Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?

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Der Heidelberger Physiker, Prof. Dr. Christof Wetterich hat ein alternatives Modell zu der konventionellen Urknall-Hypothese entwickelt. Letztere besagt, dass es  einen einzelnen "Beginns des Universums",  vor etwa 13,8*10^9 Jahren gab, und von dem an das Universum von einen einzelnen unendlich dichten Punkt aus expandierte. Wetterich's alternative Hypothese hingegen besagt, dass sich stattdessen der Beginn des Universums unendlich weit in die Vergangenheit erstreckt, an dem das Universum nahezu Statisch war. Darüber hinaus wachse die Masse der Elementarteilchen mit der Zeit, während die Gravitationskraft abnähme. Die Dunkle Energie und die Masse der Elementarteilchen hänge hierbei direkt mit einem zeitlich variablen Skalarfeld zusammen.

Vorteil dieses neuen Modells soll hierbei sein, dass die problematische Singularität am Anfang des Universums vermieden wird, und die Frage "Was war vor dem Urknall?" erledigt wäre.

http://www.astronews.com/news/artikel/2014/02/1402-035.shtml , astronews.com-Bericht

http://arxiv.org/abs/1308.1019 preprint

Was ist von dieser neuen Theorie zu halten? Und wie ist sie mit den etablierten Theorien und Beobachtungen zu vereinbaren?
« Letzte Änderung: 03. März 2014, 17:36:43 von 1234567891011a »
Raumfahrt ohne Vision ist nichts. Also lasst uns das Unmögliche wahr werden!

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Offline Volker

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #1 am: 04. März 2014, 11:18:49 »
Hallo,

ein Problem der Theorie von Wetterich ist, dass sie sich (zur Zeit) nicht verifizieren laesst. Grundsaetzlich scheint die Theorie aber mit Beobachtungen übereinzustimmen. Ob das nun eine schlüssigere (i.e. einfachere) Theorie ist als die gaengige, ist aber auch zweifelhaft. Schliesslich benoetigt diese Theorie ein zusaetzliches Skalarfeld (Quintessenz) und eine sich aendernde Gravitationskraft und das ist auch eine ad-hoc Annahme.
Das Standardmodell hat bisher den Vorteil, dass es überprüfbare Vorhersagen gemacht hat, die dann auch bestaetigt werden konnten. Das muss die Theorie von Wetterich noch liefern. Dennoch, neue Ideen, die auf physikalisch soliden Grundlagen aufgebaut sind, sind begrüssenswert und helfen die Diskussion und Forschung in Gang zu halten. Mal sehen, ob Wetterich sein Modell dann auch mal in einer referierten Fachzeitschrift veroeffentlicht.

By the way: wir gehen nicht von einem "undendlich dichten Punkt" am Anfang des Universums aus. Vielmehr macht das bestehende Modell keine Vorhersagen über die Zeit vor der Planck-Zeit (also vor den ersten 5e-44 Sekunden). Zu dem Zeitpunkt war die Dichte im Universum zwar sehr sehr hoch, aber nicht unendlich.

Gruss,
Volker
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McFire

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #2 am: 04. März 2014, 11:55:01 »
Der Herr Wetterich gefällt mir schon recht gut ;)
Aber er kann wohl auch nicht erklären, warum das "damals" nun grad so und nicht anders aussah. Aber hier ist viel weniger Zwang zu extremen Zuständen vorhanden.

Dagegen bleibt für mich bei der Urknall-Theorie die Frage : Was hat es denn erstmal komprimiert und wozu eigentlich? Gab es einen Zwang dazu? Ich meine, was auseinanderstrebt, rutscht ja nicht freiwillig erstmal zusammen.
Man kriegt ja oft genug zu hören "Die Natur tut nix ohne Notwendigkeit".
Also gut - warum/woher/wie lange vor dem "Urknall" gabs das Urkomprimat? Das wär für mich viel interessanter als die genauen Milliarden Jahre oder die exakten km/sek des Ausdehnens zu wissen.
So, nun macht mich fertig ;)  ;D

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Offline Schillrich

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #3 am: 04. März 2014, 12:43:43 »
Ich denke auch die typische Analogie "Urknall =  alles hat in einem Punkt (oder Ort) begonnen zu expandieren", stimmt nicht. Allgemeiner heißt es "Urknall = der Raum hat überall begonnen zu expandieren".

