Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft

  • 33 Antworten
  • 7431 Aufrufe

Thot

  • Gast
Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« am: 31. Oktober 2017, 08:54:59 »
Im SF-Film "Elysium" ist die namensgebende gigantische Raumstation eine Art Reifen, dessen Innenseite offen ist. Die Luft wird dort allein durch die Zentrifugalkraft im Reifen gehalten, was den praktischen Vorteil hat, dass man zum Landen auf der Raumstation keine Schleusen oder ähnliches braucht.

Ich wüsste wirklich gern, ob das realistisch ist. Einerseits wirkt da die Zentrifugalkraft in der Stärke der Erdschwere. Andererseits jedoch ist es weit weniger Luft (und damit weniger Trägheit) als bei einem Planeten, sollte also die Luft nicht dennoch in den Weltraum entweichen, da jedes Gas bestrebt ist, sich so weiträumig wie möglich zu verteilen? Wo ist die Grenze, ab der das funktionieren kann, falls überhaupt?

Offline rok

  • *****
  • 3236
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #1 am: 31. Oktober 2017, 09:31:35 »
Es gibt zwei Unterschiede zwischen einem rotierenden Zylinder mit "Randwällen" im Vergleich zu einem Planeten.

Bei einem Planeten wirkt die Schwerkraft viele tausende km ins All und kann daher Gasmoleküle auch aus dieser Entfernung wieder einfangen, für einen vergleichbaren Effekt müssten die Ränder des Zylinders eine entsprechende Höhe besitzen.

Auf einem Planeten gibt es ständig Nachlieferungen aus Vulkanismus, Verdunstung, Gasproduktion aus Verwitterung usw.

In vielen SciFi-Romanen werden Hilfskonstruktionen verwendet, bspw. die Ionisierung der Gasmoleküle in größeren Höhen über Grund und die anschließende Fixierung der Luftionen mittels elektrischer Felder.

Robert

jakda

  • Gast
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #2 am: 31. Oktober 2017, 10:09:56 »
Empfehle die Bücher aus dem Ringwelt-Universum...

Offline rok

  • *****
  • 3236
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #3 am: 31. Oktober 2017, 16:40:10 »
Ich finde, Larry Niven macht es sich zu einfach, indem er eine 1000 km hohe Wand verwendet, um die Luft im rotierenden Zylinder zu halten. Da halte ich die Ideen von Iain Banks (bspw. "Bedenke Phlebas", "Das Spiel Azad") schon für etwas durchdachter, aber natürlich auch für futuristischer.

Robert

Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #4 am: 31. Oktober 2017, 17:05:44 »
Die Ringwelt umkreist ja einen Stern. Das ist eher eine Form der Dyson Sphere als Raumstation.

Selbst in 1000km Höhe gibt es noch Atmosphärenpartikel - wobei die Leckage vermutlich verschmerzbar sein dürfte. Damit das funktioniert müssen die Wände extrem hoch sein und der Radius des Rings absurd groß. Wenn man von 1000 km hohen Wänden ausgeht sollte der Durchmesser mindestens 10fache Wandhöhe betragen (eine wilde Schätzung von mir). Mit der Realisierung dauert es wohl noch etwas.

*

Offline Sensei

  • Raumcon Moderator
  • *****
  • 6540
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #5 am: 31. Oktober 2017, 22:31:21 »
leckage verschmärzbar bei <1g fallbeschleunigung und in 1000m Höhe? Täusch ich mich oder sollte der Druck bis dorthin nur um  etwa 12% gefallen sein?

lngo

  • Gast
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #6 am: 01. November 2017, 01:52:56 »
leckage verschmärzbar bei <1g fallbeschleunigung und in 1000m Höhe? Täusch ich mich oder sollte der Druck bis dorthin nur um  etwa 12% gefallen sein?

Genau.

Und selbst wenn der Luftdruck nahe 0 ist (zB. 1000km Randwall statt 1000m), wird Atmosphäre flüchten gehen. Auf der Erde verflüchtigen sich nur Wasserstoff und Helium, da nur diese Gase die notwendige Fluchtgeschwindigkeit (kinetische Gastheorie: Temperatur ist Geschwindigkeit). Alles andere fällt zurück auf die Erde.
Bei einem Ring mit einem Randwall müssen die Gase nur zur Seite aus dem Ring fliegen und sind weg.

