Die Zukunft des technischen Entwerfens

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tobi

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Die Zukunft des technischen Entwerfens
« am: 12. März 2016, 18:44:43 »
Gerade sind die Siege der Software AlphaGo gegen den besten Go-Spieler der Welt in allen Nachrichten. Das besondere an dem Spiel Go ist, dass das Spiel so komplex ist, dass es nicht möglich ist jede Zugvariante bis zum Ende durchzurechnen. Stattdessen wird ein künstliches neurales Netzwerk benutzt, das aufgrund von Knoten und Gewichten eine Lösung auswirft, wo niemand weiß, wie sie wirklich enstanden ist. Dieses Netzwerk kann dazulernen und sich so weiter verbessern. Bei den Go-Spielen hat die Software Züge gemacht - also Lösungen ausgespuckt - , auf die ein Mensch bisher nicht gekommen ist.

Was hat das jetzt mit der Raumfahrt zu tun: in der Raumfahrt und in der Technik allgemein gibt es auch ein Problem mit defakto unendlich vielen Möglichkeiten: die Konstruktion. Momentan müssen sich Menschen die Lösungen für komplexe Konstruktionsprobleme ausdenken. Aber was ist, wenn das demnächst der Computer macht? Einfach die Anforderungen eingeben und eine Lösung wird ausgespuckt. Momentan wird viel Geld für die Denkarbeit ausgegeben, in der Tat ist die Denkarbeit der größte Teil der Kosten. Abertausende Ingenieure sitzen daran Satelliten, Raumkapseln oder Raketen zu entwerfen.

Google benutzt bereits exzessiv neurale Netzwerke. Auch im Ingenieurbereich werden sie Einzug erhalten, da bin ich fest davon überzeugt. Bald kann man sich für einfache Konstruktionsprobleme schnell eine Lösung besorgen, mit der Zeit für immer komplexere Probleme. Man kann die Software mit abermillionen Ingenieurproblemen trainieren, die realisiert wurden.

Das spannende ist natürlich: obwohl man den Rechenvorgang der Software deterministisch verfolgen kann, kann man nicht wirklich verstehen, warum ein Programm eine bestimmte Lösung ausspuckt. Warum ist die Schraube da und nicht weiter links, warum hier eine Strebe und nicht da? Man kann die Erfüllung der Anforderungen im Nachhinein prüfen aber der Gedankengang zur Lösung, er bleibt verschlossen. Die Theorie fehlt.

Zum Beispiel das Thema Festigkeit. Ein Netzwerk hat die Theorie der Festigkeitslehre nicht drin aber aufgrund von Anforderungen und Lösungen, kann sie "lernen" wie dick eine Wand sein muss, damit es hält.

SpaceX mit der Google Connection wird sicher die erste Firma sein, die sowas in der Raumfahrt einsetzt. Ich bin gespannt, wann es kommt, es ist meiner Meinung nach nicht mehr weit.

Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #1 am: 12. März 2016, 19:02:25 »
Interessant, gibts zu dem Thema noch irgendwelche Links? Eine Frage die sich mir da aufwerfen würde wäre, ob da auch schon die möglichen Fertigungstechniken berücksichtigt würden. Oder ob es auch nach Wirtschaftlichkeit und Praktikabilität schauen würde. Wenn ich ein Teil konstruiere, so tue ich dies ja ncht nur nach der optimalen Form, sondern auch wie ich es am einfachsten und am günstigsten fertigen kann, deshalb sehen ja auch viele Bauteile so aus, wie sie aussehen.  :P
Aber die idee ist interessant. Klingt so als könnte man dadurch den ultimativen Maschinenbau betreiben.  ;)

tobi

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Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #2 am: 12. März 2016, 19:09:04 »
Hier ist ein Link:
http://ntrs.nasa.gov/archive/nasa/casi.ntrs.nasa.gov/19930012642.pdf

und noch ein Link:
http://ntrs.nasa.gov/archive/nasa/casi.ntrs.nasa.gov/20020081338.pdf

Schon älter, neu ist die Idee nicht. Ich denke aber durch die gesteigerte CPU-Leistung und Erfolge wie das mit AlphaGo wird es neue Energie kriegen. Außerdem Big Data und neurale Netzwerke gehen Hand in Hand. Heutzutage gibt es die Daten, die es damals nicht gab.