Nun ist "überall" in diesem Zusammenhang schwer zu lokalisieren. Aber ich denke die Punktanalogie führt im gedanklichen Bild zu weit.
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Offline Volker

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #4 am: 04. März 2014, 12:46:24 »
Hallo,

Dagegen bleibt für mich bei der Urknall-Theorie die Frage : Was hat es denn erstmal komprimiert und wozu eigentlich? Gab es einen Zwang dazu?

jedes Modell des Universums hat seine Grenzen in der Naturwissenschaft. Ob man sich nun fragt, wie die Anfangsbedingungen eines Urknalls zustande kommen, oder ob man sich im Modell eines steady-state-Universum fragt, wie das denn am Anfang installiert worden ist -- letztlich kann die Naturwissenschaft nicht die Frage nach dem 'woher' oder 'warum' beantworten. Daher wirst Du Deine Frage bezüglich der Urknall Theorie aehnlich an die Wetterich-Theorie stellen koennen: Woher kommt das skalare Feld? Was veraendert die Gravitationskraft im Laufe der Zeit? Gab es einen Zwang dazu?

Eine gute, physikalische Theorie ist verifizierbar, macht also nachprüfbare Vorraussagen und sollte mit bereits gemachten Beobachtungen uebereinstimmen. Eine gute Theorie sollte auch die moeglichst einfachste Theorie sein, also auf der kleinsten Anzahl von Parametern und Annahmen beruhen.
Jede physikalische Theorie hat Grenzen (z.B. das Standardmodell des Universums beginnt erst bei t=5e-44 Sekunden) in denen sie angewandt werden kann.

Gruss,
Volker

P.S.: Prima, dass Schillrich das mit dem Ort des Urknalls noch mal richtig gestellt hat. Das führt ja auch staendig zu Missverstaendnissen.
« Letzte Änderung: 04. März 2014, 14:46:13 von Volker »
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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #5 am: 04. März 2014, 13:07:20 »
Ich hatte mich ja schon einmal zum Vortrag von R. Penrose in Heidelberg Ende letzten Jahres und seiner Ablehnung der Inflation geäußert. Herr Wetterich hielt (glaube ich) die Vorstellung und erklärte,er vertritt andere Ansätze. Lehnt er denn die I. ab, oder ist die da mit drin? Ist ja auch irgendwie ein Feld, was man gut gebrauchen kann...

McFire

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #6 am: 04. März 2014, 13:09:11 »
Zitat
Ob man sich nun fragt, wie die Anfangsbedingungen eines Urknalls zustande kommen, oder ob man sich im Modell eines steady-state-Universum fragt, wie das denn am Anfang installiert worden ist -- letztlich kann die Naturwissenschaft nicht die Frage nach dem 'woher' oder 'warum' beantworten. Daher wirst Du Deine Frage bezueglich der Urknall Theorie aehnlich an die Wetterich-Theorie stellen koennen: Woher kommt das skalare Feld? Was veraendert die Gravitationskraft im Laufe der Zeit? Gab es einen Zwang dazu?

Ja, so ist es wohl - und man muß sich bescheiden mit dem "danach".....

Caladaris

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #7 am: 05. März 2014, 02:32:29 »
Diese Theorie erinnert mich ein wenig an die "Steady State"-Theorie, in den 1940ern von Fredy Hoyle vertreten wurde (aber auch von anderen, u.a. Einstein soll mit dieser Theorie geliebäugelt haben).
Auch hier geht die Vergangenheit des Universums unendlich weit zurück (und das Universum expandiert unendlich lang).
Ein Zeit-Konzept, welches ich auch wesentlich logischer und kongruenter finde als einen abrupten "Anfang" der Zeit. Wenn man von einem unendlichen dreidimensionalen Raum ausgeht, warum dann nicht auch von einer unendlichen höherdimensionalen Raumzeit?

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Offline Volker

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #8 am: 05. März 2014, 09:05:55 »
Hallo,

Ein Zeit-Konzept, welches ich auch wesentlich logischer und kongruenter finde als einen abrupten "Anfang" der Zeit.

Nur weil sich eine Theorie besser anfühlt, muss sie nicht besser sein. Was wir als logisch oder nachvollziehbar finden, ist nicht nur sehr subjektiv, sondern auch dem Zeitgeist angepasst. Die Relativitaetstheorie ist auch nicht besonders "logisch", wenn man sie aus unserer Alttagserfahrung heraus betrachtet. Sie ist aber mathematisch und physikalisch fundiert und hat Vorraussagen gemacht, die sich bestaetigen liessen. Irgendwann kommt so ein Model dann auch in der Gesellschaft an und wird dann als logisch oder wenigstens nachvollziehbar empfunden. Das Steady State Model von Hoyle hat mit der Theorie von Wetterich nur wenig Gemeinsamkeiten. Hoyles Model hat Voraussagen gemacht, die sich nicht bestaetigt haben. Und das Universum im Model von Wetterich ist eben nicht steady state, sondern veraendert sich (z.B. in dem sich die Gravitationskraft mit der Zeit aendert).

