Mögliche und tatsächliche (Kollisions-) Gefahren durch Megakonstelllationen

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Offline Gertrud

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Ein Kollisionsrisiko gibt es ja im Prinzip schon immer,
aber die explosive steigen Anzahl von Raumflugkörpern könnte eben zum Problem werden.
In dem Thread sollen alle bekannten Vorgänge dokumentiert werden.

***

Zwei Satelliten aus den schnell wachsenden Konstellationen von OneWeb und SpaceX's Starlink wichen einer gefährlich nahen Annäherung aneinander im Orbit aus, so Vertreter der US Space Force und von OneWeb. Es ist die erste bekannte Kollisionsvermeidung der beiden rivalisierenden Unternehmen, die sich ein Wettrennen um den Ausbau ihrer neuen Breitband-Netzwerke im Weltraum liefern. Der Start erfolgte am 26.04.2021 um 00:14:08.194 MESZ.

Am 30. März 2021, fünf Tage nachdem OneWeb seine neueste Serie von 36 Satelliten von Russland aus gestartet hatte, erhielt das Unternehmen mehrere "rote Alarme" von der 18. Raumfahrtkontrollstaffel der US Space Force, die vor einer möglichen Kollision mit einem Starlink-Satelliten warnten. Da die Konstellation von OneWeb in höheren Umlaufbahnen um die Erde operiert, müssen die Satelliten des Unternehmens das Netz der Starlink-Satelliten von SpaceX passieren, die in einer Höhe von etwa 550 km kreisen.
Eine Warnung der Space Force gab eine Kollisionswahrscheinlichkeit von 1,3 Prozent an, wobei sich die beiden Satelliten bis zu 190 Feet (ca. 58 Meter) nähern würden, eine gefährlich geringe Entfernung für Satelliten im Orbit.

Zitat
One Space Force alert indicated a collision probability of 1.3 percent, with the two satellites coming as close as 190 feet — a dangerously close proximity for satellites in orbit.
Space Force’s urgent alerts sent OneWeb engineers scrambling to email SpaceX’s Starlink team to coordinate maneuvers that would put the two satellites at safer distances from one another.
"“Coordination is the issue. It is not sufficient to say ‘I’ve got an automated system.’”"
Derzeit gibt es keine nationale oder globale Autorität, die Satellitenbetreiber dazu zwingen würde, Maßnahmen bei vorhergesagten Kollisionen zu ergreifen. Die dringende Warnung der Space Force veranlasste die OneWeb-Ingenieure, das Starlink-Team von SpaceX per E-Mail zu kontaktieren, um ein Manöver zu koordinieren, die die beiden Satelliten in einen sichereren Abstand zueinander bringen würden.
Während der Koordination mit OneWeb deaktivierte SpaceX sein automatisches KI-gestütztes Kollisionsvermeidungssystem, um OneWeb zu ermöglichen, seinen Satelliten aus dem Weg zu steuern, so OneWebs Chef für Regierungsangelegenheiten Chris McLaughlin.

SpaceXs automatisches System zur Vermeidung von Satellitenkollisionen hat eine Kontroverse ausgelöst und Bedenken bei anderen Satellitenbetreibern hervorgerufen, die sagen, dass sie keine Möglichkeit haben zu wissen, in welche Richtung das System einen Starlink-Satelliten im Falle einer Annäherung bewegen wird. "Die Koordination ist das Problem", sagt McLaughlin. "Es reicht nicht aus zu sagen: 'Ich habe ein automatisiertes System', denn der andere hat es vielleicht nicht und wird nicht verstehen, was Ihr System zu tun versucht."

