Leistungsberechnung

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Reinraum

  • Gast
Leistungsberechnung
« am: 30. März 2018, 15:23:51 »
Kann mir jemand sagen, warum man die Leistung eines Raketentriebwerk nicht wie bei ein Strahltriebwerk berechnen kann?

Bei einem Strahltriebwerk
P = F x V
P: Leistung (Power)
F: Schubkraft
v: Geschwindigkeit

(Beispiel)
319,5 m/s x 90 KN = 57,5 MW


Beim Raketentriebwerk soll man aber so rechnen:

     m c²
L = -----
     2000

m : Massedurchsatz (kg Treibstoff / Sekunde)
c : Ausströmungsgeschwindigkeit (m/sec)
L : Leistung in KW

(Beispiel)
L = 14.86 * 4375² / 2000 = 142214 KW. (H-10 Ariane 4)

Warum kann man nicht wie beim Strahltriebwerk rechnen?

Also
P = F * V

Dabei würde beim Raketentriebwerk (H-10) mit 4375 v * 64.8 f  = 283500 KW rauskommen.
was aber doppelt so viel Leistung ist.

lngo

  • Gast
Re: Leistungsberechnung
« Antwort #1 am: 30. März 2018, 18:24:39 »
Leistung und Schub (aka Kraft) sind mit Vorsicht ineinander umzurechnen. Ich kenn den Frust beim Spielen mit den entsprechenden Kartenspielen (falls sich noch wer erinnert).

Die Leistung als Angabe, wieviel Arbeit pro Zeit verrichtet wird, macht bei einem Raketentriebwerk keinen Sinn. Sie steigt quadratisch mit der Geschwindigkeit der Rakete an, da der verbrennende Treibstoff mehr Energie da er ja mit der Rakete beschleunigt und dadurch schneller wird. Die richtige Gleichung ist daher schon P=F*v, das Ergebnis nutzt halt leider nur wenig (bis auf Hinweise wie sich der Oberth Effekt erklaert). 

Deine Gleichung fuer ein Raketentriebwerk ist die Uebersetzung aus E=1/2 * m * v^2. Ist m ein Massenstrom (kg pro Zeit), ist das Ergebnis eine Leistung. Das ist die Leistung, die vom Triebwerk auf die Abgase uebertragen werden. Das Bezugssystem ist die Rakete und die nach hinten fliegenden Abgase, jedoch ohne Geschwindigkeitsveraenderung. Dies tritt so nur beim Start auf, wenn die Rakete selbst noch steht (v=0).

lngo

  • Gast
Re: Leistungsberechnung
« Antwort #2 am: 30. März 2018, 18:58:50 »
Zum Zusammenhang von Leistung und wirkende Kraft braucht es die Impulserhaltung.

1.) Bodengetriebene Fahrzeuge wie Autos:
Die vom Motor ans Rad gebrachte Leistung P beschleunigt das Fahrzeug, in dem es sich vom Untergrund abstoesst. Die Leistung sei konstant (beim Motor ist sie das eigentlich nicht, aber egal), wodurch das Fahrzeug bei steigender Geschwindigkeit mit eine geringere Kraft erfaehrt, die dieses beschleunigt. P = F*v funktioniert hier tadellos, da die Leistung nicht (wirklich) von der Geschwindigkeit abhaengt.
Die gleiche Kraft beschleunigt auch den Untergrund in die entgegengesetze Richtung. Das ist jedoch in aller Regel die Erde, deren Masse so sehr viel groesser als die jedes Fahrzeuges ist, dass gemaess der Impulserhaltung die Erde nur um allerkleinste Werte beschleunigt wird - quadriert ist die an die Erde abgegebene Energie fast nichts, weshalb sie beim erdgebundenen Fahrzeugen schlicht ignoriert wird. Wer jedoch mal in einem kleinen Boot abrupt losgelaufen ist, merkt deutlich dass der Untergrund sich auf einmal anders verhaelt - und faellt vermutlich da die erwartete Beschleunigung ausbleibt :)

2.) Boote mit Schraubenantrieb:
Im Prinzip wie Autos, jedoch wird mit der stets konstanten Leistung des Antriebs nicht nur das Boot/Schiff selbst angetrieben, sondern auch einiges an Wasser nach hinten entgegen der Fahrtrichtung beschleunigt. Generell gilt: beschleunige ich sehr viel Wasser nur ein kleines bisschen (grossse, langsam drehende Schrauben) kommt mehr von der Leistung als Schub am Schoff an. Beschleunige ich dagegen wenig Wasser sehr stark (bspw. einen Jetski), geht viel Energie verloren. Um auch bei hoeheren Geschwindigkeiten effizient zu sein, sind verstellbare Schrauben von Vorteil.

3.) Flugzeuge mit Propeller:
Wird der Propeller mit einem klassischen Kolbenmotoren angetrieben, ist das quasi wie bei Schiffen. Die Leistung ist nicht abhaengig von der Geschwindigkeit.