Uebrigens: unser Standardmodel beinhaltet keinen "abrubten Anfang der Zeit". Da das Model erst ab t=5e-44 Sekunden gültig ist, macht es keine Aussage darüber, was davor war.

Gruss,
Volker
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McFire

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #9 am: 05. März 2014, 12:37:11 »
Mal so nebenbei - ist t=5e-44 eigentlich beweisbar?

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Offline fl67

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #10 am: 05. März 2014, 13:30:34 »
Mal so nebenbei - ist t=5e-44 eigentlich beweisbar?
Das ist die Planck-Zeit.

McFire

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #11 am: 05. März 2014, 15:23:01 »
Ja, weiß ich, aber wie bestätigt ?

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Offline Schillrich

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #12 am: 05. März 2014, 15:29:11 »
Ich denke der bessere Begriff ist: abgeschätzt.
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Offline ZeT

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #13 am: 05. März 2014, 18:00:27 »
Ich komm vorallem mit

"...sich der Beginn des Universums unendlich weit in die Vergangenheit erstreckt"

nicht zurecht.

Das klingt für mich noch irrationaler als die Singularität.

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Offline spacer

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #14 am: 07. März 2014, 23:18:13 »
Nabend,

Mal so nebenbei - ist t=5e-44 eigentlich beweisbar?
Die Planck-Zeit ergibt sich aus den Naturkonstanten Wirkungsquantum, Lichtgeschwindigkeit und Gravitationskonstante. Die ersten beiden sind sehr genau bestimmt, die letzte weniger (auf etwa 4 Nachkommastellen).

Sehe ich das richtig, dass nach Wetterichs Theorie auch mit der Gravitationskonstante auch die Planck-Zeit abnehmen müsste?
« Letzte Änderung: 08. März 2014, 21:30:05 von spacer »

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Offline Meagan

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #15 am: 09. März 2014, 18:44:39 »
Diese Theorie erinnert mich ein wenig an die "Steady State"-Theorie, in den 1940ern von Fredy Hoyle vertreten wurde (aber auch von anderen, u.a. Einstein soll mit dieser Theorie geliebäugelt haben).
Auch hier geht die Vergangenheit des Universums unendlich weit zurück (und das Universum expandiert unendlich lang).
Ein Zeit-Konzept, welches ich auch wesentlich logischer und kongruenter finde als einen abrupten "Anfang" der Zeit. Wenn man von einem unendlichen dreidimensionalen Raum ausgeht, warum dann nicht auch von einer unendlichen höherdimensionalen Raumzeit?

Um zu wissen , was vor einem bestimmten Termin war, hilft es wenig die Zeit mehrdimensional zu machen. Für jede weitere Dimension sollte auch verlangt werden, daß es eine plausible Erklärung gibt. Fügt man zu den jetzigen 4 Dimensionen (x,y,z,Zeit) noch eine hinzu, so erschaft man praktisch schon ein Multiversum. Das sagt aber immer noch nichts darüber aus was vor einem Termin war. Selbst für Berechnungen der Krümmung der Raumzeit in Schwerkraftfeldern ist das Ergebnis für die Zeit eindimensional.

Also, wenn Du vor hast eine multidimensionale Zeit einzuführen, so solltest Du uns doch wenigstens mal erklären, welche Vorteile das bringen soll.

Anki64

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #16 am: 10. März 2014, 14:46:12 »
Hallo,

Ein Zeit-Konzept, welches ich auch wesentlich logischer und kongruenter finde als einen abrupten "Anfang" der Zeit.


Uebrigens: unser Standardmodel beinhaltet keinen "abrubten Anfang der Zeit". Da das Model erst ab t=5e-44 Sekunden gültig ist, macht es keine Aussage darüber, was davor war.



Naja, da ist ja auch nicht sehr viel ;-) Es ist ein fast unendlich kurzer Zeitraum. Kein Mensch der Welt könnte ihn überhaupt ansatzweise wahrnehmen.

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Offline Volker

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Re: Langsames Auftauen als alternative kosmologische Theorie?
« Antwort #17 am: 10. März 2014, 14:52:35 »
Hallo,

Naja, da ist ja auch nicht sehr viel ;-) Es ist ein fast unendlich kurzer Zeitraum. Kein Mensch der Welt könnte ihn überhaupt ansatzweise wahrnehmen.

bei einem Modell für unser Universum geht es ja nicht darum, ob man das als Mensch nachvollziehen oder erleben kann. Das liegt ja sowieso knapp 14 Milliarden Jahre in der Vergangenheit. Das kann auch kein Mensch ansatzweise wahrnehmen.
Das entscheidende daran, dass das Urknallmodell nur ab 5e-44 Sekunden gültig ist: dieses Modell macht keine Aussage darüber, ob sich davor eine Singularitaet ereignet hat.

Gruss,
Volker
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