Eine offene Atmosphäre mit aussenliegendem Magnetfeld können wir uns nur auf der Erde leisten ;)

*

Offline Klakow

  • *****
  • 6758
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #7 am: 01. November 2017, 11:08:38 »
Es geht darum wie die Luftmoleküle sich in einem rotierenden Ring verhalten und da hängt es von der Beschleunigung ab. Ist diese 1G, nimmt der Druck alle 5500m um 50% ab, oder P=P0*e^(-dH/8435m).
Kleine Tabelle dazu.
h(km)|    P in mbar
-------|-----------
       0 |    1000
     5,5 |    500
     11  |    250
     22  |      74
     39  |      10  (etwa die Absprunghöhe von Felix Baumgartner)
     65  |   0,45  ( Etwa die Höhe wo die Trennung der der F9-Oberstufe vom Booster erfolgt)
..............µbar...............................
    110 |   2,17  (Abwurf Fairing)
..............nbar...............................
    165 |   3,2    ( Orbit der Saturn V vor Wiederzündung der dritten Stufe beim Einschuss zum Mond)
..............pbar...............................
    220 |   4,7    (sehr niedriges LEO)
    400 |   2,5*10^-21 oder ca. 69000 Atome/m³
    500 |   1 Atom alle 2km³ oder 224 Millionen Atome für den gesamten Umfang
   1000|    1 Atom je 114*10^15 km³

Selbst wenn man mit einem Umfang einer Ringwelt von 460Millionen Kilometern rechnet ist der Verlust weit unter einem Atom/Jahr. Faktisch würde man locker mit 500km auskommen. Alleine das was von einer Sonne ankommt, würde den Verlust locker kompensieren.

*

Offline Schillrich

  • Moderator
  • *****
  • 19601
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #8 am: 01. November 2017, 12:47:38 »
Hallo zusammen,

noch ein Aspekt bei den Höhenabschätzungen: Wie stark variiert die Fallbeschleunigung mit der Höhe? Für die Erde kann man über das Höhenprofil in akzeptabler Näherung eine konstante Fallbeschleunigung annehmen. oder zumindest nur wenig variable, und damit das Gleiche für die Gewichtskraft. Bei einer Ringstation, die auf dem Ringniveau 1g erzeugt, werden Fallbeschleunigung und Gewichtskraft, je nach Größe/Geometrie, sehr stark mit dem Radius/der Höhe variiieren. Dann passt auch die direkte, einfache Analogie zum Höhenprofil der Erde nicht mehr.
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

"We are following you ... but not on twitter." (Futurama)

Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #9 am: 01. November 2017, 13:06:55 »
Die Zentrifugalbeschleunigung ist proportional zum Radius. Wenn man 500 km hohe Wände bei einem Aussenradius von 5000km annimmt, beträgt die Beschleunigung an der Wandoberkante noch 90% des Bodenwertes. Das dürfte bei 1g Beschleunigung am Boden noch nicht viel an der Atmosphärenverteilung ausmachen.

Je kleiner der Radius desto höher müssen die Wände sein. Irgendwann hat man dann einen geschlossenen Zylinder.

*

Offline Schillrich

  • Moderator
  • *****
  • 19601
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #10 am: 01. November 2017, 13:22:53 »
Problem gelöst ... ;)
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

"We are following you ... but not on twitter." (Futurama)

*

Offline Klakow

  • *****
  • 6758
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #11 am: 01. November 2017, 13:38:31 »
So schön sich die Ringwelt gelesen hat, bleibt es vermutlich sogar für eine Superzivilisation unerreichbar.
Das wäre nur anders wenn es eine Möglichkeit gäbe die Schwerkraft künstlich zu erzeugen und gäbe es das, braucht man keine Ringe mehr.

Offline R2-D2

  • *****
  • 1838
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #12 am: 01. November 2017, 15:25:07 »
Meiner Meinung nach die ist Annahme, dass die gesamte Luft (Atmosphäre) sich mit dem Ring mitdreht, und dadurch nach Außen gedrückt wird, falsch. Das Mitreißen der Luft geschieht ja nur über Reibung und dadurch, dass beim Bewegen nach "Hinten" irgendwann eine Wand kommt, an der das Teilchen abprallt (Beispiel: Rotiert Luft in einem Autoreifen mit? --> Google...). Es wird aber immer Moleküle geben, die sich nach Innen bewegen - unabhängig von der allgemeinen Gravitation -  und damit aus dem Ring entweichen können.