"Was nützt es, es zu haben, wenn man es abschalten muss, damit es nicht zu einer potenziellen Kollision kommt?" sagt Victoria Samson von der Secure World Foundation und fügt hinzu, dass das Fehlen eines klaren internationalen Rahmens für das Management von aktiven Objekten im Weltraum es weitgehend unklar macht, wer im Falle einer Kollision tatsächlich verantwortlich gemacht werden würde.
Quelle:
https://www.theverge.com/2021/4/9/22374262/oneweb-spacex-satellites-dodged-potential-collision-orbit-space-force
https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=12624.msg507838#msg507838
 
Und dieses Starlink-Problem ist nicht das Erste.
Im Jahr 2019 musste der Erdbeobachtungssatellit Aeolus der Europäischen Weltraumbehörde(ESA) einem Starlink-Satelliten ausweichen, um eine mögliche Kollision zu vermeiden. SpaceX bewegte seinen Satelliten aufgrund eines Computerfehlers nicht, der eine ordnungsgemäße Kommunikation mit der ESA verhinderte, so die Aussage das Unternehmen damals.
https://www.esa.int/Space_in_Member_States/Germany/ESA-Satellit_Aeolus_weicht_grosser_Konstellation_aus
https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=13231.msg460112#msg460112

Beste Grüße Gertrud
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Offline Gertrud

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Progress MS-17 und ein Fragment der Falcon 9

Nach Angaben des Zentralen Informations- und Analysezentrums  zur Warnung vor gefährlichen Situationen im erdnahen Weltraum Von ZNIIMash (Roskosmos) wird am 2. Juli 2021 erwartet, dass sich Progress MS-17 um 00:32 Uhr MSK in einer Entfernung von etwa 1,5 km dem Satelliten Starlink 1691 nähert.
Innerhalb von drei Minuten wird sich ein Fragment der im Jahr 2020 gestarteten Trägerrakete Falcon 9 dem russischen Raumschiff auf eine Entfernung von etwa 500 Metern nähern.

Die Begegnungen finden 3,5 Stunden vor dem Andocken des Frachtfahrzeugs Progress MS-17 an die ISS statt, das am 2. Juli um 04:02 Uhr MSK geplant ist.

Das Russische Kontrollzentrum überwacht diese Situation weiterhin kontinuierlich.      Quelle: Roskosmos

Gruß, HausD

https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=17645.msg514095#msg514095

https://www.roscosmos.ru/31686/

Gruß Gertrud
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Offline Sensei

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Korrektur: STARLINK-1691 ist ein operativer Starlinksatellit im Zielorbit. Und damit eine Nutzlast der Falcon9 - kein Fragment eben dieser.

Und meine Hochachtung vor dem Vorhaben hier alle nahe Begegnungen mit Satelliten der Großkonstellationen zu protokollieren.
Aber angesichts deren Anzahl dürfte das eine ziemliche Sisyphusarbeit werden.

Werden überhaupt alle Begegnungen und Ausweichmanöver veröffentlicht? Sonst ist man ja automatisch auf die Vorauswahl der Berichtenden angewiesen.

EDIT:
Professor Hugh Lewis gibt auf Twitter einen regelmäßigen Report über derartige Begegnungen raus. Interessenten sollten hier ein Auge drauf haben.
https://twitter.com/ProfHughLewis/status/1410985613285904389

« Letzte Änderung: 02. Juli 2021, 17:43:47 von Sensei »

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Offline tomtom

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Ich find es schon berechtigt, dass zu thematisieren, wir müssen ja nicht jede Annäherung aufführen und beispielhaft/aktuell an dem Thema diskutieren.

Ich gestehe, dass mich das Thema nicht gerade zu einer Raumfahrtbegeisterung treibt, da es für mich viel zu operativ ist. Der besagte Fall Starlink-Oneweb wurde ja schon an anderer Stelle thematisiert und wird wohl der Klassiker. Was mich daran überrascht und interessiert ist, was es mit der KI-automatischen Kollisionsvermeidungssteuerung von SpaceX auf sich hat. Und das die dann auch noch abgeschaltet wurde, als es drauf an kam.

Wer da also nähere Infos hat, bitte posten.

