Jedes hydraulische oder pneumatische System hat zunächst mal zwei grundsätzlich unterschiedliche Arten von "Dichtstellen". Solche, die bei der Montage einmalig abgedichtet werden, und solche die bei normaler Nutzung und Tests immer wieder öffnen und wieder dicht schließen müssen.
Die erste Art sind üblicherweise "im Gewinde dichtende" Schraubverbindungen oder solche mit Flachdichtungen oder O-Ringen. Die einmalig festgezogen und dann "für immer in Ruhe gelassen" werden. Diese Dichtstellen verfügen über einen quasi "unendlichen Vorrat an nutzbarer Anpresskraft" und sind so im Regelfall unproblematisch.
Die zweite Art sind Ventile mit beweglichen inneren Teilen (im Prinzip einem Ventilsitz und einem Ventilkegel) die beim Befüllen oder im Test oder Einsatz routinemäßig öffnen und schließen müssen. (Oder manuell geöffnet und geschlossen werden müssen.) Die Schließkräfte sind hier oft (z.B. durch eine Fernsteuerung) begrenzt und ein sauberes Medium ist dann natürlich Bedingung.
Diese zweite Art ist um ein mehrfaches kritischer, und es kann durchaus sein, daß die Dichtheit nach einem Test schlechter ist, als sie zuvor war. Typischerweise geht es um den "Nutzausgang" des Systems und den "Befüllanschluß". Durch den Füllstutzen können Schmutzpartikel eingebracht werden, die sich an diesen Stellen auswirken können. Oder es wird der Befüllanschluß nicht richtig behandelt und beschädigt. Die Gefahr der Verunreinigung und Beschädigung ist natürlich umso höher, je öfter man das System befüllt, testet oder nutzt. Und es hängt auch vom jeweiligen Personal ab. Daher ist es statistisch viel wahrscheinlicher, daß ein Fehler in diesem Bereich auftritt.
Interessant ist in diesem Zusammenhang noch, daß die Apollo-Kapseln immer nur einmal benutzt wurden und die Systeme wohl immer in "Reinraumbedingungen" befüllt wurden. Das bedeutet, daß sich der Hersteller beim Starliner nicht auf die hauseigene Apollo-Quellen stützen konnte. Und damit vielleicht Neuland betrat. Es geht hier ja auch nicht um die relativ übersichtliche Herstellung, sondern um den zeitlich und personell viel gestreckteren, andersartigen Servicebereich. (Vielleicht eine "unknown unknown" Situation für die Betroffenen.)