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  • Atlas V N22, CST-100 Starliner (Boe-CFT), CC SLC-41, 16:52 MESZ: 05. Juni 2024

Starliner CST-100 Crew Flight Test auf Atlas V N22 von CC-SLC41

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Online Kelvin

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Re: Starliner CST-100 Crew Flight Test auf Atlas V N22 von CC-SLC41
« Antwort #300 am: 23. Juni 2024, 21:23:26 »
Aber mal zur Erinnerung: beim JWST wurde auch einiges geschrottet, falsches Öl usw. und jetzt funktioniert es doch recht gut.

Es gibt eben gutmütigere Lösungen, und weniger gutmütige. Klar ist, dass Helium ein besonders unangenehmes Medium ist, wenn es um absolute Dichtheit geht.

Grundsätzlich kann man sagen, dass Ventile die mit einem Elastomer abdichten einfacher dicht zu bekommen sind. (Verschmutzungen werden stärker toleriert, ein Elastomer gibt einfach nach und die Dichtläche ist "daneben" noch ausreichend breit.) PTFE / Teflon und ähnliches kann Schmutz zwar auch einigermassen vertragen, das Material verformt sich aber gerne bleibend, was auch Probleme bereiten kann. Metallische Dichflächen mögen Schmutzpartikel natürlich überhaupt nicht, es bildet sich in der Regel ein Spalt oder eine dauerhafte Kerbe in der Dichtfläche.

Manchmal muss man aber aus thermischen Gründen metallische Dichtflächen verwenden. Ich tippe auf Verunreinigung als Ursache, speziell wenn dort Elastomere als Dichtelement nicht verwendet werden konnten. Eine andere, dort vermutlich "beliebte" Möglichkeit dürften dort durch wechselnde Temperaturen verursachte Längenänderungen der Ventilkomponenten sein.

Re: Starliner CST-100 Crew Flight Test auf Atlas V N22 von CC-SLC41
« Antwort #301 am: 24. Juni 2024, 10:18:44 »
Mir fällt auf, daß man dieses Problem mit den Lagekontrolldüsen anscheinend bereits bei den unbemannten Testflügen hatte. "Nix dazugelernt?"

Ich habe das gestern auch gehört. Man hatte genug Zeit, das Problem zu fixen. Jetzt macht man das im Orbit. Kopfschüttel

Re: Starliner CST-100 Crew Flight Test auf Atlas V N22 von CC-SLC41
« Antwort #302 am: 24. Juni 2024, 11:38:33 »
Auch spannend, warum es bei den Acceptance-Tests am Boden nicht aufgefallen ist. Wo habe sie denn da "geschlafen"? Wurde etwas ausgelassen/abgekürzt?
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

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Offline alepu

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Re: Starliner CST-100 Crew Flight Test auf Atlas V N22 von CC-SLC41
« Antwort #303 am: 24. Juni 2024, 11:59:19 »
Auf der anderen Seite muß aber auch gesehen werden, daß diese Kapsel nicht mehr so ganz neu ist.
(Ist diese Kapsel "Calypso" nicht bereits 2019 unbemannt geflogen?)

Durch diese wiederholten Verzögerungen und Lagerung unter wohl unterschiedlichsten Bedingungen ist da möglicherweise ein dauerhafter Schaden an unterschiedlichen Bauteilen, Dichtungen, Ventilen u.ä. eingetreten, der vor dem Start nicht aufgefallen ist, da er eben nur unter Flugbedingungen erkennbar wird.
« Letzte Änderung: 24. Juni 2024, 23:36:01 von alepu »

Online Kelvin

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Re: Starliner CST-100 Crew Flight Test auf Atlas V N22 von CC-SLC41
« Antwort #304 am: 24. Juni 2024, 23:31:28 »
Jedes hydraulische oder pneumatische System hat zunächst mal zwei grundsätzlich unterschiedliche Arten von "Dichtstellen". Solche, die bei der Montage einmalig abgedichtet werden, und solche die bei normaler Nutzung und Tests immer wieder öffnen und wieder dicht schließen müssen.

Die erste Art sind üblicherweise "im Gewinde dichtende" Schraubverbindungen oder solche mit Flachdichtungen oder O-Ringen. Die einmalig festgezogen und dann "für immer in Ruhe gelassen" werden. Diese Dichtstellen verfügen über einen quasi "unendlichen Vorrat an nutzbarer Anpresskraft" und sind so im Regelfall unproblematisch.

Die zweite Art sind Ventile mit beweglichen inneren Teilen (im Prinzip einem Ventilsitz und einem Ventilkegel) die beim Befüllen oder im Test oder Einsatz routinemäßig öffnen und schließen müssen. (Oder manuell geöffnet und geschlossen werden müssen.) Die Schließkräfte sind hier oft (z.B. durch eine Fernsteuerung) begrenzt und ein sauberes Medium ist dann natürlich Bedingung.

Diese zweite Art ist um ein mehrfaches kritischer, und es kann durchaus sein, daß die Dichtheit nach einem Test schlechter ist, als sie zuvor war. Typischerweise geht es um den "Nutzausgang" des Systems und den "Befüllanschluß". Durch den Füllstutzen können Schmutzpartikel eingebracht werden, die sich an diesen Stellen auswirken können. Oder es wird der Befüllanschluß nicht richtig behandelt und beschädigt. Die Gefahr der Verunreinigung und Beschädigung ist natürlich umso höher, je öfter man das System befüllt, testet oder nutzt. Und es hängt auch vom jeweiligen Personal ab. Daher ist es statistisch viel wahrscheinlicher, daß ein Fehler in diesem Bereich auftritt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang noch, daß die Apollo-Kapseln immer nur einmal benutzt wurden und die Systeme wohl immer in "Reinraumbedingungen" befüllt wurden. Das bedeutet, daß sich der Hersteller beim Starliner nicht auf die hauseigene Apollo-Quellen stützen konnte. Und damit vielleicht Neuland betrat. Es geht hier ja auch nicht um die relativ übersichtliche Herstellung, sondern um den zeitlich und personell viel gestreckteren, andersartigen Servicebereich. (Vielleicht eine "unknown unknown" Situation für die Betroffenen.)
« Letzte Änderung: 25. Juni 2024, 00:31:59 von Kelvin »