Ich verlinke hier nochmal folgenden Artikel zum Sachverhalt (denn das dort verlinkte "Conjunction Data Message"-Dokument fand ich ganz interessant.
https://arstechnica.com/information-technology/2021/04/spacex-says-oneweb-spread-false-story-of-near-miss-satellite-collision/

 
Im Zweifel hilft die Such-Funktion:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?action=search

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Offline Gertrud

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Collisions Avoidance:Starlink-on-Debris.

Zitat
SpaceX have released a bit more info on the 'automatic' collision avoidance that some people have been confused about.  As suspected, what they mean is that they rely on conjunction warnings generated by SpaceForce radar tracking which are uploaded to the satellites.
https://twitter.com/planet4589/status/1429525312577183746

Zitat
The 'automatic' part is that the sat then decides by itself if it needs to manuever. And there is no check, I belive, that the manuever won't accidentally put it in the way of another satellite (acceptable at today's satellite population levels but maybe not in the future)
https://twitter.com/planet4589/status/1429525762034606081

Eine nicht wortgetreue Übersetzung:

SpaceX hat Informationen über die „automatische“ Kollisionsvermeidung veröffentlicht.
Sie verlassen sich auf Konjunktionswarnungen, die von der SpaceForce-Radarverfolgung erzeugt und auf die Satelliten hochgeladen werden.
Der "automatische" Teil ist, dass der Sat dann selbst entscheidet, ob er manövrieren muss. Und es gibt vermutlich keine Kontrolle,dass das Manöver nicht versehentlich einem anderen Satelliten in die Quere kommt.
Kredit: Jonathan McDowell @planet4589

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Das liest sich für mich noch nicht vollständig. Das Bild setzt sich nicht 1:1 zusammen. Wenn die Begegnungswarnungen von der SpaceForce kommen, also aus deren Trackingdaten und Analysealgorithmen, was hat dann der Satellit noch selbst zu entscheiden? Er kann nicht "mehr" über die Umgebung und andere Satelliten wissen als die SpaceForce, um die Frage des "obs" eines Manövers anders zu beantworten. Er kann bestenfalls noch den Zeitpunkt seines Manövers selbst bestimmen.

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Online alepu

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www.teslarati.com/spacex-starlink-half-million-preorders-gwynne-shotwell/

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Das liest sich für mich noch nicht vollständig. Das Bild setzt sich nicht 1:1 zusammen. Wenn die Begegnungswarnungen von der SpaceForce kommen, also aus deren Trackingdaten und Analysealgorithmen, was hat dann der Satellit noch selbst zu entscheiden? Er kann nicht "mehr" über die Umgebung und andere Satelliten wissen als die SpaceForce, um die Frage des "obs" eines Manövers anders zu beantworten. Er kann bestenfalls noch den Zeitpunkt seines Manövers selbst bestimmen.

Zeitpunkt der Triebwerkszündung. Richtung des Schubs. Stärke des Schubs. Damit auch über die neuen Bahnparameter. Und außerdem: ob überhaupt ein Ausweichmanöver nötig ist.

Collisions Avoidance:Starlink-on-Debris.

Zitat
SpaceX have released a bit more info on the 'automatic' collision avoidance that some people have been confused about.  As suspected, what they mean is that they rely on conjunction warnings generated by SpaceForce radar tracking which are uploaded to the satellites.
https://twitter.com/planet4589/status/1429525312577183746

Zitat
The 'automatic' part is that the sat then decides by itself if it needs to manuever. And there is no check, I belive, that the manuever won't accidentally put it in the way of another satellite (acceptable at today's satellite population levels but maybe not in the future)
https://twitter.com/planet4589/status/1429525762034606081

Eine nicht wortgetreue Übersetzung:

