...Laut einigen Meldungen soll es sich bei der RS26 um eine verdeckte Mittelstreckenrakete handeln, ....Moeglich ist aber, das die operative Reichweite der RS26 tatsaechlich irgendwo zwischen 5,500km und den etwa 11.000km der normalen Topol-M/RS24.
Hallo Martin! Es gab doch sicher Testflüge der RS26 ... Wie weit flog die Rakete dabei? Oder gab es "nur" Tests von Vehikeln, die sich keiner Baureihe zuordnen ließen?
Gruß Pirx
Es gab bisher 4 Testfluege der RS26: 2 von Plesetzk nach Kura, also die Standardteststrecke und 2 von Kapustin Jar nach Sary Shagan. Letztere Fluege verursachten die Spekulationen ueber den IRBM Charakter der RS26. Die Kritiker der RS26, die einen Bruch das INF Vertrages unterstellen, gehen davon aus dass die Fluge von Plesetzk nur mit reduzierter Nutzlast erfolgten, damit die Rakete es ueber die 5,500km Marke schafft.
Die kurzen Fluege von KJ nach SC sind aber nicht sonderlich ungewoehnlich, auch Topol fliegen diese Strecke regelmaessig. SC ist das Testzentrum fuer ABM System und dergleichen, d.h. neue Nutzlasten zur Ueberwindung von Raketenabwehrsystem werden meist in diese Richtung gestartet. Im Gegensatz dazu scheinen die normalen Fluege von Plesetzk vor allem das Gesamtsystem zu qualifizieren bzw noch testen.
Waere die RS26 tatsaechlich eine zweistufige IRBM Version der Topol-M / RS24, so waere dies das moderne Spiegelbild der RSD-10 Pioner (SS-20). Diese war die zweistufige Version der Temp-2S ICBM, der ersten praktikablen mobilen ICBM der UdSSR.
Damals war die Kritik allerdings umgekehrt, im Rahmen der SALT Verhandlungen warfen die USA der UdSSR vor, die RSD-10 sei eine moegliche Vertrags-Ausbruchswaffe. Man befuerchtete, dass die UdSSR die RSD-10 im Krisenfall mit der 3. Stufe der Temp-2S nachruesten koennten, um so die Limitierungen der SALT Vertraege hinsichtlich der maximalen ICBM Anzahl und dem Verbot mobiler Systeme zu umgehen (IRBM waren von den SALT Vertraegen nicht betroffen, der INF Vertrag kam erst einige Jahre spaeter). Letztendlich verzichteten die UdSSR auf die Temp-2S und sicherten den USA zu, keine 3. Stufen fuer die Temp-2S zu produzieren oder einzulagern, um eine Umwandlung der RSD-10 in ICBM auszuschliessen.
Von der RSD-10 ist uebrigens auch die Ursache fuer das 5.500km Limit des INF Vertrages, das ist naehmlich genau deren maximale Reichweite. Das heisst die heute gebraeuchliche Definition von ICBM und IRBM beruht auf der RSD-10 Reichweite.
Mir kommt da gerade die Idee, dass ein großflächiges Land seine ICBMs ja auch so "am anderen Ende" stationieren könnte, dass sie quasi wie IRBMs auf die Nachbarn wirken. Das Flugprofil (v.a. Zeit und Höhe) hätten natürlich immer noch ICBM-Charakteristik, aber so könnte man Ziele in der Nachbarschaft bedrohen, nicht nur auf der anderen Hemisphäre.
Vor Abschluss des SALT-1 Vertrages hatten die UR-100 Raketen in der UdSSR eine Doppelrolle und wurden auch gegen Ziele in China gerichtet. Zweimal wurden UR-100, welche eine maximale Reichweite von etwa 11.000km hatten, ueber Entfernungen von nur rund 1.000km getestet. Nach SALT-1 konnte man aber nicht mehr beliebig viele ICBM stationieren, die maximile Anzahl war limitiert. Daher wollte man diese nun nur fuer die interkontinentale Rolle freihalten und die Entwicklung von IRBM (also die RSD-10) bekam wieder staerkere Aufmerksamkeit, um die regionalen Aufgaben zu uebernehmen.