Zwillingsmissionen - pro und contra

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Offline Toliman

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Zwillingsmissionen - pro und contra
« am: 17. Januar 2022, 01:20:21 »
In der Vergangenheit war es immer wieder üblich, eine Raumsonde zweimal zu bauen und beide Exemplare kurz nacheinander zu starten. Bekannte Beispiele sind Viking 1 + 2, Voyager 1 + 2 und Venera 9 + 10.
Der Vorteil dieses Vorgehens ist, daß im Fall eines Fehlstarts oder Totalausfalls einer Sonde immer noch die andere die Mission ausführen kann und im Erfolgsfall beider Sonden mehr Erkenntnisse gewonnen werden, als nur mit einer Sonde, der Nachteil sind erhöhte Kosten.
Um wieviel sind die Kosten für zwei Raumsonden (inklusive Start und Betreuung) höher als für eine Sonde? Warum wurde das Doppelsondenprinzip bei Galileo, Cassini, New Horizons und Curiosity nicht angewandt?

Offline FlyRider

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Re: Zwillingsmissionen - pro und contra
« Antwort #1 am: 17. Januar 2022, 07:44:14 »
Ich hab mir die Frage auch schon gestellt, aber man wird wohl nur schwer konkrete Zahlen finden können.

Ich denke, dass die NASA das Risiko des Scheiterns einer "normalen" Orbiter- oder FlyBy- Mission heute also gering einstuft, dass man aus den genannten Kostengründen nur eine Sonde baut. Früher (Voyager, Pioneer,...) war man sich wohl noch nicht so sicher, deshalb jeweils 2 Missionen.

Bei Missionen mit hohem Risiko, fährt die Nasa ja immer noch zweigleisig, siehe Spirit und Opportunity. Bei des MSLs denke ich mal, das Perci auch schon immer als Backup im Hinterkopf der NASA war. Perci ist übrigens kaum günstiger als Curiosity, wobei es aber auch kein 100% Clon ist.

Aber wie viel teurer ein echte Zwillingsmission wäre, keine Ahnung. Aber z.B. das DSN der NASA wurde vor kurzem erweitert, um mehr Kapazität bereitstellen zu können. Die Limits des DSN könnte auch ein Grund sein, warum man nicht mehrere weitgehend identische Missionen haben möchte.

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Offline Schillrich

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Re: Zwillingsmissionen - pro und contra
« Antwort #2 am: 17. Januar 2022, 08:08:23 »
Ein "echter Zwilling", der direkt mitgebaut wird, ist im Bau tatsächlich nicht so viel teurer. Wenn vorher das Design qualifiziert ist, sind das nur zusätzliche Teile und Arbeitsstunden. Teure Entwicklungsarbeiten und Qualifikationstests fallen nicht mehr an. Der Start schlägt doppelt zu Buche und mehrjähriger Betrieb mit einer größeren Mannschaft macht den Betrieb auf jeden Fall teurer.

Konkrete Zahlen? Schwierig ... öffentlich nicht verfügbar (interne Kostenrechnung der Firmen) und nicht einfach zu interpretieren (was wurde wie abgerechnet?).
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

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Offline Sensei

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Re: Zwillingsmissionen - pro und contra
« Antwort #3 am: 17. Januar 2022, 10:24:06 »
Die Mehrkosten hängen auch SEHR stark davon ab, wie stark die Idee der Zwillingsmission mitgedacht wird, wie effizient alles gestaltet wird und wie viele Änderungen noch vorgenommen werden.
Aber... aus der Hüfte geschossen würde ich die Mehrkosten für eine echte, effiziente Zwillingsmission mit 10% - 30% angeben (ohne Start und Missionsdurchführung. Nur um den Zwilling gleich mitzubauen.

Es werden bei der Konstruktion großer Missionen eh etliche Modelle gebaut - Testmodelle in verschiedenen Graden der technischen Reife und auch schon komplette Zwillinge.

Die Idee der Zwillingsmissionen lässt sich ja auch nicht nur bei Tiefenraumsonden Sonden einsetzen, sondern auch bei Erdbeobachtung, bei Rovern/Landern oder bei Weltraumteleskopen.

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Wegen geringerer technischer Sicherheit der Umsetzung setzt China bisher ja auch noch häufig auf den Bau von weitgehend identischen Doppelmissionen. Wenn die erste Mission schon gut funktioniert - um so besser. Dann kann man gleich bei der Zweitmission den Einsatz erweitern und verändern. Aber wenn die erste Mission schiefgeht hat man gleich einen Ersatz im Hangar.

Re: Zwillingsmissionen - pro und contra
« Antwort #4 am: 18. Januar 2022, 06:36:09 »
Raumsondenbau ist bisher Prototypenbau. Dadurch werden sie sehr teuer weil man vieles aus dem Vollen schnitzt anstelle auf Standartware zu gehen.
Eine Kleinserienproduktion könnte hier die Preise senken und dann könnte man mehr als nur Zwillingsmissionen durchführen.

Evebtuell könnte man den Sondenbau an die Industire abgeben.
Man schreibt aus, welche Instrumente wo wie lange eingesetzt werden sollen und natürlich ein Zeitfenster wann die Sonde ihr Ziel erreichen muss.

Wie der Auftragnehmer das dan umsetzt ist seine Sache.
Und wenn man dann ein Bündel (z.B. 2 Jupiterorbiter 2 Neptunorbiter und 2 Uranusorbiter) ausschreibt werden die Preise sinken.

