Strahlenprüfung bei Satelliten?

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Panki

  • Gast
Strahlenprüfung bei Satelliten?
« am: 11. Dezember 2015, 10:56:02 »
Hallo,

ich habe schon häufiger gelesen, dass ein Satellit vor dem Start diversen Prüfungen unterzogen wird. Dazu gehören Vakuum-, Arkustik-, Schütteltest etc.

Was mich interessiert, ist wird so ein Satellit auch auf Strahlung geprüft, oder wird einfach berechnet welcher Strahlenschutz notwendig ist und dieser dann eingebaut. Es gab einmal ein Kickstarter Projekt (ich weiß leider den Namen nicht mehr) in dem die Mikrosats des Cubesats nicht ausgesetzt wurden, da der Hauptprozessor wegen Strahlung neustarten musste. Ein Cubesat ist natürlich nicht vergleichbar mit einem "echten" Satellit, was die Qualitätssicherung angeht.

Lange Rede kurzer Sinn. Gibt es Strahlenprüfungen bei Satelliten? Wenn ja, wie ?

Gruß Panki

SpaceMech

  • Gast
Re: Strahlenprüfung bei Satelliten?
« Antwort #1 am: 11. Dezember 2015, 12:10:47 »
.... Gibt es Strahlenprüfungen bei Satelliten? Wenn ja, wie ?
Gruß Panki
Hallo Panki ,

 Tests der Strahlungsfestigkeit bei kompletten Satelliten gibt es meines Wissens nicht. Statt dessen wird die Strahlungsfestigkeit auf Komponentenebene getestet und nachgewiesen; von vielen Bauteilen gibt es Spezialausführungen ("rad-hard" bzw "rad-tolerant", mit Angabe des Grenzwertes in krad oder Mrad TID), so dass man das nicht jedesmal von Grund auf neu nachweisen muss. Wenn das mal nicht ausreicht, ist es auch einfacher, auf Komponentenebene zusätzliche Abschirmung vorzusehen ("spot shielding"). es gibt inzwischen spezielle Programme, die auf der Grundlage des 3D-CAD-Modells des Satelliten die effektive Abschirmwirkung für jedes Raumwinkelelement berechnen, damit kann man dann sehr gezielt zusätzliche Abschirmmassnahmen ergreifen.

     Gruss HHg

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Offline Riker

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Re: Strahlenprüfung bei Satelliten?
« Antwort #2 am: 11. Dezember 2015, 14:43:39 »
wie SpaceMech eben schon beschrieben hat, werden eigentlich nur die üblichen Verdächtigen auf Strahlenhärte untersucht : in der Regel sind das Integrierte Schaltkreise (ICs) wie Prozessoren und Speicher. Da kann wie beschrieben in vielen Fällen auf bekannte Daten zurückgegriffen werden.
Sollten solche Daten nicht da sein oder solche bekannten Produkte nicht mehr verfügbar sein, müssen Test durchgeführt werden. Dies auch insbesondere dann, wenn aktuelle, hochintegrierte ICs aus der Massenproduktion benutzt werden sollen.
Solche Tests werden in Europa z.B. von ESA-ESTEC veranlasst, die dafür mit verschiedenen Teilchenbeschleunigeranlagen zusammen arbeiten: z.B. Louvain-la-Nueve in Belgien, Jyväskylä in Finnland oder versuchsweise (ein paar Jahre bis ca. 2006) am Ionenstrahllabor ISL vom (damaligen) Hahn-Meitner-Institut Berlin. Z.B. wurde an letztere Anlage u.a. der Sensorchip der ROLIS-Kamera von Philae (Rosetta) oder die Elektronik von ERA, dem Europäischen Roboterarm mittels hochenergetischer Protonen bestrahlt und die Strahlenhärte der Komponenten zu untersuchen.
"Machen Sie's so!"

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Offline cullyn

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Re: Strahlenprüfung bei Satelliten?
« Antwort #3 am: 12. Dezember 2015, 10:31:27 »
Zunächst mal gibt es verschiedene Effekte von Strahlung, die üblicherweise auf Bauteilebene getestet werden, teilweise auf Satellitenebene berechnet werden. Nur im Extremfall auch auf Geräte oder Satellitenebene getestet werden.

TID (Total Ionisation Dose) berücksichtigt vereinfacht die beschleunigte Alterung von Bauteilparameter unter Strahlung. Dieser Effekt muss für viele aktive Komponenten, aber auch z.B. Optische Fasern berücksichtigt werden. Nach ESCC (ESA Beschaffungsspezifikation) muss dieser Effekt regelmässig für Bauteile nachgewiesen werden (z.B. für Transistoren die über Jahre hinweg identisch produziert werden).
Zusätzliche wird auf Geräte/Satellitenebene die Tatsächlich zu erwartende Dosis berechnet, da z.B: Geräte an der AUssenseite eine Abschirmung für interne Geräte darstellen. Zusätzlich _kann_ man Bauteile schirmen, aber das kostet Masse, die gestartet werden muss

SEE (Single Event Effekte) kommen zustande wenn hochenergetische Teilchen einen Teil ihrer Energie abgeben.
Die häufigsten dieser Effekte führen nur zu temporärer Funktionsstörung ohne bleibenden  Effekt (aber es gibt auch zerstörende Effekte).
Diese hochenergetischen Teilchen können nicht geschirmt werden. IdR werden diese Effekte auf Technologie oder Designebene einmal untersucht und anschliessend nur noch rechnerisch behandelt. Wenn du weisst, du hast eine Datenstörung statistisch alle xyz Jahre oder einen Bauteilausfall alle ZYX Jahre, dann muss das System damit umgehen durch irgendwelche Redundanzen.

Für Cubessats werden oftmals kommerzielle Bauteile verwendet, um Kosten zu sparen.
Die Tests für ein qualifiziertes Bauteil machen aus einem Wiederstand für ein paar Cents, ein Bauteil im 2-3 Stelligen Euro-Bereich. Ein einzelner SEE Test kostet leicht 100-500k Euro.

Panki

  • Gast
Re: Strahlenprüfung bei Satelliten?
« Antwort #4 am: 21. Dezember 2015, 22:28:54 »
Vielen dank euch drei. Eure Antworten haben mir sehr geholfen.