Verlinkte Ereignisse

  • Astro-H auf H-IIA, Tanegashima Japan, 09:45MEZ: 17. Februar 2016

ASTRO-H alias Hitomi auf H-IIA 202 F30

  • 86 Antworten
  • 44841 Aufrufe

tonthomas

  • Gast
Re: ASTRO-H alias Hitomi auf H-IIA 202 F30
« Antwort #75 am: 22. April 2016, 10:38:00 »
...

Die Frage ist jetzt halt, warum von den Startrackern keine verwertbaren Daten vorlagen, um die "spinnende" IRU zu korrigieren. ...
Aus meiner Sicht: Ich halte es für möglich, dass die Sternensensoren gar nicht "gefragt" wurden, weil die IRUs selber bzw. der Bordrechner ("satellite management unit, SMU") die extremen IRU-Daten nicht als falsch erkannt haben.

Die Ein- bzw. Anbauorte von Systemen zur Lagebestimmung und -Änderung:

(Quelle: JAXA)

Alles in allem vermute ich aktuell mehr als eine Unzulänglichkeit in der Software des Satelliten.

Achtung: Alles Spekulatius ...

Gruß    Pirx
« Letzte Änderung: 22. April 2016, 14:10:16 von Pirx »

*

Offline Volker

  • *****
  • 1055
    • Webseite
Re: ASTRO-H alias Hitomi auf H-IIA 202 F30
« Antwort #76 am: 22. April 2016, 10:39:55 »
Hallo,

PS: Es wäre so wichtig gewesen bei einer Gravitationswellenmessung nachzusehen was da los ist/war.  :'(

Um Gravitationswellenereignisse nachzubeobachten, benötigt man eher Instrumente mit einem größeren Gesichtsfeld, also im Röntgenbereich z.B. Swift/BAT, INTEGRAL/IBIS, denn die Genauigkeit der Positionsbestimmung der Gravitationswellendetektoren ist nicht gut genug, um dann da mit einem Teleskop wie auf Hitomi (oder XMM-Newton, Chandra, ...) hinzuschauen. Außerdem war Hitomi nicht für schnelle Lagewechsel (Slews) ausgelegt.

Zum Versagen von Hitomi: hinterher sind dann (auch hier im Forum) wieder alle schlauer.
Wir stellen jetzt unsere Forschungsvorhaben und Anträge entsprechend um und versuchen für die betroffenen PostDocs Alternativen zu finden.

Gruß
Volker
Forschung aktuell: Das Neueste aus Wissenschaft und Forschung

tonthomas

  • Gast
Re: ASTRO-H alias Hitomi auf H-IIA 202 F30
« Antwort #77 am: 22. April 2016, 12:22:10 »
Es muss keinen Zusammenhang geben .... In  http://physics.open.ac.uk/~gjwhite/papers/ASTRO_F_Mission_PAPER.pdf  zum IR-Teleskop Akari lese ich

"Just after the launch, it was found that the Sun aspect sensors could not detect the Sun properly. The cause of this problem is still unknown to date."

Meint: "Kurz nach dem Start von Astro-F stellte man fest, dass die Sonnensensoren die Sonne nicht richtig erfassen konnten. Der Grund dafür ist bis heute unbekannt".

Bei Astro-F hat man deshalb nachträglich Software geändert.

In https://heasarc.gsfc.nasa.gov/docs/asca/coord/asca_attitude_paper.pdf zum Röntgenteleskop Astro-D - bis auf den Ausleger mit ähnlichem Aufbau - gibt es einen Absatz "Anomalies during Attitude Maneuver Due Gyro Degradation" ....

Gruß    Pirx
« Letzte Änderung: 22. April 2016, 13:52:54 von Pirx »

*

Offline ZeT

  • ****
  • 444
Re: ASTRO-H alias Hitomi auf H-IIA 202 F30
« Antwort #78 am: 22. April 2016, 14:00:10 »
Man sollte sich auch mal fragen weshalb man unbedingt Softwareupdates aufspielen muss.... da kann immer was schief laufen.

*

Offline Duncan Idaho

  • Raumcon Berater
  • *****
  • 5547
Re: ASTRO-H alias Hitomi auf H-IIA 202 F30
« Antwort #79 am: 28. April 2016, 19:44:14 »
Die JAXA erklärt ihn für verloren.