SpaceX hat Informationen über die „automatische“ Kollisionsvermeidung veröffentlicht.
Sie verlassen sich auf Konjunktionswarnungen, die von der SpaceForce-Radarverfolgung erzeugt und auf die Satelliten hochgeladen werden.
Der "automatische" Teil ist, dass der Sat dann selbst entscheidet, ob er manövrieren muss. Und es gibt vermutlich keine Kontrolle, dass das Manöver nicht versehentlich einem anderen Satelliten in die Quere kommt.
Kredit: Jonathan McDowell @planet4589

Natürlich basiert die „automatische Kollisionsvermeidung" auf der SpaceForce-Radarverfolgung. Alles andere wäre auch mehr als seltsam:

- Zum einen kennt SpX die Positionen der Fremdsatelliten und Trümmerstücke nicht.
- Aber auch die eigenen Sats werden von der SF-Radarverfolgung mit Sicherheit genauer getrackt als durch die eigenen Methoden.
- Alternative wäre allein der Aufbau einer besseren Weltraum-Radarüberwachung, als es das US-Militär derzeit bieten kann. Das wäre doch unverähltnismäßig

Wichtig ist außerdem noch die in der Übersetzung weggefallene Eingrenzung von Hr.  McDowell:

Zitat
(acceptable at today's satellite population levels but maybe not in the future)
--
(Akzeptabel bei den heutigen Satellitenpopulationen, aber vielleicht nicht mehr in der Zukunft)
Dazu kommt, dass diese fehlende Überprüfung von Auswirkungen einer solchen Folgenabschätzung (gerade für Starlink-Starlink Begegnungen) eine reine Vermutung von hr McDowell sind.

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Nach Gwynne Shotwell hat SX inzwischen nahezu 600.000 Vorbestellungen.

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Nicht schlecht für eine Beta. Aber mittelfristig muss das schon noch mehr werden:

Sollten sich 0.5 Mio Verträge realisieren lassen wäre SpaceX bei einem Einkommen von (~0.5Mio * ~1.000 $/Jahr) 0.5 Mrd. $ - oder 2.5 Mrd $ innerhalb von 5Jahren/Lebenszeit der ersten Generation von Starlink.

Die Beta/erste Generation ist noch ein Zuschussgeschäft für SpaceX und man braucht langfristig eher so 2-3 Mio Kunden damit sich das System lohnt. Ab dann würde aber auch der Rubel rollen  8)

- Alternative wäre allein der Aufbau einer besseren Weltraum-Radarüberwachung, als es das US-Militär derzeit bieten kann. Das wäre doch unverähltnismäßig

Warum ist es unverhältnismäßig, als Betreiber von über 50% aller aktiven Sats (Tendenz rapide steigend), selbst für entsprechendes Tracking verantwortlich zu sein anstatt auf eine öffentliche Infrastruktur zu bauen, die für ganz andere Dimensionen konzipiert war?
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Das liest sich für mich noch nicht vollständig. Das Bild setzt sich nicht 1:1 zusammen. Wenn die Begegnungswarnungen von der SpaceForce kommen, also aus deren Trackingdaten und Analysealgorithmen, was hat dann der Satellit noch selbst zu entscheiden? Er kann nicht "mehr" über die Umgebung und andere Satelliten wissen als die SpaceForce, um die Frage des "obs" eines Manövers anders zu beantworten. Er kann bestenfalls noch den Zeitpunkt seines Manövers selbst bestimmen.

Zeitpunkt der Triebwerkszündung. Richtung des Schubs. Stärke des Schubs. Damit auch über die neuen Bahnparameter. Und außerdem: ob überhaupt ein Ausweichmanöver nötig ist.

...

Das Letzte ergibt doch keinen Sinn. Wenn Basis des Ausweichens die Trackingdaten vom Boden sind, kann der Satellit nicht mehr darüber wissen und eine andere Entscheidung treffen als der Algorithmus am Boden. Er kann keine andere Lagefeststellung zur seiner Umgebung und sich bewegenden Objekten haben als der Boden.

