Methan auf dem Niveau von Wasserstoff? Bitte nicht übertreiben...
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Siedepunkt Stickstoff: 77 K
Über dem Niveau von Sauerstoff und Stickstoff.
Sorry, gerade erst gesehen, daher erst jetzt eine Antwort von mir:
Sicher, Methan diffundiert nicht durch Metalle wie Wasserstoff, aber ansonsten ist es auch nicht ganz einfach zu handhaben. Vom Aufwand her liegt es viel näher an LH2 als an Kerosin. Schauen wir uns das mal genauer an:
Der Treibstoff bei einer Rakete hat weitaus mehr Aufgaben als der Oxidator. Mit dem Treibstoff werden sehr viele beweglichen Teile im Triebwerk geschmiert, zudem ist er auch für die Kühlung der Brennkammer und der Schubdüse zuständig.
Bei einem Kerosin-Triebwerk ist alles recht einfach. Kerosin siedet erst bei über 250 °C, man kann es also ohne besondere Probleme zum Schmieren für diverse beweglichen Teile im Triebwerk verwenden. Auch die Kühlung der Brennkammer lässt sich damit recht einfach bewerkstelligen, da Kerosin recht viel Wärme aufnehmen kann. Zudem ist Kerosin bei Normaltemperatur flüssig, die Tanks benötigen also keine aufwendige Isolation und müssen auch nicht wie bei kryogenen Treibstoffen aufwendig gespült werden, um die Luftfeuchtigkeit zu entfernen. Zudem kommt man mit recht kleinen Tanks aus, da Kerosin eine vergleichsweise hohe Dichte besitzt (ca. 0,8). Durch all das ist Kerosin ein sehr einfach zu handhabender Treibstoff. Kerosin wird zumeist mit flüssigem Sauerstoff (LOX) zusammen eingesetzt. Zwar ist flüssiger Sauerstoff ebenfalls sehr kalt (-180 °C), er hat allerdings weit weniger Funktionen als der Treibstoff, so dass sich trotz der niedrigen Temperaturen kaum Probleme ergeben. Lediglich die Turbopumpe muss darauf ausgelegt sein, mit den niedrigen Temperaturen auszukommen. LOX wird schon seit der A4 eingesetzt, die 1943 ihren ersten erfolgreichen Flug absolvierte. LOX / Kerosin ist die Treibstoffkombination, mit der man sowohl in den USA wie auch in Russland die meiste Erfahrung hat. Selbst mehrfach wiederverwendbare Triebwerke sind kein großes Problem. Lediglich im Gasgenerator ist etwas Vorsicht geboten, da dort das Kerosin mit Sauerstoffüberschuss verbrannt wird und die sauerstoffreichen Gase sehr korrosiv sind. Allerdings hat man schon in den 70er Jahren bei der Entwicklung des Space Shuttles festgestellt, dass man das F1-Triebwerk der Saturn 5 ca. 10 Mal hätte wiederverwenden können. Auch das für die Energija-Booster entwickelte RD-170 hätte man ca. 10 Mal wiederverwenden können, so dass man davon ausgehen kann, das eine Wiederverwendung auch über einen längeren Zeitraum ohne Probleme möglich sein dürfte.
Mit flüssigem Wasserstoff (LH2) dagegen ist alles anders. Er ist mit - 250 °C superkalt und zudem nur in einem schmalen Temperaturbereich von 20 °C überhaupt flüssig. Schon die Tanks sind sehr aufwendig, es muss beachtet werden, das Wasserstoff durch Metalle diffundieren kann, zum anderen sind die Tanks wegen der extrem niedrigen Dichte sehr groß und benötigen eine auswendige Isolation, um die Verdampfungsverluste in Grenzen zu halten. Vor der Betankung müssen die Tanks langsam abgekühlt werden, um Kälteschäden im Metall zu vermeiden und die Luftfeuchtigkeit zu entfernen. Beim Treibstofffördersystem muss darauf geachtet werden, das die Ventile nicht vereisen. Im Triebwerk selbst werden alle beweglichen Teile der Treibstoffturbopumpe mit LH2 geschmiert. Sowohl Brennkammer als auch Schubdüse werden mit LH2 gekühlt. Bei der Brennkammerkühlung muss darauf geachtet werden, dass der Wasserstoff beim Durchfluss der Kühlröhrchen verdampft und Dampf weniger Wärme abführen kann. Selbst heute kommt es dabei noch zu Fehlberechnungen, so zum Beispiel beim ersten Flug der Ariane 5 mit dem Vulcan 2 Triebwerk, als das Triebwerk wegen nicht ausreichender Kühlung im Vakuum ausfiel. Das Beherrschen dieser Technologie ist nicht einfach und setzt umfangreiches Wissen voraus, zudem ist sie alles andere als Preiswert. Dennoch lohnt es sich, dank des hohen Energiegehalts liefert LH2 einen bis zu 1200 m/s höheren spezifischen Impuls als Kerosin. Selbst wenn man das erhöhte Gewicht der Tanks und die Isolation mit berücksichtigt, sind davon mindestens 1000 m/s praktisch nutzbar.
