Guten Abend allerseits und allen Beteiligten ein Dankeschön für die zahlreichen Wortmeldungen!
Nun kann ich mich auch wieder beteiligen.
Mir geht es tatsächlich, wie in unterschiedlichen Beträgen hier schon angeklungen ist, um die Themenbereiche:
1. Wann ist ein Fehler ein Fehler?
2. Was tue ich, wenn ein Fehler passiert?
3. Wer tut es?
Zu 1.: Meiner Meinung nach kann man eine Rakete als fehlerhaft bezeichnen, wenn sie nicht genau das tut, was sie tun soll. Eine Rakete die vom Start an, noch wenige Meter über dem Boden, schon grob in ihrem Kurs vom geplanten Flugweg abweicht, ist fehlerbehaftet. Welchen Fehler sie genau hat, ist zu diesem Zeitpunkt irrelevant. Die Tatsache, daß eine Rakete auf falschem Kurs potenziell einen großen Schaden anrichten kann, liegt auf der Hand. Außerdem ist eine Rakete sehr schnell, daß heißt der Entscheidungsfindungsprozess muss auch schnell erfolgen, sonst braucht man keine Entscheidung mehr zu treffen, da die Rakete schon getroffen hat. Diese beiden einfachen Eigenschaften führen direkt zum nächsten Punkt.
Zu 2.: Sprengen! Sobald die beiden kraftvollen Seitenfeststoffbooster der Ariane 5 gezündet wurden, geht es los, immer in Schubrichtung der Triebwerke! Wo auch immer diese Richtung hinzeigt. Man kann eine Ariane nicht anhalten, verlangsamen oder rückwärts einparken. Los heißt los und zwar mit allen Konsequenzen. Diese sind deshalb im Fehlerfall hart und drastisch, die Rakete wird sofort zerstört. Wenn man das nicht tut, gelangt man meiner Ansicht nach in Teufels Küche. Ich beharre auf der sofortigen Sprengung und möchte meinen Gedankengang am Beispiel dieses Starts darlegen.
Die Raketetriebwerke zünden, sofort zeigen die Sensoren eine unvorhergeseheneDrehbewegung der Rakete an. Man muss reagieren. Man müsste reagieren. Eigentlich. Aber wenn man jetzt sprengt, ist die schöne, teure, einzigartige Startrampe davon direkt betroffen. Man hat noch gut die rauchenden Trümmer anderer Konzerne vor Augen. Der Wiederaufbau würde Monate dauern. Man könnte Aufträge verlieren. Die Konkurrenz ist hart geworden und auch das politische Klima ist eisiger. Schließlich muss man ja auch Gelder erwirtschaften. Also nicht sprengen. Nicht hier. Ersteinmal weg von der Rampe. Die Rakete beschleunigt ja gut. Sie ist ja schon weg vom Turm.
Jetzt sprengen? Naja über den Zuschauern sprengen geht gar nicht. Also Augen zu und durch die Rakete ist in ein paar Sekunden darüber weg. Die anderen Werte sehen ja auch gut aus.
Jetzt sprengen? Nein, die Raketentrümmer würden sich aus großer Höhe kommend, über ein weites Gebiet verteilen. Wer weiß, wen oder was sie treffen. Besser weiter, gleich ist man über dem offenen Ozean.
Jetzt sprengen? Ach wieso denn, es läuft doch grade so gut. Bis auf die Flugabweichung von 20 ˚. Wir fliegen mal weiter und schauen, was passiert. Jetzt sprengen und damit einen sicheren Ausfall einfahren oder mir etwas Glück nur den falschen Orbit treffen? Na dann nehmen wir doch letzteres,wird man gedacht haben. Es ist ja noch immer gutgegangen.
Es ging wie wir im Nachhinein wissen leidlich gut. Einige fühlen sich nun dazu berufen, dieses Verhalten gutzuheißen, den Regelbruch zu tolerieren. Aber diese Regeln wurden nicht zum Spaß oder aus Bosheit entwickelt. Sie entspringen der Vorsicht.
Zum Zeitpunkt des ersten Auftretens des Fehlers, hat niemand die Ursache gekannt und keiner wußte um eventuelle Folgefehler. Die Rakete hätte auch etwas irrlichtern können. In die Tribünen, in die Stadt, in den Strand oder sie hätte vielleicht auch nurein ansehnliches Trümmerfeld im Orbit hinterlassen. Wer weiß das schon vorher.
Wer Regeln missachtet, setzt sie nach und nach außer Kraft. Außer Kraft gesetzte Regel sind wirkungslos. Zumal wenn sie ein Big Player wie die ArianeGroup mit Füßen tritt.
Es gibt in diesem Forum schöne Beispiele,was die Rücksichtslosigkeit der Chinesen und ihrer Trümmerzonen betrifft. Aber welche Prioritäten setzt nun die Ariane, wenn es zum Äußersten kommt? Nach diesem Start hat sich diese Sicht der Dinge geändert.
Das macht mich Zornig, mehr zornig als ihre Live-Start-Simulation und den Live-On-Board-Kamera-Einspielungen aus der Konserve.
Damit komme ich nun zum letzten Punkt.
Zu 3.: Ja wer denn nun? Ein Mensch oder eine Maschine?
Ein Mensch ist langsam, kann nur eine sehr begrenzte Menge an Parametern überschauen und denkt in abstrakten weiten Strukturen. Wie wichtig ist der Erfolg der Mission, ist mein Arbeitsplatz infolge meiner Handlung gefährdet, werden die Anderen mich für meine Entscheidung verachten?
Ein Computer ist schnell, gefühllos und unbestechlich in seiner Entscheidung. Aber er ist auch nur so gut wie seine Programmierung und seine Stromzufuhr. Er hat keine Erfahrungswerte und kann schlecht in die Zukunft extrapolieren.
Ein unabhängiger Vertreter einer Behörde, ein staatliche eingesetzter Sprengmeister vielleicht?
Das will kein Mensch! Misstrauen wäre sogleich an der Tagesordnung, gefolgt von der Frage, wer für seine Entscheidungen haftet.
Somit bleibt es dann wieder am Angestellten der jeweiligen Firmen hängen, die Entscheidung zu treffen. Wer diesem Verantwortlichen dann noch die Regelgerüste demontiert, macht sein Leben nicht einfacher.
Soweit meine Gedanken. Ich danke fürs lesen.
Grüße
spacecat