Das Einzige, was der Satellit ggf. neu/aktuell weiß: seinen eigenen Zustand. Vielleicht hat er ein Problem intern entwickelt, das auch am Boden noch nicht bekannt ist. Das kann aber bestenfalls zum Abbruch eines Manövers führen.
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Weil die Daten und die öffentliche öffentliche Infrastruktur nun schon mal da ist?
Einfach eine Paralelstruktur zur öffentlichen Infrastruktur aufzubauen, um sagen zu können: "Schaut her, wir haben das selbst gemacht!" ?!

Unternehmen machen ja auch keine eigene Volkszählung oder bauen ein eigenes Wikipedia auf (so lange sie mit den Daten zufrieden sind).

Es ist der öffentlichen Hand immer noch möglich, gebühren für eine  öffentliche Nutzung zu erheben. Insbesondere wenn ein Unternehmen übermäßig stark davon profitiert.

Schillrich: Du hast damit recht, dass der Sat eher weniger wissen wird als die Bodenstation.
Ich nahm allerdings an, dass diese Analysealgorithmen am Boden/im Kontrollzentrum zentral durchgeführt werden und dann automatisch an die Satelliten verteilt werden.

Beispiel: Bodenstation errechnet eine Begegnung von durchschnittlich 1 km Entfernung bei einem durchschnittlichen Positionsfehler von etwa 100m.
Das ist dann eine nahe Begegnung mit Kollisionwarnung. Aber man muss dann auch immer Wahrscheinlichkeit für eine Kollision dagegen halten.

Das liest sich für mich noch nicht vollständig. Das Bild setzt sich nicht 1:1 zusammen. Wenn die Begegnungswarnungen von der SpaceForce kommen, also aus deren Trackingdaten und Analysealgorithmen, was hat dann der Satellit noch selbst zu entscheiden? Er kann nicht "mehr" über die Umgebung und andere Satelliten wissen als die SpaceForce, um die Frage des "obs" eines Manövers anders zu beantworten. Er kann bestenfalls noch den Zeitpunkt seines Manövers selbst bestimmen.

Zeitpunkt der Triebwerkszündung. Richtung des Schubs. Stärke des Schubs. Damit auch über die neuen Bahnparameter. Und außerdem: ob überhaupt ein Ausweichmanöver nötig ist.

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Das Letzte ergibt doch keinen Sinn. Wenn Basis des Ausweichens die Trackingdaten vom Boden sind, kann der Satellit nicht mehr darüber wissen und eine andere Entscheidung treffen als der Algorithmus am Boden. Er kann keine andere Lagefeststellung zur seiner Umgebung und sich bewegenden Objekten haben als der Boden.

Das Einzige, was der Satellit ggf. neu/aktuell weiß: seinen eigenen Zustand. Vielleicht hat er ein Problem intern entwickelt, das auch am Boden noch nicht bekannt ist. Das kann aber bestenfalls zum Abbruch eines Manövers führen.

Zumal laut der Grafik nur die CDMs an die einzelnen Sats gegeben werden. Das heißt, der on-board Algorithmus kann nicht wissen ob ein Manöver in naher Zukunft zu einem anderen Close Approach führen kann. Und wenn Probleme nur on-board bekannt sind, aber nicht am Boden, heißt das, dass TM/TC nicht mehr funktioniert, denn die Sats haben ja immer Bodenkontakt sonst könnten sie auch kein Internet liefern. Das wiederum bedeutet, dass auch die CDMs nicht mehr hochgeladen werden können.
Mir leuchtet nicht so ganz ein, warum man nicht stattdessen automatisiert am Boden die Maneuver berechnet?



Weil die Daten und die öffentliche öffentliche Infrastruktur nun schon mal da ist?
Einfach eine Paralelstruktur zur öffentlichen Infrastruktur aufzubauen, um sagen zu können: "Schaut her, wir haben das selbst gemacht!" ?!

Unternehmen machen ja auch keine eigene Volkszählung oder bauen ein eigenes Wikipedia auf (so lange sie mit den Daten zufrieden sind).

