Zum 50jährigen Jubiläum der Luna-17 Mission mit Landung und nachfolgendem Betrieb von Lunochod-1 auf dem Mond will ich mal ein paar gesamtheitliche Gedanken mit Blick auf das Projekt von mir geben. Im Rückblick war die Landung und Betrieb eines ferngesteuerten unbemannten Forschungsfahrzeuges auf dem Mond ein großer Erfolgt und es wird auch immer wieder als Referenz für nachfolgende Mond- und Marserkundungsmissionen mit ähnlichen Fahrzeugkonzepten herangezogen.
An der Komplexität solche Missionen hat sich bis heute Nichts geändert. Man muss erst mal hinkommen, darf sich dann nicht festfahren, Elektronik und Mechanik dürfen nicht schlapp machen und Staub ist sowieso schlecht. Zu jedem dieser Punkte gab es ja auch in der Neuzeit schon Probleme.
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Wie war die Lage vor 50 Jahren bzw. noch ein paar Jahre weiter vorher als das Projekt erdacht, beschlossen und umgesetzt wurde?
Innerhalb der 3 Monderforschungsprojektgruppen L1/L2/L3 stellen die Lunochodmissionen insgesamt nur einen kleinen Teilaspekt dar. Dieser Teilaspekt wurde im Rahmen der L2 Projekte zur unbemannten Erforschung des Mondes mit Sonden einer „neuen Generation“ – E-8 umgesetzt. Diese E-8 Sondenfamilie war die Nachfolgeentwicklung der E-6 Sonden, mit denen viele Grundlagen (weiche Landung auf dem Mond mit Oberflächenbewertung, Mondsatelliten, Testsonden für Technologieüberprüfung in Mondumgebung) gelegt wurden.
Wobei man aber auch sehen muss, dass das vorangegangene Grundlagenprogramm mit den E-6 Sonden auch sehr viele Rückschläge hinnehmen musste, aus denen aber offensichtlich viele richtige Lehren gezogen wurden, sodass die E-8 Sonden eine ordentliche Erfolgsstatistik aufweisen konnten.
Im Rahmen der E-8 Sonden waren Mondprobenrückführung, Mondorbiter und Fahrzeuge zur Oberflächenerforschung vorgesehen. Zu diesen 3 Schwerpunkten gab es jeweils mindestens 2 erfolgreiche Missionen zu verzeichnen, was auch insgesamt für das E-8 Programm spricht.
Auf dieser Basis wurde seinerzeit auch eine entsprechende Kommunikationsstrategie an den Tag gelegt um von den erfolglosen Anstrengungen zur bemannten Mondlandung abzulenken oder diese quasi wegzukommentieren. So etwas würde heutzutage mit dem Schlagwort „Euphemismus“ charakterisiert werden…
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Interessant ist auch der Umstand, dass Lunochod quasi eines der wenigen Dinge innerhalb der L1/L2/L3 Projekte war, die final umgesetzt wurden. Dabei haben die beiden durchgeführten Missionen noch gar nicht das projektierte Potential ausgeschöpft. Bedenkt man die geplanten Aufgaben im Rahmen des bemannten Mondlandeprogamms und die Evolution hin zur 3. unbemannten Mission, so kann man erkennen – da wäre noch einiges drin gewesen.
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Die Doppelfunktion im Rahmen unbemannter als auch bemannter Mondmissionen ist aus meiner Sicht eine der wesentlichen Grundlagen, dass ausreichend Ressourcen und Mittel für die Vorbereitung und Umsetzung der Missionen zur Verfügung standen und insbesondere auch der zeitliche Rahmen nicht zu viel Verspätung hatte.
Das zeigt sich auch daran, dass Anfang 1969 bereits der erste Starversuch einer Lunochod Mission stattfand. Zu diesem Zeitpunkt waren die Informationen über die Mondoberfläche in einem potentiellen bemannten Landegebiet noch sehr vage. Zwar gab es mit Luna-9 und Luna-13 schon ein paar Ergebnisse zur Oberflächenstruktur, Festigkeit etc. aber eben noch nicht viel – vor allem in einem größeren räumlichen Gebiet sah es sehr mager aus.
Die Einbindung in ein bemanntes Programm macht das Lunochod für mich auch zusätzlich interessant- obgleich hier kaum belastbare Informationen vorliegen und nach wie vor die Gefahr von Fehlinterpretationen und spekulativen Aussagen besteht.