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Offline tomtom

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Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #3 am: 12. März 2016, 19:20:37 »
AlphaGo ist ist tatsächlich der Sputnik-moment für Go Spieler. Ein Programm dieser Stärke hat man nicht für möglich gehalten. Neuronale Netzwerke sind nicht so neu, aber es scheint gelungen zu sein, diese in dieses Themengebiet sinnvoll einzubauen.

Zur Übertragbarkeit auf den technischen Konstruktionsprozess kann ich nichts sagen. Neuronale Netze sind eine Methode der künstlichen Intelligenz und da hat ja Elon Musk sich als Kritiker geoutet, obwohl vermutlich auch SpaceX sowas einsetzt
(sh. Thread OpenAI).

Witzigerweise wurde bei DeepMind die Software auch dazu eingesetzt, Spiele Klassiker wie Space Invader oder Pong zu spielen.

Vortrag vom CEO Demis Hassabis - The Future of Artificial Intelligence
Im Zweifel hilft die Such-Funktion:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?action=search

NotTheAndroidYouSearching

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Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #4 am: 12. März 2016, 19:32:28 »
Elon Musk ist ein Kritiker der unkontrollierten höheren AI was ein deutlicher Unterschied ist zu der welche bei den meisten Vorgängen verwendet wird. Auch AlphaGo ist keine höhere AI, anspruchsvoll und beeindruckend ist hier wie die AI hier eingesetzt wurde.

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Offline tomtom

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Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #5 am: 12. März 2016, 20:48:43 »
Mir ist jetzt nicht klar, was du mit "unkontrollierter höherer KI" meinst?
Im Zweifel hilft die Such-Funktion:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?action=search

NotTheAndroidYouSearching

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Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #6 am: 12. März 2016, 21:38:42 »
Mir ist jetzt nicht klar, was du mit "unkontrollierter höherer KI" meinst?

Richtige Intelligenz, hier ein Artikel dazu mit 2 Teilen auf den hatte Elon Musk damals auch reagiert:
http://waitbutwhy.com/2015/01/artificial-intelligence-revolution-1.html

thecrusader

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Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #7 am: 13. März 2016, 10:02:21 »
Schiere Rechenkraft erzeugt noch keine KI mit Bewußtsein. Und das denke ich ist der springende Punkt. Aber zur Eingangsfrage, ich könnte mir schon vorstellen das in naher Zukunft viel Detailarbeit von Algorithmen erledigt wird. Der Ingenieur gibt die grobe Form vor, dazu was er sich als Leistung und Zusatzpaketen wünscht, und die KI fängt an die Kabelbäume (virtuell) zu verlegen, die Form zu präzisieren. Das ganze in kleinere Bauteile zu zerlegen. Belastungsgrenzen zu berechnen und daraufhin die Pläne zu ändern etc.

NotTheAndroidYouSearching

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Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #8 am: 13. März 2016, 11:24:42 »
Schiere Rechenkraft erzeugt noch keine KI mit Bewußtsein. Und das denke ich ist der springende Punkt.

Hat ja niemand behauptet, aber die AI Forschung macht in einigen Bereichen riesige Fortschritte und es wurden schon Anzeichen von Selbsterkennung bei der AI gefunden. Gepaart mit der immer höheren Rechen-kraft ist genau das wovor Elon Musk Angst hat. Ich persönlich bin da nicht ganz der selben Meinung.

Ich wollte mit meinem Beitrag ja auch nur auf die Unterschiede zwischen Hoher AI und einfacher AI hinweisen, vielen Leuten ist gar nicht bewusst wo die niederer AI in ihrem Alltag eine Rolle spielt und dann allgemein Angst vor dieser zu haben ist genauso wie wenn man Angst vor Kernfusion hat weil man denkt das ist das selbe wie Kernspaltung.

Offline Hugo

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Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #9 am: 13. März 2016, 12:12:38 »
Die heutigen "KIs" wie die für AlphaGo sind absolut spezialisiert.

Ich könnte mir so etwas an Stellen vorstellen, wo man heute viel zu viel Rechenzeit für einen Versuch benötigt. Zum Beispiel Crashtests. So ein Test zu berechnen dauert Stunden oder gar Tage. Je nachdem, wie genau man ihn macht.