Es ist der öffentlichen Hand immer noch möglich, gebühren für eine  öffentliche Nutzung zu erheben. Insbesondere wenn ein Unternehmen übermäßig stark davon profitiert.
Es ging doch genau darum, dass die Infrastruktur nicht (ausreichend) vorhanden ist für die sich entwickelnden Gegebenheiten?!
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@stilles Wasser: hatte deinen Post so gelesen, dass es nicht fair ist, wenn kommerzielle Anbieter sich so stark auf öffentlich (finanzierte) Infrastruktur stützen.

Aber dann habe ich dich falsch verstanden. Entschuldige.

Inwiefern reicht diese Weltraumüberwachung durch die SF (im Zusammenspiel mit weiteren internen Daten) nicht zur automatischen Kollisionsvermeidung aus?

@stillesWasser, erster Teil deines Beitrags

Letztendlich ist es eine Frage, wie autonom sind die Satelliten? Wieviel "Betriebs-KI" steckt am Boden und kommandiert die Satelliten. Die Rechnungen und Entscheidungen kann man sicherlich alle am Boden treffen. Andererseits wäre die Anforderung "ständig Kontakt" haben zu müssen, damit die Satelliten arbeiten und manövrieren können, eher "unrobust". Im Falle einer Unterbrechung, aus welchem Grund auch immer, wären sie sofot unkontrollierte Objekte. Daher ist es schon sinnvoll ihnen Lage- und Entscheidungsdaten hochzuspielen und sie von da an alleine laufen zu lassen bis zum nächsten Update. Auch heute überwachen sich klassische Satelliten ja über lange Perioden selbst und haben FDIR-Funktionen an Bord.
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Offline Klakow

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Das liest sich für mich noch nicht vollständig. Das Bild setzt sich nicht 1:1 zusammen. Wenn die Begegnungswarnungen von der SpaceForce kommen, also aus deren Trackingdaten und Analysealgorithmen, was hat dann der Satellit noch selbst zu entscheiden? Er kann nicht "mehr" über die Umgebung und andere Satelliten wissen als die SpaceForce, um die Frage des "obs" eines Manövers anders zu beantworten. Er kann bestenfalls noch den Zeitpunkt seines Manövers selbst bestimmen.
Soviel ich weiß sind die Satelliten auf Bahnen im All und das ist alles dort in 3D und es gibt auch keine Autobahnen wo man nur auf eine andere Spur oder zur Not auf den Standstreifen ausweichen kann, es gibt also sehr viele Ausweichbahnen!
Eines ist sicher, jeder Satellit braucht irgend eine Instanz die Entscheidet wie die Bahnparameter sein sollen und diese Instnanz braucht dazu Daten die ihm sagen was sinnvoll ist und was nicht. Macht das der Sat selber, so braucht er Zugriff auf diese daten, egal woher er die nimmt.
Das ist vermutlich mit ein Grund warum sich EM öfter ärgert das dabei immer noch jahrzehnte alte Strukturen, z.B. bei der FAA, den Betrieb ausbremsen.

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@stillesWasser, erster Teil deines Beitrags

Letztendlich ist es eine Frage, wie autonom sind die Satelliten? Wieviel "Betriebs-KI" steckt am Boden und kommandiert die Satelliten. Die Rechnungen und Entscheidungen kann man sicherlich alle am Boden treffen. Andererseits wäre die Anforderung "ständig Kontakt" haben zu müssen, damit die Satelliten arbeiten und manövrieren können, eher "unrobust". Im Falle einer Unterbrechung, aus welchem Grund auch immer, wären sie sofot unkontrollierte Objekte. Daher ist es schon sinnvoll ihnen Lage- und Entscheidungsdaten hochzuspielen und sie von da an alleine laufen zu lassen bis zum nächsten Update. Auch heute überwachen sich klassische Satelliten ja über lange Perioden selbst und haben FDIR-Funktionen an Bord.