*

Offline Schillrich

  • Moderator
  • *****
  • 19601
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #13 am: 01. November 2017, 15:54:51 »
Mit dem Gedanken hatte ich mich auch gerade beschäftigt (aber eher im Zylinder) und erstmal mit der Annahme, dass die Luft mitrotiert:
  • Wie stark muss man den Zylinder befüllen, damit (bei mitbewegter Luft) 1bar am Umfang entsteht und welcher Druck herrscht dann auf der Mittelachse?
  • Welche Winde ergeben sich zwischen den unterschiedlich mit-rotierenden Luftschichten? Auf jeden Fall gäbe es einen Geschwindigkeitsgradienten innerhalb der Luftsäule.
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

"We are following you ... but not on twitter." (Futurama)

Offline rok

  • *****
  • 3236
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #14 am: 01. November 2017, 16:27:38 »
@ Klakow:

Ohne die Dynamik der Gasmoleküle nachrechnen zu wollen, aber wenn der Gasverlust in Höhen > 1000 km keine Rolle spielt, dann müssten der Mars und der Mond immer noch eine Atmosphäre haben.

@ R2-D2:

Ich denke auch, dass in Bodennähe die Zentripetalkraft sicherlich dominierend ist aufgrund der Bewegung der Luftmassen, je höher man kommt, umso stärker wird sich die fehlende Gravitation auswirken.

Grundsätzlich ist es aber die Frage, warum man ein offenes U-Profil als Ring verwenden sollte. Ein geschlossener runder oder rechteckiger Querschnitt (wie in einer Hohlkammerfelge) ist mechanisch stabiler und hat den Vorteil, dass man durch elektrochemische Eingriffe im Deckenbereich "Wolken" oder Jahreszeiten simulieren kann.

Für Raketen kann man dann über den Start-/Landeplätzen kleine Fenster vorsehen.

Robert

lngo

  • Gast
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #15 am: 01. November 2017, 16:48:20 »
Mit dem Gedanken hatte ich mich auch gerade beschäftigt (aber eher im Zylinder) und erstmal mit der Annahme, dass die Luft mitrotiert:
  • Wie stark muss man den Zylinder befüllen, damit (bei mitbewegter Luft) 1bar am Umfang entsteht und welcher Druck herrscht dann auf der Mittelachse?
  • Welche Winde ergeben sich zwischen den unterschiedlich mit-rotierenden Luftschichten? Auf jeden Fall gäbe es einen Geschwindigkeitsgradienten innerhalb der Luftsäule.

zu 1.) mit einem bar :)
Der Luftdruck halbiert sich selbst im konstanten* Erdschwerefeld nur alle ca. 5.5 km. In einem rotierenden Zylinder faellt die (g-equivalente) Zentripedalbeschleunigung linear ab, wodurch die Druckverringerung weniger stark und der Mitte entgegen zunehmend weniger abnimmt.
Der Druckunterschied zur Mittelachse wird daher nur bei sehr langen (geschaetzt: >100km) Zylindern interessant.

zu 2.)
Auf der Erde existieren zwei Effekte: die unterschiedliche Tangentialgeschwindigkeit am Boden und in der Hoehe ist eigentlich nur bei Hurricanes interessant, die Tangentialgeschwindigkeiten der Breitengrade sind relevanter, zB. fuer die Jetstreams. Fuer letzteres brauchst du eine (um die Hochachse rotierende) Scheibe, kein (um die Querachse rotierenden) Zylinder.
Ob und wie stark sich Turbulenzen ausbilden, haengt vom Durchmesser ab. Ein L/D Ratio von mehr als 10 wird sicher keine relevanten Luftbewegungen mehr erzeugen.

*

*

Offline Schillrich

  • Moderator
  • *****
  • 19601
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #16 am: 01. November 2017, 17:56:50 »
Hallo Ingo,

bei 1.: Der Druck an der Zylinderwand (also gewünscht 1bar) kommt durch das Gewicht der gesamten darüberliegenden Luftsäule zustande. Wenn jetzt das Gewicht in der Säule nach oben abnimmt, dann ist die 1000km-Säule im Zylinder weniger schwer als eine 1000km-Säule gleicher Masse (also gleiche Luftmenge) auf der Erde.

bei 2.: Ich vermute wir reden hier aneinander vorbei. Ich meinte nicht eine rotierende Oberfläche oder Scheibe, sondern den rotierenden Zylinder, der die Luft an seiner Innenseite "mitnimmt" ... und je weiter man zur Achse hin kommt, desto schwächer.
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