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Bedenkt man, dass im Hinblick auf die Landegenauigkeit der automatischen unbemannten LK-Lander und der sehr begrenzten Manövrierreserven der bekannten LK-Lander sehr gute Kenntnisse zur Gestalt des Ankunftsortes bzw. sogar ein Landeleitsystem quasi überlebenswichtig waren, so war der frühzeitige Einsatz von Fahrzeugen zur weiträumigen Analyse einer Landezone unabdingbar.
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Dabei war der Einsatz des Lunochod selbst bei seiner Projektierung mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Das Thema Fahrwerk ist ja bis heute bei allen Missionen sehr diskutabel – damals musste dazu viel ins Blaue entschieden werden. Somit erklärt sich auch die etwas rustikal anmutende Lösung mit den 8 Rädern und der „Raupenlenkung“. Starker Traktionsüberschuss in allen Situationen – beim Lenken wird halt was zur Seite geschoben. Weiterhin ist auch die Ausstattung mit einem Penetrometer und die vielen durchgeführten Test nur folgerichtig um entsprechend viele Ergebnisse zu erzielen, die auch einer bemannten Landung zu Gute gekommen wären. Die Dokumentation von Seitensichtpanoramas war ebenfalls für Landegebietsvermessung und Kartographie eine wichtige Grundlage. Wenn man vom Orbiter wenig genaue optische Auflösung bekommt – warum nicht vor Ort direkt was machen. Anflugprofil über Berge galt es zu vermeiden … Luna-15…
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Ein weiterer Aspekt zur Unterstützung der bemannten Landemissionen ist sicher auch ein psychologischer Anker. Der Landekosmonaut weiß, da unten erwartet mich ein System, welches den Abstieg schon erfolgreich geschafft hat, mich bei der Landung technisch unterstützt, nach dem ich im Endanflug Ausschau halten kann und das vor Ort mit Versorgung und Transport mein Leben retten kann. Somit war auch eine rustikale Auslegung der Lunochod-Systeme nur logisch.
Das kam natürlich auch der Gesamtmissionsdauer auch bei „nur“ unbekannten Missionen zu Gute.
Die komplizierten Umweltbedingungen auf dem Mond mit den extremen Temperaturschwankungen Mondtag/Nacht, stellten hierbei die größte Herausforderung dar, die in Bezug auf die Mondnachtkälte bis heute nur mit Einsatz von nuklearen Heizelementen gelöst wird.
Es gibt natürlich Dinge, die heute eleganter und mit modernen technische Mitteln einfacher gelöst werden können (50 Jahre sind ja auch lange genug). Beispielsweise gab es einen Antennenoperator, der ständig die Hauptsendeantenne auf die Erde – insbesondere im Fahrbetrieb ausrichten musste. Die Lösung funktionierte und war gut. Das dabei übertragbare Bild war weit von dem entfernt, was heute quasi Standard ist. Abfolge von Standbildern mit einer Auflösung, die an der Konturerkenngrenze lag – musste man mit umfangreichem Training als Vorbereitung üben, üben und nochmals üben. Die Stressbelastung für das Operatorenteam war außerordenlich hoch und die Auswahlkriterien des selbigen ebenso.
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Einmalig aber auch die Eindrücke und Erlebnisse beim unmittelbaren Betrieb der Missionen. Die erzielten Ergebnisse sind bis heute als Referenzinformationen von Nutzen und rechtfertigen die eingesetzten Mittel.
Damals ist Viel gegangen und der Wille zum Erfolgt war auf jeden Fall da. Niemand hätte sich vorstellen können, dass diese Erfolgsgeschichte nach 2 Missionen für über 50 Jahren zum Erliegen kommt. Die Aussichten für ein neues Lunochod sind da – nur zeitlich kann sich da Niemand wirklich festlegen.
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Es gibt von Roscosmos noch ein paar Bilder, die in guter Qualität noch nicht verfügbar waren.
Bildquelle:
https://www.roscosmos.ru/29547/Lunochod-1 - die Grafiker haben da in den 60ern wirklich eine sehr schöne Arbeit geleistet.
Luna-17 auf dem Block-D mit Nutzlastverkleidung in Flugstellung.
Der Arbeitsbereich der 3 Kamerasysteme – Front-Fahrkamera, Seitenphotometer Horizontalsicht und Seitenphotometer Vertikalsicht.
Siehe zu Detailinfos hier:
https://forum.raumfahrer.net/index.php?topic=12187.msg331973#msg331973Mal sehen ob nächste Woche zum Landejubiläum noch weitere Dokumente von Roskosmos kommen – hat ja bei Luna-16 auch noch was gegeben.
dksk