Pro Satellit sollen ja nicht soo häufig Kollisionswarnungen kommen. Diese Steuerkommandos kann man ruhig vom Boden aus einspielen.

Und sollte ein Satellit über einige Tage, unerwartet, keinen Kontakt zur Bodenstation aufbauen können, dann sollte sich der Satellit selbst als defekt identifizieren und selbst in den Deorbit begeben (meine persönliche Einschätzung). Ein Kommunikationssatellit ohne Kommunikationsmöglichkeit ist für den Betreiber ja auch nur noch eine Last

Du musst aber trennen zwischen Kommunikationsnutzlast (nutzt Starlink das Ka-Band?) und Telemetrie- und Telecommandsubsystem (normalerweise im S-Band, wie macht das Stalink?) an Bord. Beide Ströme laufen auf unterschiedlichen Frequenzen/Bändern und sind auch an Bord technisch getrennt (das eine ist Plattform, das andere ist Nutzlast). S-Bandbodenstationen gibt es zwar viele weltweit, aber nicht global z.B. über den Ozeanen. Außerdem werden die von vielen Missionen "gebucht", u.a. in Norwegen und Schweden, und sind nicht ständig für ein Space-System verfügbar. Wegen der Autonomie an Bord braucht man das auch nicht.
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Zitat
The TT&C subsystems of the satellite will consist of two Ku-band, two Ka-band, and two X-band
transmitters, as well as two Ku-band and two S-band receivers.
Qulle: FCC Antrag. https://apps.fcc.gov/els/GetAtt.html?id=197815&x

Ich selbst würde einen Satelliten ohne funktionierenden S-Band Zugang trotzdem nicht oben lassen. Selbst wenn er seine Kommunikationsaufgabe für die Kunden noch eine Weile erfüllen könnte..
Gerade bei Starlink kommt es auf den einzelnen Satelliten ja nicht mehr so sehr an.

Du musst aber trennen zwischen Kommunikationsnutzlast (nutzt Starlink das Ka-Band?) und Telemetrie- und Telecommandsubsystem (normalerweise im S-Band, wie macht das Stalink?) an Bord. Beide Ströme laufen auf unterschiedlichen Frequenzen/Bändern und sind auch an Bord technisch getrennt (das eine ist Plattform, das andere ist Nutzlast).
Eine Laien-Frage hierzu: Warum würde man bei Starlink noch ein getrenntes System zum Senden von Telemetrie- und Kommando-Daten benötigen?
Für mich hört sich das nach überflüssigem Ballast an. Wenn ich meine Fritzbox administrieren möchte, geh ich auch nicht über ein extra serielles Kabel drauf. Da im Falle von Starlink Plattform und Nutzlast vom selben Hersteller kommen, frage ich mich, warum man das noch trennt.
(der FCC Antrag galt wohl noch für die beiden Tintins)

Es gibt einige Aspekte, auf ganz verschiedenen Ebenen, die man aber konkret für die eigene Anwendung prüfen und abwägen muss:
  • Regulativ ist z.T. festgelegt, welche Bänder für welche Anwendung/Nutzungsart genutzt werden dürfen, ggf. regional unterschiedlich.
  • S-Band braucht (an Bord) wenig elektrische Leistung und ist kaum/wenig richtungs- und wetterabhängig. Ka-Band ist sehr wetter- und richtungsabhängig. S-Band ist dann auf jeden Fall immer ein gutes "backup" für den Notfall.
  • Für S-Band-TM/TC gibt es etablierte Lösungen, die man "nur einkaufen muss", sowohl auf den Satelliten als auch am Boden.
  • Im S-Band hat man, gerade im Notfall, einen Zugriff auf viele Stationen weltweit, kann also ggf. schnell Kontakt aufnehmen. Im Ka-Band muss man wohl erst ein eigenes Bodenstationsnetz aufbauen.
  • ...

