Um mal wieder auf den Threadtitel zurückzukommen:
In der Raumfahrt sind Ethik und Moral zwei sehr diffizile Themen.
Ich habe mich innerhalb eines Vortrags mal mit der Raumfahrt als Spiegelbild des Klaten Krieges beschäftigt und was soll ich sagen, mit der Moral war es damals bei manchen Wissenschaftlern nicht so weit her. Damit möchte ich diesen Wissenschaftlern aber beileibe nicht Skrupellosigkeit unterstellen, nein, es waren vielmahr die Erfordernisse der Zeit. Fast alle heutigen Nutzer von Trägerraketen starteten ihre Raumfahrtprogramme mit dem Ziel Interkontinentalraketen zu bauen. Sei es nun Russland, Amerika oder China. Fast sämtliche Raumfahrtprogramme begannen beim Militär, und demzufolge war auch die Zielsetzung.
Heute haben sich die Zeiten geändert, der Kalte Krieg ist vorbei und es werden nicht mehr endlose Summen für neue Waffensysteme bereitgestellt. Allerdings haben sich auch die Möglichkeiten vervielfacht, Raumfahrt zum schlechten einzusetzten. So spionieren Spionagesatelliten mit hochauflösenden Optiken jeden Punkt der Erde aus, Kommunikationssatelliten ermöglichen die Echtzeitsteuerung von Drohnen und Raketen rund um den Globus und Interkontinentalraketen erlauben einer immer größeren Anzahl von Staaten die Vernichtung eines Atonmschlages in jeden Winkel der Erde zu tragen.
Inwiefern ist also der Ingenieur, der für Boeing oder eine andere Firma eine Trägerrakete mitentwickelt hat, mitschuldig, wenn mithilfe "seiner" Rakete, zum Beispiel, der Satellit ins All gebracht wird,
über den dann die Drohnen in Pakistan gesteuert werden ?
Ist er in der Folge mitschuldig, wenn bei Drohnenangriffen Unschuldige sterben ?
Meiner Meinung nach ist dem nicht so. Man kann in der Raumfahrt unterscheiden zwischen zivilen, militärischen und "dual use"-Gütern. Gegen zivile Güter ist überhaupt nichts einzuwenden, sei es in der Entwicklung oder der Nutzung. Der weit Größere Teil in der Raumfahrt dürften sogenannte "dual use"-Güter ausmachen, wie z.B. Erdbeobachtungssatelliten oder Kommnikationssatelliten. Hier sollte bei der moralischen Bewertung die Nutzungsabsicht betrachtet werden: dient der Satellit zivilen Zwecken, z.B. Verbreitung von TV oder militärischen, z.B. Kommunikation mit Truppen ? Hier kann es durchaus sein, dass das Militär als Kunde auftritt für eigentlich zivile Satelliten. Wenn man es ganz genau nimmt, muss man auch solche Anwendungen kritisch hinterfragen, ob man es für (moralisch) gerechtertigt hält oder eben nicht. Allerdings sind selbst militärische Anwendungen in diesem Bereich nicht per se schlecht, schließlich will der Blauhelmsoldat irgendwo im Nirgendwo beim Sichern des Friedens auch nach Hause telefonieren...
Was aber nicht geht, wenn man sich zivile Raumfahrt auf die Banner schreibt, sind militärische Projekte: Spionagesatelliten, die direkt der Vorbereitung von militärischen Einsätzen dienen, die Entwicklung von Interkontinentalraketen (auf Basis oder als Basis von Trägerraketen) oder gar Weltraumwaffen (Stichwort Reagans "Star-Wars" oder die obskure X-37)
Als Fazit lässt sich ziehen, dass bestimmte Überschneidungen immer auftauchen werden; mittels einer Trennung in zivile und militärische Raumfahrtstrukturen (wie sie ja in den meisten Staaten existiert) lässt sich aber (moralisch einwandfreie) zivile Raumfahrt von militärischer Raumfahrt abgrenzen. Dann bleibt es den Mitarbeitern überlassen, ob sie die Projekte mittragen wollen (sofern man ihnen sagt, woran genau sie arbeiten
)
Die Frage ist halt auch, inwiefern in der Öffentlichkeit kritisch angesehene Militärprojekte mit Raumfahrtrelevanz auf die zivile Raumfahrt/Forschung abfärben