Je länger so ein Test benötigt, desto "unmöglicher" wird es, den Test unendlich oft zu wiederholen um das Beste Ergebnis zu erzielen. Würde hier eine KI sagen "Hey, mach doch mal das: (...)" könnte man mit weniger Berechnungen, also schneller, ein besseres Ergebnis erzielen.

Weniger benötigt wird so etwas bei einfacheren Dingen, wie "Wie viele Landebeine brauche ich". Da gibt es nur wenige tausend (Anzahl, Länge, Breite, Winkel, Stabilität) Möglichkeiten, die kann man schnell alle durchrechnen.

tobi

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Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #10 am: 13. März 2016, 13:00:08 »
Die heutigen "KIs" wie die für AlphaGo sind absolut spezialisiert.

Hast du das Video angeschaut, das tomtom gepostet hat? Da hat eine neuronales Netz gelernt Atari-Computerspiele zu spielen. Input ist dabei nur das Bild (also die Pixel-Information), also das was der Mensch auch sieht. Nach ein paar hundert Spielen hat die "KI" bei Space Invaders eine übermenschliche Leistung zustande gebracht. Ebenfalls spannend ist, dass ein Programm lernen kann komplett unterschiedliche Spiele zu spielen ohne Veränderung am Programm. Die Atari-Spiele sind 2D und simpel, später werden auch noch einfache 3D-Spiele gezeigt. Die KI weiß am Anfang nichts über die Spiele, nur am Ende bekommt sie die Highscore gesteckt und soll diese maximieren. Das neuronale Netz hat ein paar Millionen Knoten um das zu schaffen, erzählt der Redner bei Q&A.

Die Atari-Demonstration fand ich persönlich beeindruckender als das mit AlphaGo. Hier noch ein Paper:
https://www.cs.toronto.edu/~vmnih/docs/dqn.pdf

Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #11 am: 13. März 2016, 13:36:42 »
Im Prinzip erinnern mich dieses K.Is an "Savants". Diese sehen ja aufgrund ihrer Insel Begabung auch Muster, welche ein "normaler" Mensch komplett übersieht.

Die Entwicklung hier dürfte tatsächlich inteessant werden.

@"Unkontrollierte K.I.": Ich denke mal es ist die Angst vor einem "Skynet"....

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Offline tomtom

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Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #12 am: 13. März 2016, 13:40:31 »
ja, mit der Aussage wäre ich auch vorsichtig.

Ich kann mit der Einteilung von Nick Bostrom zwischen niedriger und höherer bzw. narrow, general und super-intelligence nichts anfangen, ist für mich nur eine Modell. Vereinfacht gesagt, für den reinen Go-Spieler, dessen Welt nur aus Go besteht, ist mit AlphaGo die Superintelligence jetzt existent.

Das eine Maschine jetzt nicht nur Go, sondern auch andere Brettspiele, andere Spiele oder auch andere Problemlösungen ermitteln könnte, wäre für mich nicht "mehr" erschreckender. Die Gefahren liegen mE. weniger in individuellen und eher in gesellschaftlichen Größenordnungen.

btw. Elon Musk war bis zur Google-Übernahme Co-Investor bei DeepMind.

btw, kann man ein Go-Spiel vielleicht ganz gut mit einer technischen Konstruktion gleich setzen, da hier Stellungen nach und nach gebaut werden, die am Ende ein optimales Ergebnis (Punktezahl) ergeben sollen.

Zur allgemeinen Beruhigung hat der Mensch (Lee Sedol) heute gegen den Computer (AlphaGo) gewonnen. ;)
Im Zweifel hilft die Such-Funktion:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?action=search

Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #13 am: 13. März 2016, 14:19:53 »
Naja, man darf das ganze jetzt nicht zu sehr hypen!

Nur so als Beispiel, beim Schach gibt es schon lange Programme, die deutlich besser sind als jeder menschliche Spieler, das ganze wurde jetzt halt auch für Go geschafft.
Klar, der Unterschied liegt in der Methodik. Und weil man die Lösungsfindung bei neuronalen Netzen nicht versteht, sprichen einige von künstlicher Intelligenz.