"We are following you ... but not on twitter." (Futurama)

*

Offline Klakow

  • *****
  • 6758
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #17 am: 01. November 2017, 17:58:27 »
Eigentlich ist eine Ringwelt ein sehr schönes Gedankenexperiment, nicht mehr aber auch nicht weniger.
Realisierbar sind später vielleicht mal Strukturen mit wenigen Kilometern Durchmesser, zumindest dann wenn man irgendwann in der Lage ist Kohlenstoffnanoröhren in beliebigen Mengen und hoher Reinheit herzustellen.
Nimmt man hingegen Metalle, z.B. aus dem Abbau von Asteroiden (Iridium z.B.), kommt man vielleich auf 500m Durchmesser, aber zumindest liese die eine angeneme Rotationskraft zu. Kopplung halt an den Zylinderende.
Bei der Länge kann man vermutlich auch 10km realisieren. Man hätte immerhin 15km² Fläche.

Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #18 am: 01. November 2017, 18:47:31 »
Bei 500m Durchmesser müsste das Ding fast 2 Umdrehungen pro Minute machen für 1g. Reduziert man auf 0.5g sind es immer noch ca 1.4 RPM. Auch nicht viel besser.
Nun ja, solange man nicht aus dem Fenster schaut...

Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #19 am: 01. November 2017, 22:05:42 »
Nur mal so am Rande, da hier nun einige Male Bezug auf 1000 km hohe Seitenwänden genommen wurde: Die Randwallhöhe von Larry Nivens Ringwelt betrug 1000 Meilen, also ca. 1600 km.
Douglas Adams: "In an infinite universe, the one thing sentient life cannot afford to have is a sense of proportion."

*

Offline Klakow

  • *****
  • 6758
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #20 am: 01. November 2017, 22:16:37 »
Mir ist schon klar das 2u/min immer noch viel sind, aber viel besser als 0G ist das allemal.
Zumindest kann man dabei sicher laufen ohne das es einem schlecht wird.

habe hier eine Zusammenstellung der Daten der Ringwelt gefunden falls es jemanden interessiert.

Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #21 am: 02. November 2017, 00:04:51 »
Kleine Tabelle dazu.
h(km)|    P in mbar
-------|-----------
       0 |    1000
     5,5 |    500
     11  |    250
     22  |      74
     39  |      10  (etwa die Absprunghöhe von Felix Baumgartner)
     65  |   0,45  ( Etwa die Höhe wo die Trennung der der F9-Oberstufe vom Booster erfolgt)
..............µbar...............................
    110 |   2,17  (Abwurf Fairing)
..............nbar...............................
    165 |   3,2    ( Orbit der Saturn V vor Wiederzündung der dritten Stufe beim Einschuss zum Mond)
..............pbar...............................
    220 |   4,7    (sehr niedriges LEO)
    400 |   2,5*10^-21 oder ca. 69000 Atome/m³
    500 |   1 Atom alle 2km³ oder 224 Millionen Atome für den gesamten Umfang
   1000|   1 Atom je 114*10^15 km³

Sorry, aber das kann man so nicht stehen lassen.
Also wenn ich mir den Luftdruck über WolframAlpha ausrechnen lasse, ergibt das etwas abweichende Werte:

Höhe      Druck
...
65 km     0,11 mbar
110 km   7,1 x 10-5 mbar oder um den Wert mit dem obigen Tabellenwert vergleichen zu können 0,071 µbar
165 km   2,5 x 10-6 mbar oder 2,5 nbar
220 km   5 x 10-7 mbar oder 500 picobar
400 km   1,5 x 10-8 mbar oder 15 picobar
500 km   3 x 10-9 mbar oder 3 picobar
1000 km 7,5 x 10-11 mbar oder 75 femtobar

Dieses Spiel kann man allerdings (übrigens auch mit der barometrischen Höhenformel) ohnehin nicht unendlich weitertreiben, da für größere Höhen andere Regeln gelten....u.a. Stichwort Sonnenwind.
Es gibt zwar recht unterschiedliche Aussagen über die Partikeldichte im interplantaren Raum (nur mal als Vergleich) aber man betrachte einfach mal diese Angabe und führe sich vor Augen, was dies hochgerechnet auf einen Kubikmeter bedeutet. Da sollte man eigentlich schnell merken, dass mit den oben fett markieren Werten etwas nicht stimmen kann bzw. diese fern jeder Realität sind, wo man doch annimmt, dass selbst im intergalaktischen Raum noch einige wenige Wasserstoffatome pro Kubikmeter vorhanden sind.