Beide Solar-Panele scheinen an der Basis abgebrochen zu sein.
Die Signale die nach der "Zerlegung" aufgefangen wurden waren nicht von ASTRO-H.

http://global.jaxa.jp/press/2016/04/20160428_hitomi.html?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter

RIP Hitomi  :'(
Marcus
#I NEVER WANT TO HOLD/SCRUB AGAIN. \\//_

*

Offline Rücksturz

  • Portal Redakteur
  • *****
  • 4448
Re: ASTRO-H alias Hitomi auf H-IIA 202 F30
« Antwort #80 am: 01. Mai 2016, 16:00:45 »
Zum offiziellen Ende von Astro-H gibt es auch einen Bericht im Portal von Thomas Weyrauch:

"JAXA stellt Bemühungen zur Rettung von Astro-H ein
Die japanische Agentur für Luft- und Raumfahrtforschung teilte am 28. April 2016 mit, die Bemühungen zur Rettung des Weltraumteleskops Astro-H einzustellen. Ein Betrieb des Teleskops ohne seine Solarzellenausleger ist nicht möglich."

Weiter geht es hier:
http://www.raumfahrer.net/news/raumfahrt/29042016083156.shtml

LG
Rücksturz
- vergiss niemals, dass auf der anderen Seite ein Mensch sitzt
- erst lesen, dann denken, dann posten
- eingebrachte Artikel sprechen für Dich 
- denke beim Schreiben Deines Beitrages an den Empfänger

« Letzte Änderung: 04. Mai 2016, 20:26:19 von Han_Solo »
---------------------------------------------------
"Glaubst Du noch, oder denkst Du schon?" Giordano Bruno / "Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher." Albert Einstein.

tonthomas

  • Gast
Re: ASTRO-H alias Hitomi auf H-IIA 202 F30
« Antwort #82 am: 06. Juni 2016, 13:57:01 »
Untersuchungsbericht vom 24. Mai 2016 auf Englisch: http://global.jaxa.jp/projects/sat/astro_h/files/topics_20160524.pdf

Gruß   Pirx

*

Offline Terminus

  • *****
  • 5096
Re: ASTRO-H alias Hitomi auf H-IIA 202 F30
« Antwort #83 am: 06. Juni 2016, 22:06:44 »
Am interessantesten fand ich die Seiten 62 bis 67, wo die fatalen Fehler bei der Vorbereitung der neuen Parameter des Lagekontrollsystems mit seinen Düsen für den Betrieb nach dem Entfalten des Optiksystems (EOB) beschrieben werden. Dabei kamen zwei Softwaretools zum Einsatz, die eigentlich für die Entwickler gedacht waren und für die es auch weder Dokumentation noch Schulung gab. Der Output von Tool 1, eine Matrix, musste als Input für Tool 2 manuell eingetippt werden, wobei man noch beachten musste, dass dabei negative Zahlen nur betragsmäßig, also ohne Vorzeichen, zu übertragen waren. Die Person, die das an diesem Tag übernahm, hatte zwar wohl generell Erfahrung mit diesen Tools, machte aber dieses händische Aufsetzen der Parameter zum erstenmal und leider kannte sie nicht diesen gewissen Kniff mit dem Weglassen negativer Vorzeichen... dadurch waren die Parameter fatal falsch......

So, nun gab es im "Workflow" bis zum Abschicken der Dateien an den Satelliten zwar zwei Gelegenheiten, wo die Daten per Simulator nochmal gecheckt werden konnten (und der Fehler hoffentlich entdeckt worden wäre), aber diese Gelegenheiten wurden nicht genutzt und die fatal falschen Daten somit ungeprüft übernommen....

Zwischen den Zeilen wird angedeutet, dass ein gewisser Zeitdruck bestand, da wohl noch eine hier nicht näher bezeichnete Aufgabe kurzfristig von der Supportfirma übernommen werden musste, der die JAXA den Betrieb des Satelliten übertragen hatte....

Bei Hitomis beiden Systemen zur Lage-Ermittlung war es wohl so, dass zumindest bei dem Star-Tracker-System (STT) die Robustheit zugunsten Geschwindigkeit und Präzision vernachlässigt worden war und es somit hin und wieder zu vorübergehenden Störungen kam (d.h. Rückfall vom "tracking mode" in den "acquisition mode"), bis sich der Tracker wieder "gefangen" hatte. Hitomi hatte zwar zwei STTs, diese wurden aber anscheinend nicht immer redundant verwendet....