Man kann die Satellitenarchitektur bei Großkonstellationen aber ggf. "umkrempeln": Sie arbeiten rein autonom, lauschen also nur auf Datenpakete/Datenupdates ... vielleicht noch ein paar rudiemtäre Kommandos à la "schalte dich ab!". Und der Satellit packt ein paar Betriebslogs in den Downlink. Wenn sie (ganz autonom) eine Anomalie jedweder Art (Fehler an Bord, kein Datenstrom mehr vom Boden, ...) feststellen, schalten sie sich ab und fliegen aus der Konstellation heraus. Dann gäbe es quasi keine Kommandierung mehr, nur Datenupdates für die KI im Satelliten. Der einzelne Satellit zählt hier ja nicht mehr so viel. Man hätte vielleicht noch Betriebsdaten/Logging von jedem Satelliten, die man später am Boden auswerte kann, was tatsächlich passiert ist ...

Sind die Starlinks so autonome Drohnen, ohne vollständigen Zugriff mehr vom Boden? Das wäre sicher ein sehr schlankes Betriebskonzept am Boden für 1000ende von Satelliten ...
« Letzte Änderung: 23. August 2021, 14:46:42 von Schillrich »
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wo wir gerade dabei sind:

Laut Peter B. de Selding haben die Satelliten der Satlink-Konstellation zuletzt durchschnittlich 13 Ausweichmanöver pro Tag geflogen:
https://twitter.com/pbdes/status/1429778141506060289

Zitat
We performed 2,219 collision-avoidance maneuvers in the 6 months ending May 31 because we use a conservative 1-in-100,000 probability as our threshold for when to move.

Das ist aber mal eine niedrige Schwelle ... aber, durchaus sehr sinnvoll beim Hochskalieren des Systems.
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Danke für die Erörterung!
S-Band braucht (an Bord) wenig elektrische Leistung und ist kaum/wenig richtungs- und wetterabhängig. Ka-Band ist sehr Wetter- und Richtungsabhängig. S-Band ist dann auf jeden Fall immer ein gutes "backup" für den Notfall.
Daran hatte ich noch gar nicht gedacht.

Offline Hugo

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Laut Peter B. de Selding haben die Satelliten der Satlink-Konstellation zuletzt durchschnittlich 13 Ausweichmanöver pro Tag geflogen:
Wie ließt man die auf Twitter verlinkte Grafik? Ich sehe dort Balken von 1 bis 4 Ausweichmanövern. Wenn diese Addiere, komme ich auf 20 Ausweichmanöver in der Summe. Nicht auf 2219.  Oder lese ich die Grafik falsch?

Wenn ich dem Link folge ist der Original-Artikel leider hinter einer Paywall versteckt:
Zitat
To view the entire article, become a subscriber!

Falls jemand Zugriff auf den Artikel hat: Ich wäre höchst interessiert an einem Beispiel-Mannöver. (Datum, Uhrzeit, Satellitennummer).

Es gibt zwar recht oft solche Rohdaten, aber ich würde das nicht als Ausweichmannöver, sondern als Datenfehler bezeichnen. Wenn man den einen falschen Punkt löscht, sieht die Kurve wieder ganz normal aus.



So würde ich mir ein Ausweichmanöver vorstellen:
1) Der Satellit erhöht seinen Orbit. Dadurch fliegt er langsamer und erreicht den Punkt der Bahnkreuzung später. Die Gefahr einer Kollision wäre gebannt.
2) Der Satellit senkt seinen Orbit.
3) Der Satellit passt seinen Orbit wieder an.

Der Treibstoff, welcher für 1+3 benötigt wird, dürfte dem entsprechen welcher bei 2 gespart wird. Somit ist für einen Starlink ein Ausweichmanöver Treibstoffneutral zu realisieren.
Der orangene und der grüne Bereich ist gleich groß, damit der Satellit keine Positionsveränderung erlebt.