3.) Flugzeuge mit Turbinen (Turboprops, Turbofans, Turbojets, ):
Im Gegensatz Kolbenantrieben sind die Umdrehungsgeschwindigkeiten bei Turbinen deutlich hoeher, und auch flexibler. Bei Stillstand drehen die Turbinen langsamer, da stehende Luft angesaugt werden muss, waehrend im Flug die Luft bereits mit Geschwindikeit in das Triebwerk kommt. Durch diesen Staudruck erhoeht sich auch die Leistung der Turbine. Der Betrieb unterscheidet sich, es ist leichter anstelle einer konstanten Leistung von konstantem Schub auszugehen.
Auch hier gilt: je mehr Luft beschleunigt wird, desto weniger stark muss diese beschleunigt werden was viel Energie spart um den gleichen Schub zu erreichen. Daher sind inzwischen die klassichen Jets mit Mantelstromtriebwerken (Turbofan) ersetzt. Bei modernen Turbojets kommt der Hauptantrieb (>90%) vom Fan.

4.) Raketentriebwerke:
siehe oben

Reinraum

  • Gast
Re: Leistungsberechnung
« Antwort #3 am: 02. April 2018, 14:41:47 »
Vielen Dank für die Antwort!

Reinraum

  • Gast
Re: Leistungsberechnung
« Antwort #4 am: 11. April 2018, 11:51:54 »
Eine Frage habe ich doch noch,

Nehmen wir einmal ein Treibstoff mit etwa 2.280,5 m/s und ein Massenstrom von 158 KG/s

Und einmal ein Treibstoff mit 4561 m/s und ein Massenstrom von 39,5 KG

Die Leistung von beiden müsste gleich sein:

L = 158 * 2280,5² /  2000 = etwa 410 MW
L = 39,5 * 4561² / 2000 = etwa 410 MW

Wenn man mal das Triebwerk vernachlässigt. Hat man bei dem Massenstrom mit 158 KG/s einen stärkeren Rückstoß als mit 39,5 KG/s ? Dafür aber denn eine geringere Endgeschwindigkeit?

lngo

  • Gast
Re: Leistungsberechnung
« Antwort #5 am: 11. April 2018, 17:00:25 »
Deine Gleichung basiert auf der Kinetischen Energie, welche pro Zeit ausgedrückt wird. So ergibt sich mit Massenstrom statt Masse eine Leistung, statt Energie.


Aber, wie bereits in #2 beschrieben, ergibt dass dann lediglich die Leistung, die vom Triebwerk auf die Abgase übertragen werden. Das hat nichts mit einer Antriebsleistung zu tun, die es so halt bei Raketen nicht gibt (genau genommen gibt sie natürlich, aber die Leistung steigt mit der Geschwindigkeit quadratisch an und eignet sich daher nicht zum Beschreiben von Raketenantrieben).

Der Schub ist das Produkt aus ISP mit Massenstrom:

2280,5 m/s * 158 kg/s = 360,3 kN
4561 m/s * 39,5 kg/s = 180,2 kN


Die Endgeschwindigkeit wiederum hängt ausschließlich vom ISP und dem Verhältnis von Voll- zu Leermasse (welche in der Regel ansteigt bei größeren Triebwerken, da diese schwerer sind) ab, nicht vom Schub. Ein kleines Triebwerk erreicht die gleiche Endgeschwindigkeit, gleicher ISP und Voll-/Leermassenverhältnis vorausgesetzt. Dies wird mit der Raketengleichung von Konstantin Ziolkowski berechnet.

Reinraum

  • Gast
Re: Leistungsberechnung
« Antwort #6 am: 23. April 2018, 15:30:13 »
Ok. Kann aber eine Rakete eigentlich eine höhere Geschwindigkeit erreichen als die Strömungsgeschwindigkeit der Stützmasse? Oder andres gesagt kann man auch mit nur eine Stufe ein LEO oder GTO Orbit erreichen?

lngo

  • Gast
Re: Leistungsberechnung
« Antwort #7 am: 23. April 2018, 20:07:57 »
Ok. Kann aber eine Rakete eigentlich eine höhere Geschwindigkeit erreichen als die Strömungsgeschwindigkeit der Stützmasse? Oder andres gesagt kann man auch mit nur eine Stufe ein LEO oder GTO Orbit erreichen?

Klar, sobald 71,3% (e-1) mehr Treibstoff mitgenommen wird, als die komplette Rakete ohne Treibstoff wiegt. Strömungsgeschwindigkeiten der Stützmasse ist i.d.R. bei weniger als zwischen 3 bis 4,5 km/s. LEO benötigt ca. 10 km/s.

Beispiel:
Das Verhaeltnis zwischen 3 (-> ISP 306s) und 10 ist 3 1/3. e hoch 3 1/3 ist 28 - die mindestens notwendige Strukturzahl. Oder: eine 10t Rakete (Leergewicht plus Nutlast) benoetigt 270t Treibstoff.
Diese 10t Rakete muss
a) dieses Strukturgewicht erstmal erreichen, das tun bislang nur die Falcon Oberstufe
b) mindestens 3000 kN Startschub haben (ergaebe gerademal 1,1g) - das existiert mW. nirgends

Weltraum ist hart