Jedenfalls scheint es beim ersten Hochfahren des Systems nach dem EOB-Manöver zufällig zu einer solchen Störung gekommen zu sein, wodurch letztlich die Lageregelungsdüsen aktiviert wurden, was nicht nur unnötig war, sondern wegen den verdrehten Vorzeichen in einigen Matrizenelementen den Satelliten in immer schnellere Rotation versetzten, statt ihn zu stabilisieren...  mit dem bekannten Ergebnis. :(

Es werden noch weitere "Mechanisms" geschildert, aber so wie ich es verstanden habe, waren das die wesentlichen Einflussgrößen beim Verlust von Hitomi.

Anzumerken wäre noch, dass der Text unten auf Seite 67 mitten im Satz abreißt. Auf Seite 68 fängt dann ein neues Kapitel an.

Re: ASTRO-H alias Hitomi auf H-IIA 202 F30
« Antwort #84 am: 14. Juni 2016, 08:15:37 »
Ich habe mir den Bericht jetzt auch mal angeschaut. Die Japaner haben den Vorgang sehr gut und umfangreich aufgearbeitet.

Einmal sind da die Prozessfehler im Betrieb, am Tag der Anomalie, wie von Terminus auch schon beschrieben:
  • keine Handbücher für die Phase
  • keine Verifikation der Rechenergebnisse
  • schlechte Kommunikation
  • unerfahrenes Personal
  • nicht alle Fehler/Anomalien aus der post-launch-Phase waren aufgearbeitet/verstanden
  • Man hat ein Manöver an der Kontakt-/Sichtbarkeitsgrenze kommandiert und hatte danach nur unzureichende Telemetrie-Trackingdaten

Aber da sind auch Designfehler:
  • Beobachtungsleistung und -zeit wurde über Sicherheit/Zuverlässigkeit gestellt, offenbar wurden nicht alle möglichen Zustände dann im Design ausreichend gewürdigt
  • irgendwie etwas inkompatible Leistungsparameter zwischen Sternensensoren und Beobachtungsoptik, so dass man die Sternensensoren nicht für FDIR-Anomalieerkennung nutzen konnte
  • FDIR scheint nicht so autonom gewesen zu sein und brauchte in manchen Zuständen Entscheidungs-Input vom Boden

Wenn man solche umfassenden Analysen im Nachgang liest ... stellen sich bei einem immer die Haare im Nacken auf ...
\\   //    Grüße
 \\ ///    Daniel

"We are following you ... but not on twitter." (Futurama)

tobi

  • Gast
Re: ASTRO-H alias Hitomi auf H-IIA 202 F30
« Antwort #85 am: 14. Juni 2016, 09:24:31 »
Ein Bekannter von mir war an der Todai für eine Abschlussarbeit. Die Zustände, die an dieser "Eliteuni" bei Experimenten im Raumfahrtbereich herrschen, sind haarsträubend. Dass die Japaner dauernd Probleme haben mit ihren Missionen, wundert mich nicht im geringsten.

*

Offline Duncan Idaho

  • Raumcon Berater
  • *****
  • 5547
Re: ASTRO-H alias Hitomi auf H-IIA 202 F30
« Antwort #86 am: 13. Juli 2016, 18:52:23 »
Nachruf.

Vor dem Todestaumel konnte Astro-H noch wertvolle Beobachtungen durchführen.
Forscher der Stanford Uni versuchen anhand der Daten zu erklären wie Sterne im großen Maßstab entstehen.
http://news.stanford.edu/2016/07/06/stanford-researchers-help-explain-stars-born-cosmic-structures-evolve/


Zitat
This image created by physicists at Stanford’s SLAC National Accelerator Laboratory illustrates how supermassive black holes at the center of galaxy clusters could heat intergalactic gas, preventing it from cooling and forming stars. (Image credit: SLAC National Accelerator Laboratory)

Bei den beobachteten Galaxien handelt es sich um den Perseus Cluster.
Beeindruckend finde ich das animierte Video.
http://media.slac.stanford.edu/multimedia_comms/temp/smith/hitomi_test/cluster_gas_motion.mov

Gruß
Marcus
#I NEVER WANT TO HOLD/SCRUB AGAIN. \\//_