chinesisches Fangsystem

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Offline rok

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chinesisches Fangsystem
« am: 23. August 2024, 17:28:28 »
alepu hat eine CCTV-Animation (via space.com) verlinkt, in dem eine schwimmende Einfangplattform für vertikal landende Erststufen vorgestellt wird.

https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=19858.msg565101#msg565101



Bei diesem System kann fast die gesamte Fläche der Plattform genutzt werden, weil das Viereck, in das die Stufe eintauchen soll, in Sekunden über die gesamte Landefläche verschoben werden kann. Eine Abweichung zum Zentrum von 10 oder 15 m wäre also kein Problem. Außerdem werden die Steuerungen der beiden Geräte miteinander kommunizieren, so dass die Rakete permanent die Windverhältnisse am Landeort kennt.

Nach dem Einfang wird die Rakete zentriert und für die Heimfahrt mit Seilen an den Pollern fixiert. Im Hafen wird sie dann mit einem Kran von der Plattform gehoben.

Offline Regnart

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Re: chinesisches Fangsystem
« Antwort #1 am: 23. August 2024, 18:07:37 »
Ich bin in der Sektion "Chinas Raumfahrt" zwar schon einmal auf dieses Thema eingegangen, aber nachdem das Raumfahrzeugmontagegebäude für diese Raketen gute Baufortschritte macht, sollten wir dem Thema vielleicht wirklich einen eigenen Faden widmen. Hier der Original-Artikel der Chinesischen Akademie für Trägerraketentechnologie (für einen schnellen Überblick auf "HTML全文" klicken)
http://jdse.bit.edu.cn/sktcxb/cn/article/doi/10.15982/j.issn.2096-9287.2022.20210109

In dem Space.com-Artikel, aus dem das uralte Video stammt, ist schon mal die Überschrift falsch. Die Raketenstufe wird nicht mit sich zusammenziehenden Drahtseilen aufgefangen. Im Gegenteil: es wird ein großer Aufwand getrieben, damit die Seile nur ja nicht mit der Raketenstufe in Brührung kommen und sie beschädigen. Gefangen wird die Raketenstufe, die über der Anlage selbstverständlich ihre Triebwerke abschaltet, um die - an sich feuerfesten - Drahtseile nicht zu beschädigen, mit ausklappbaren Haken. Hier das Prinzip der Fangvorrichtung:



Die für den tatsächlichen Einsatz gedachte Vorrichtung kann zusätzlich noch auf einem Schienenkreis rotieren, um die Raketenstufe auch dann auffangen zu können, wenn sie sich durch Seewinde oder warum auch immer um ihre Längsachse gedreht haben sollte. Eine Verdrehung um bis zu 15° ist ohne weiteres Nachjustieren verkraftbar:



Die Raketenstufe hat vier beim Start nach oben angeklappte Greifarme, die kurz vor der Landung entriegelt und von einer Feder nach unten gedrückt werden, bis sie von ihrem Fixierungsseil (限位绳) gestoppt werden. An der Rakete sind sie an dem Verbindungsstück zwischen Kerosin- und Sauerstofftank befestigt. Die Greifarme sind gut 3 m lang. Etwa jeden Meter ist ein wie in einer Vorhangschiene gleitender Haken mit Karabiner-Lasche angeordnet, letzteres damit die Raketenstufe, falls es zu Trampolin-Hüpfbewegungen kommt, nicht von den Seilen springt:



Anders als in dem Video haben die Raketenstufen unten bei den Triebwerken keine Flossen, um die Sicherheit beim Einfädeln in das innere Seilquadrat zu erhöhen. Seit 2019 werden bei den Erststufen der Changzheng-2C, -2D und -4B schwenkbare Gitterflossen zur Einengung des Absturzgebiets verwendet. Bei der Chinesische Akademie für Trägerraketentechnologie] geht man davon aus, dass man im Zusammenwirken mit schwenkbaren Triebwerken auch größere Raketenstufen mit einer Präzision im Meterbereich herunterbringen kann. Bei der 4-m-Rakete hat das Seilquadrat eine lichte Weite von 8 x 8 m. Wenn die Rakete um bis zu 2 m außerhalb der Mitte herunterkommt, funktioniert das Auffangen immer noch. 2021 hat man das mit einem Modell im Maßstab 1:8 ausprobiert:


Bilder: CALT

Eine Schlüsselfunktion beim sanften Auffangen der Raketenstufe haben die Magnetpulverbremsen in den vier Seilwinden links und rechts an den unteren Querträgern. Mit diesen Seilwinden kann man auch das Fangquadrat innerhalb der Gitterträgerkonstruktion verschieben, falls die Rakete stark exzentrisch herunterkommen sollte. Bei Tests mit einer Ankunftsgeschwindigkeit von 5,4 m/s - die Triebwerke werden wie gesagt etwas über der Anlage abgeschaltet, um die Seile nicht zu beschädigen - betrug die maximale Bremsverzögerung 1,8 g, der Raketenkörper wurde von den Seilen auch bei exzentrischer Landung nicht berührt.