Ich bin davon abgesehen ohnehin einer Meinung mit Schillrich, dass man den hier diskutierten Fall einer offenen Atmosphäre in einer künstlichen Schwerkraftumgebung nur sehr bedingt mit der irdischen Atmosphäre vergleichen kann, da die Schwerkraftverhältnisse vollkommen andere sind.
Douglas Adams: "In an infinite universe, the one thing sentient life cannot afford to have is a sense of proportion."

*

Offline Klakow

  • *****
  • 6758
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #22 am: 02. November 2017, 01:48:49 »
Mir ist schon klar das die Rechnung ihre Grenzen hat, aber ich denke selbst bei 500km sind die verluste vermutlich verkraftbar.

Thot

  • Gast
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #23 am: 03. November 2017, 04:46:23 »
Mit "sehr großen" Raumstationen meinte ich nun nicht eine Niven-Ringwelt. Auch wenn die wohl eine zulässige Definition von "sehr groß" erfüllen dürfte. :D

Ich spreche eher von Kategorien, wie sie im eingang erwähnten Film "Elysium" verwendet wurden, oder auch kleinere. Zum Beispiel eine Station in Form eines Reifens, der einen Radius von 500 Metern hat.

Die künstliche "Schwerkraft" entspricht [Winkelschwindigkeit]²*Radius. Für 10 m/s² an "künstlicher Schwerkraft" bräuchte man
dann also 10=w²*500 oder w = ca. 0,14 Rad, das entspricht einer Bahngeschwindigkeit von etwa 71 m/s.

Würde man den Ring innen offen lassen, so wäre die Logik bei einem Film wie Elysium, dass die Luft allein durch die Zentrifugalkraft drinnen bliebe, und zwar schon bei wenigen Metern Höhe der Wand. Im Film wird das benutzt, um ohne irgend eine Schleuse oder dergleichen an Bord der Station gelangen zu können.

Und das kommt mir eben seltsam vor, weil ich erwarten würde, dass die Luftmoleküle nicht alle die erforderliche Geschwindigkeit mitbekommen und der Drang des Gases, sich ins Vakuum auszudehnen, unter diesen Bedingungen stärker wäre als die Zentrifugalkraft. Aber sicher bin ich mir da nicht, darum die Frage.
« Letzte Änderung: 03. November 2017, 06:18:20 von Thot »

lngo

  • Gast
Re: Große Raumstationen, Rotationsschwerkraft und Luft
« Antwort #24 am: 03. November 2017, 07:13:47 »
Hallo Ingo,

bei 1.: Der Druck an der Zylinderwand (also gewünscht 1bar) kommt durch das Gewicht der gesamten darüberliegenden Luftsäule zustande. Wenn jetzt das Gewicht in der Säule nach oben abnimmt, dann ist die 1000km-Säule im Zylinder weniger schwer als eine 1000km-Säule gleicher Masse (also gleiche Luftmenge) auf der Erde.

bei 2.: Ich vermute wir reden hier aneinander vorbei. Ich meinte nicht eine rotierende Oberfläche oder Scheibe, sondern den rotierenden Zylinder, der die Luft an seiner Innenseite "mitnimmt" ... und je weiter man zur Achse hin kommt, desto schwächer.

Schillrich, zu 1.) wir meinen beide das selbe, denken aber von unterschiedlichen Richtungen. Du nimmst die Masse der Luftsäule als Konstant ein (kann man machen), ich nehme den Druck unten konstant (=1 bar) an (kann man auch machen).

zu 2.) Offenbar ;) Ich bin bei einem um die Querachse rotierenden Zylinder ausgegangen (ähnlich ARCA Haas 2CA). Bei Rotationsachse um die Hochachse gibt es natürlich wetterähnliche Winde.
Ich gehe übrigens stets davon aus, dass die Luftsäule prinzipiell mit der Station(swänden) rotiert. Gibt ja keine weiteren Einflüsse.... (auch in einer riesigen Hohlkugel, mit Luft gefüllt, rotiert irgendwann alles statisch mit).

Sorry, aber das kann man so nicht stehen lassen.
[...]
Nein, kann man nicht ;) Hier mal korrekt hergeleitet, ähnlich der Barometrischen Höhenformel, in einem rotierenden Zylinder statt auf der Erde. Die Gleichung soll den Druck in der 'schwerenlosen' Mitte ergeben, abhängig vom Durchmesser des Zylinders.