Flüssiges Methan steht vom Aufwand her dazwischen. Es ist etwas wärmer als LH2 und deswegen etwas einfacher zu handhaben. Die Tanks können kleiner ausgeführt werden, da die Dichte höher ist als bei LH2 (aber dennoch niedriger als bei Kerosin). Auch die Isolation kann einfacher ausgeführt werden, ähnlich wie beim Sauerstofftank (flüssiges Methan hat eine ähnliche Temperatur wie LOX). Bei den Ventilen dagegen muss ebenfalls darauf geachtet werden, dass sie nicht einfrieren. Beim Triebwerk dagegen gelten fast die gleichen Bedingungen wie mit LH2. Das flüssige Methan dient als Schmierstoff für die Treibstoff-Turbopumpe und als Kühlmittel für Brennkammer und Schubdüse. Man hat in den 60ern Versuche mit dem eigentlich für LH2 ausgelegten RL-10 Triebwerk der Centauer-Oberstufe durchgeführt, die durchaus erfolgreich verliefen, auch wenn es zu keiner praktischen Anwendung kam. Das zeigt sehr deutlich, dass sich Triebwerke, die für LH2 entwickelt wurden, sich sehr einfach auf flüssiges Methan umrüsten lassen, weil flüssiges Methan fast die gleichen Ansprüche an ein Triebwerk stellt wie LH2. Ein Kerosin-Triebwerk lässt sich dagegen kaum auf Methan umrüsten, da die Ansprüche viel zu verschieden sind. Will man ein schubstarkes Methan-Triebwerk für die erste Stufe haben, wird man um eine auswendige Neuentwicklung nicht umhinkommen.
Flüssiges Methan bietet eigentlich nur einen Vorteil, man kann es deutlich länger flüssig halten als LH2. Gerade für eine Transferstufe oder einen Mondlander ist das recht nützlich, da Methan auch etwas mehr Leistung bringt als Kerosin / LOX oder Hydrazin / NTO. Für eine erste Stufe ist Methan aber komplett ungeeignet. Der Aufwand gegenüber Kerosin ist deutlich höher, der Leistungszuwachs aber nur gering. Im Vergleich mit Kerosin / LOX bietet flüssiges Methan / LOX nur einen Leistungszuwachs von ca. 300 m/s. Davon muss man das höhere Gewicht der Tanks (größere Tanks + Isolation) abziehen, so dass davon ca. 200 m/s praktisch nutzbar sind. Das lohnt den Aufwand bei weitem nicht, vor allem nicht in der ersten Stufe, wo es nicht auf das letzte bisschen an Effizienz ankommt. Gerade im Westen werden in der ersten Stufe ja noch immer sehr häufig Feststoffbooster eingesetzt, die einen noch deutlich geringeren spezifischen Impuls als Kerosin liefern. Will man für die erste Stufe eines Großträgers ein Methantriebwerk entwickeln, so ist das natürlich machbar, aber ich bezweifle den Nutzen, da dieses Triebwerk für eine Oberstufe viel zu schubstark wäre. Von der Kosten / Nutzen Relation wäre ein solches Triebwerk Unsinn, der Leistungszuwachs ist so gering, dass es sich einfach nicht lohnt. Da würde man mit einer Wiederaufnahme der Produktion des F1-Triebwerks weitaus besser fahren. Auch in der Oberstufe lohnt sich Methan nicht, dort fährt man mit LH2 weitaus besser. LH2 ist zwar etwas schwerer zu beherrschen als flüssiges Methan (und damit auch etwas teurer), bietet aber einen um ca. 900 m/s höheren spezifischen Impuls. Gerade in der Oberstufe, wo es um jedes kg und jeden m/s geht, ist das ein eindeutiges Votum für LH2.
Einzige Ausnahme, wo sich flüssiges Methan lohnen würde, wäre eine Transferstufe im Orbit, da sich Methan mit einer guten Isolation über mehrere Wochen flüssig halten lässt, was bei LH2 deutlich mehr Aufwand erfordern würde. Für eine konventionelle Rakete dagegen lohnt sich Methan nicht, dafür ist der Leitungszuwachs im Vergleich zu Kerosin einfach zu gering, bzw. der Kostenvorteil von Methan im Vergleich zu LH2 einfach zu gering.