Aber man muss hier eben auch bedenken, dass solche Spiele nochmal ein ganz anderes Steckenpferd sind, als Entwicklung von neuartigen Maschinen. Denn Spiele haben wenige, simple Regeln und genau 1 Ziel: gewinnen. Dabei ist die Gewinnsituation fest definiert.
Was bei AlphaGo in der Tat erstaunlich ist, ist dass es Züge gespielt hat, deren Sinn bisher noch niemand gesehen hat. Somit hat die Software eine neue Lösungsstraegie entwickelt. Das ist bereits sehr beieindruckend, und wurde damit erzielt, dass man sie gegen sich selbst hat üben lassen.

Aber wie gesagt war hier das Ziel bekannt. Außerdem lässt sich die SItuation nach einem Zug exakt bewerten und jede Situation bis x Züge später berechnen.
Bei der Entwicklung von neuen Maschinen ist so ein Vorgehen nicht möglich. Und da ein neuronales Netzwerk nur das sieht, auf was es trainiert wird, kann es das nur schwer lernen. Als beispiel hier mal ein Artikel von Google selbst. Interessant sind die Bilder, die aus einem statistischen Rauschen entstanden sind. Hier kann man fast schon von Kreativität sprechen, aber trotzdem erzeugt das Netz aus dem Rauschen heraus nur genau das, was es erkennt. Es ist daher nicht in der Lage, was neues zu entwickeln:

hier vor allem in den letzten Bildern zu sehen:
http://googleresearch.blogspot.de/2015/06/inceptionism-going-deeper-into-neural.html

Was ich damit also sagen möchte, ist dass ich nicht glaube, dass neuronale Netze das Wundermittel für AI ist. Ich GLAUBE auch nicht, dass man damit in der Lage sein wird, technische Maschinen mit neuen Anwendungen erstellen zu können. Was ich mir allerdings vorstellen kann, ist das es eventuell möglich ist, bereits bekannte Maschinen in ihrem Aufbau zu optimieren!

Allerdings maße ich mir nicht an, diese Meinung für relevant zu halten, dafür habe ich von neuronalen Netzen auf diesem Level zu wenig Ahnung!
"Dragon 2 is designed to be able to land anywhere in the solar system. Red Dragon Mars mission is the first test flight." - Elon Musk

klausd

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Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #14 am: 13. März 2016, 14:42:56 »
Wer mal konkret werden will, ich werde folgenden Link wohl mal aus Spaß durcharbeiten um wirklich zu verstehen, was da passiert: http://www.codeplanet.eu/tutorials/csharp/70-kuenstliche-neuronale-netze-in-csharp.html#Optische_Zeichenerkennung_(OCR)_Entwicklung_einer_DotNET_Bibliothek_für_künstliche_neuronale_Netze_Programmbeispiel

Viele Grüße,

Klaus

Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #15 am: 13. März 2016, 16:00:49 »
Zu KNNs eine Artikelempfehlung:
In der aktuellen c't (Heft 6 vom 5.3.2016) sind ein paar Artikel "Lassen Sie denken!" ab S. 126-151. Dort wird auch auf die Problematik wo was eingesetzt werden kann und wo Grenzen sind, eingegangen.
Also ein guter Überblick auch zu der Zukunft!

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Offline Gertrud

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Re: Die Zukunft des technischen Entwerfens
« Antwort #16 am: 14. März 2016, 14:48:19 »
Hallo Zusammen ,

heute sah das Ergebnis zwischen AlphaGo und dem Mensch Lee Sedol wieder anders aus. Jetzt würden viele Internetnutzer es befürworten, wenn der Computer auf das Spiel von "Mahjong"  ("AlphaMahjong") programmiert werden würde.

Zitat
"AlphaGo Lern- und Berechnungsfähigkeiten  basieren auf Formeln und Daten, aber Mahjong bringt Glück und Emotionen. Meines Wissens ist kein AI leistungsfähig genug, um sie zu verwalten", sagte Ren Yi, ein Experte für Computerspiel AI und CEO.
Quelle:
http://news.xinhuanet.com/english/2016-03/14/c_135187238.htm

Mit den besten Grüßen
Gertrud
die Erklärung zu meinem Avatar:
http://de.wikipedia.org/wiki/NGC_2442
http://antwrp.gsfc.nasa.gov/apod/ap070315.html
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Die Gabe des Staunens lässt uns die Welt aufgeschlossener sehen und ihre Wunder würdigen. (Richard Henry Lee)