Festlegung: es ist normale Luft, am 'Boden' herrscht 1 g equivalente Zentripedalbeschleunigung und p0 = 1 atm - eine Normatmosphäre. Es gibt jedoch keinen Temperaturgradienten (das macht sonst die Gleichungen kaputt weil die Luft ansonsten oberhalb 44,33km negative Kelvinwerte hätte - und eine Tropospause hat der Zylinder nunmal ganz sicher nicht)!

R: das Radius der Raumstation, RS,Luft: spezifische Gaskonstante der Luft 287,058 J/kgK, T: Temperatur: stets 15°C, p: Luftdruck, a: Zentripedalbeschleunigung, w: Winkelgeschwindigkeit in rad/s, g: Erdbeschleunigung, h=Höhe in km


a = w^2 * r = w^2 * (R-h)
a (h=0) = 1 g ==> g = w^2 * R ==> w^2 = g/R
(die Winkelgeschwindigkeit haben wir jetzt schonmal weggehauen. Die Scheibe dreht sich einfach je nach Durchmesser immer stets so schnell, das außen gerade ein g herrscht)

dp/dh = - p * a / (RS,Luft * T) =  = - p * w^2 * (R-h) / (RS,Luft * T) = - p * g * (R-h) / (RS,Luft * T * R)      | /p   *dh
=> 1/p * dp = - g * (R-h) / (RS,Luft * T * R) dh      | Integriere p von p0 zu p und h von 0 zu h
==> ln (p/p0) = g / (RS,Luft * T * R) * h^2/2 - h*R)      | hoch e   | * p0
p = p0 * e ^ (g / (RS,Luft * T * R) * h^2/2 - h*R))      allgemeine Formel

mit h=R (in der Mitte des Zylinders) vereinfacht sich die Gleichung auf:
p = p0 * e ^ (-g * R / (2 * RS,Luft * T))
R (km) p RPM
0,10 100.726,13 2,99
0,5 98.365,84 1,34
1 95.493,10    0,95
2 89.996,86    0,67
5 75.334,42    0,42
10 56.010,61    0,30
20 30.961,64    0,21
50 5.229,80    0,13
100 269,9313137 0,09
200 0,719101052 0,07
500 1,35956E-08 0,04
1000 1,82425E-21 0,03

Wie wenig sehr der Luftdruck mit der 'Höhe' abnimmt, zeigt sich im Vergleich mit der Erde. Bei einer 200km (R=100km) durchmessenden Scheibe ist in der Mitte noch 269 Pa Luftdruck, auf der Erde dagegen sind es nur noch 0,27 Pa, ca. ein Tausendstel. Je größer die Scheibe (oder Ring) wird, desto eher nähert sich der Wert an.
Trotzdem: eine Scheibe mit einem Radius von 10000 km (!) hat in 100km Höhe trotzdem immernoch einen Druck von 0,76 Pa. Verdoppeln (R=20000km) bringt kaum was: 0,74 Pa. Ein Ring auf der Bahnebene der Erde (R=1 AE ~149,6 Mio km) hat auf 100km Höhe noch 0,72 Pa*.

(Edit: Daran erkenne ich gerade, dass diese Abweichung nur aufgrund meiner stark vereinfachten Annahme des Atmosphärenaufbaus der Scheibenwelt existiert. Es ist halt doch immer noch komplizierter als gedacht.)


Ich hoffe, das ist jetzt allen ausreichend genau ;)

Mit "sehr großen" Raumstationen meinte ich nun nicht eine Niven-Ringwelt. [...]
Ich spreche eher von [...] einem Radius von 500 Metern [...]

Würde man den Ring innen offen lassen, so wäre die Logik bei einem Film wie Elysium, dass die Luft allein durch die Zentrifugalkraft drinnen bliebe, und zwar schon bei wenigen Metern Höhe der Wand. Im Film wird das benutzt, um ohne irgend eine Schleuse oder dergleichen an Bord der Station gelangen zu können.

Und das kommt mir eben seltsam vor, weil ich erwarten würde, dass die Luftmoleküle nicht alle die erforderliche Geschwindigkeit mitbekommen und der Drang des Gases, sich ins Vakuum auszudehnen, unter diesen Bedingungen stärker wäre als die Zentrifugalkraft. Aber sicher bin ich mir da nicht, darum die Frage.

Das ist zweifellos nicht ohne Tricks möglich.