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Online alepu

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Re: chinesisches Fangsystem
« Antwort #2 am: 23. August 2024, 19:51:13 »
Danke erneut für diese sehr informativen Artikel!
Die Chinesen haben sich sicher auch hier wiedereinmal sehr viele überaus fundierte Gedanken gemacht.
Bin wirklich gespannt, wann dieses System erstmals zum wirklichen Einsatz kommt und wie gut es funktionieren wird.
Ob es allerdings auch einmal einen Booster in Starshipgröße einzufangen vermag?
Schließlich müßten so starke Triebwerke dann schon in noch relativ großer Höhe abgeschaltet werden und die Raketenstufe hätte eine recht große Masse!

Offline Regnart

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Re: chinesisches Fangsystem
« Antwort #3 am: 24. August 2024, 08:36:22 »
Baubeginn für das Raumfahrzeugmontagegebäude, das Du hier links siehst, war im Januar diesen Jahres:


Bild: yanzeauh

In China dauert der Bau eines solchen Gebäudes zwei Jahre. Als Startrampen werden die bereits existierenden für die Changzheng 5 und Changzheng 7 verwendet. Du kannst hier sehen, wie das orange Bahngleis in die bereits existierende grüne Strecke einmündet (das Gelbe links sind die Anlagen für die Mondrakete):


Bild: Vony7

Die neuen Starteinrichtungen dürften also wohl Anfang 2026 fertig werden. Im Prinzip könnte man die kommerziellen Raketen aber auch in dem existierenden CZ-5-Gebäude montieren. Ich würde also nicht ausschließen, dass bereits nächstes Jahr eine Rakete startet:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=12217.msg559515#msg559515

Bei den ersten Flügen wird man die Erststufe der Rakete sicher nicht auffangen, sondern wie bei der Interkontinentalrakete Dongfeng 5 zunächst versuchen, ein definiertes Seegebiet zu treffen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnverfolgungsschiffsbasis_Jiangyin#Geschichte

Prinzipiell gilt bei Seelandungen das Gleiche wie bei Seestarts: sie erfordern eine ruhige See. Von März bis November ist die See östlich von Hainan ausgesprochen unruhig. Von daher wird dieses Fangsystem wohl immer ein Nischendasein fristen. Die Raketen sind zu dick, um sie mit der Bahn zum Kosmodrom Jiuquan zu bringen und die Stufen dann auf dem Grasland des Dörbed-Banners aufzufangen, und um sie in Baikonur zu produzieren, müssten in Kasachstan erst einmal stabile politische Verhältnisse herrschen ...

Das Einfangen der Erststufe der Changzheng 9 (10 m Durchmesser) ist für die kommenden Jahrzehnte nicht geplant. Die Aufgabe dieser Rakete ist es, schwere und große Einzelstücke (Raumstationmodule, Mondstationmodule, Tiefraumsonden und Marsraumschiffmodule) ins All zu befördern, alle paar Jahre mal eines. Wenn sie Treibstoff für eine Landung mitführen würde, würde das die Nutzlast reduzieren. Der ursprünglich angedachte Bau eines kilometergroßen Sonnenkraftwerks, wo viele kleine Komponenten hochgebracht werden müssen, ist möglicherweise aus chaosmathematischen Gründen prinzipiell nicht möglich (ein diesbezügliches Forschungsprojekt läuft). Damit würde eine wiederverwendbare CZ-9 überhaupt nie gebraucht.

Die Satelliten für das Nationale Netzwerk überlässt man jetzt als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme den halbstaatlichen Raketenbauern. Im Prinzip wie beim Autobahnbau in den 30er Jahren: man hätte das mit Baggern und Planierraupen wesentlich effizienter und billiger machen können als mit spatenschwingenden Arbeitsdienstlern. Aber so war die Jugend von der Straße weg (die sogenannte "Jugendarbeitslosigkeit" in China ist eine Jungakademikerarbeitslosigkeit) und am Ende hatte man eine militärisch nutzbare Infrastruktur.