: Militärische Raketen- und Raumfahrtneuigkeiten
« Antwort #499 am: 12. Januar 2010, 21:28:32 »
Folgende Liste enthaelt die groesseren militaerischen Raketentests im Jahr 2009. Wenn man noch SRBM und Raketenabwehrtests einbezieht kommt man auf einiges mehr, aber da die Informationen da sehr lueckenhaft sind lies ich diese weg.

*13/2     Trident II D-5    USS Alabama, Pazifik
*10/4     Topol               Plesetsk, Rußland
*29/6     Minuteman 3     Vandenberg AFB, USA
*13/7     R-29RM            SSBN Bryansk
*16/7     Bulava             SSBN Dmitri Donskoy
*31/7    Trident II D-5     HMS Victorious
*3/9      Trident II D-5     USS Virginia
*4/9      Trident II D-5     USS Virginia
*23/9    Minuteman 3      Vandenberg AFB, USA
*27/9    Shahab 1           Iran
*27/9    Shahab 2           Iran
*28/9    Shahab 3           Iran
*28/9    Sejil                  Iran
*11/10   R-29RL              SSBN Georgiy Pobedonosets
*11/10   R-29RL              SSBN Ryazan
*1/11     R-29RMU           SSBN Bryansk
*29/11   Agni II              Wheeler Island, Indien
*9/12     Bulava              SSBN Dmitri Donskoy
*10/12   Topol                Kasputin Yar, Russland
*13/12   Dhanush            indischer Raketenkreuzer
*18/12   Sejil                  Iran
*24/12   R-36M2             Dombarovskij, Rußland

Es gibt auch die neuen Schaetzungen fuer die russischen ballistischen Raketenbestaende: Link (pdf)

Demnach hat Russland 50 R-36MUTTKh/M2, 60 UR-100NUTTH, 150 Topol, 50 Topol M (silo), 15 Topol M (mobil) und 3 RS-24, also 331 Raketen mit etwa 1,090 Sprengkoepfen. Interessanterweise berichtete Pavel Podvig aber erst vor kurzem, das es im Jahr 2009 moeglicherweise keine RS-24 Stationierungen gegeben habe, obwohl die Raketentruppen dies mehrfach ankuendigten. Moeglicherweise habe es einfach nur keine Bekanntgabe der Stationierung gegeben, bei dem ganzem Tamtam um die neue Rakete sei dies aber unwahrscheinlich.

Fuer 2010 wurden je ein neues silogestuetztes und ein mobiles Topol M angekuendigt. Dies waeren insgesamt 19 Raketen. Allerdings koennte dies auch Ueberhaenge aus 2009 beinhalten.

Bei der russischen Marine gibt es 6 Delta IV, 4 Delta III und je ein aktives Borei und Typhoon Klasse U-Boot. Dafuer gibt es 4 x 16 R-29RL, 2 x 16 R-29RMU und 4 x 16 R-29RMU. Die Bulava ist ja bekanntlich noch in Entwicklung. Die aktiven Boote koennen 576 Sprengkoepfe tragen, wobei die R-29RMU mit vier Sprengkoepfen gezaehlt wurde, aber auch 10 tragen koennen soll.

Die aktuellen Zahlen fuer die USA habe ich noch nicht, aber ich vermute mal 450 Minuteman III und 12 x 24 Trident II D5.

Bei den Fanzosen das gleiche, auch hier vermute ich konstant 3 x 16 M-45. Die M-51 soll auf dem 4. Le Triomphant Klasse SSBN "Le Terrible" dieses Jahr in Dienst gehen.

Bei den Briten fehlen mir auch die neuen Zahlen, aber da sollte sich nichts weiter geaendert haben, 4 Boote mit je 16 Startroehren, aber nur etwa 55 verfuegbaren Raketen.

China sollte einige wenige dutzend DF-5A, DF-31 und DF-31A in Dienst haben. Daneben ein vermutlich inaktives SSBN fuer die IL-1 und 2 neue SSBN fuer die IL-2 SLBM.