Bei Zwillings und mehrfachmissilnen wird man dann auf eher günstigere Verfahren wechseln.
 
Anstelle von sehr leichten Sonden mit RTG aud z.B. einer Delta könnte dann auch auf einer FH eine 60t Sonde mit Ionenantrieb zum Zuge kommen die sich aus dem LEO herausschraubt am ziel kann man dann die riesigen Solarzellen für die versorgung der Sonde nutzen.







Stefan307

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Re: Zwillingsmissionen - pro und contra
« Antwort #5 am: 07. März 2022, 14:55:52 »
Mir kommt es so vor das in jüngerer Zeit "heimlich" ein Zwilling mit gebaut wird, allerdings wegen Start und Missionskosten auf der Erde zurück bleibt( Sonden missionen scheitern ja heutzutage eher selten) die Hardware taucht dann mitunter für eine "Spinoff" Mission wieder auf, in wie weit man dann allerdings durch umbauten etc. Noch etwas einspart? Das Lagern von solcher Hardware in Einsatzbereiten Zustand ist ja auch recht teuer...

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Offline HausD

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Re: Zwillingsmissionen - pro und contra
« Antwort #6 am: 07. März 2022, 16:01:39 »
Zwillinge ...

Noch ein Aspekt von mir: Man war froh darüber, wenn man bei einer Mission in extreme Weiten mit ebenso extremen Zeiten das Missionsgerät nicht nur in Papier vorliegen hat, sondern bei Technologiewechseln es noch einmal in Funktion auf der Erde stehen hat.
Damit war man in der Lage eine zwingend nötige neue Technologie auf der Erde am "uralten" Zwilling auszuprobieren bzw sie so anzupassen, dass der Betrieb mit dem "uralten" Missionsgerät erfolgen konnte.
Was leider dann nicht gelingt, wenn man es aus "Kostengründen" ignoriert hat ...

Gruß, HausD

Stefan307

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Re: Zwillingsmissionen - pro und contra
« Antwort #7 am: 07. März 2022, 17:14:54 »
HausD das höhrt sich für mich eher nach einem Ingenieurs Modell an, die sollte es doch nachwievor geben!?

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Offline cullyn

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Re: Zwillingsmissionen - pro und contra
« Antwort #8 am: 08. März 2022, 14:02:02 »
Mir kommt es so vor das in jüngerer Zeit "heimlich" ein Zwilling mit gebaut wird, allerdings wegen Start und Missionskosten auf der Erde zurück bleibt

Grundsätzlich gibt es bei allen Missionen immer Tradeoffs bezüglich "Redundanz" vs Kosten die in jeder individuellen Mission anders getroffen werden.

Das Risiko das ein Satellit/Sonde/... irgendwann beim Zusammenbau einen Fehler hat der nicht einfach/schnell zu reaprieren ist, ist schonmal da.
Es sind auch schon Satelliten beim Verladen vom Kran gestürzt....
Ohne Zeitdruck kein Problem, bei zeitkritischen Dingen kann es ein Showstopper werden. Egal ob eine Marsmission für ~2 Jahre ihr günstiges Startfenster verliert, oder ob bei einem Satelliten die Frequenzreservierung verfällt, es gibt Gründe warum man physikalische Redundanz bis zum Start will.

Dann kommt das Risiko, das ein Raketenstart schief geht, nach geglücktem Start  gibt es ein Restriskio das z.B. etwas schief geht beim Ausklappen der Solarpannels.....

Je nach Hardware kann ein Spare durchaus 2/3-3/4 der Kosten des ersten Designs zusätzlich benötigen, das muss man bezahlen wollen.
Es gibt deshalb Missionen die haben Teilweise (z.B. zentrale Instrumente) oder vollständig ein Spare und Missionen bei denen alles auf eine Karte gesetzt wird. Und dann gibt es Missionen die hatten mal ein Spare bis der erste Ernstfall eintrat ...



Offline Hugo

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Re: Zwillingsmissionen - pro und contra
« Antwort #9 am: 08. März 2022, 17:34:04 »
Es kommt auch immer eine Produktionseigenschaft hinzu. Eine Raumsonde wird nicht am Fließband gebaut. Aber (bis auf wenige Ausnahmen) werden Raumsonde auch nicht in Serie oder Kleinserie gebaut.

Bei einer Serie oder Kleinserie bereite ich mich drauf vor, ein oder zwei mal im Jahr ein oder zwei Raumsonden zu bauen. Das gibt es hier nicht.

Sondern man hat die Idee für ein Bauteil und baut dieses jetzt 5 mal. Dann wird es eingelagert und nie wieder neu gebaut. Wenn sich etwas ändert, dann wird das Bauteil umgearbeitet und wieder eingelagert. Ein Bauteil braucht man für einen Dauerversuch, eins  für einen Zerstörungstest. Dann bleiben 3 übrig. Davon wird ein Prototyp gebaut zum Testen auf der erde. Bleiben 2 übrig. Jetzt kann man eine Raumsonde bauen und hat noch 1 Teil übrig. Und es können schon Jahrzehnte vergangen sein, seit dem Bauen des ersten kleinen Bauteils.

Und das macht man Bauteil für Bauteil und Baugruppe für Baugruppe. Somit hat man am Ende oft Zertifizierte Teile übrig für andere Missionen.