Raumanzüge

  • 231 Antworten
  • 106354 Aufrufe
Re: Raumanzüge
« Antwort #25 am: 25. Juli 2013, 14:31:13 »
Von der US-amerikanischen Luftschleuse Quest aus können sowohl EVAs mit Orlans als auch mit EMUs durchgeführt werden. Wie das von den Versorgungsanschlüssen aus funktioniert, weiß ich allerdings nicht. Umgekehrt funktioniert das nicht, da die EMUs zu groß sind für die russiche Luftschleuse.

Die Schleusen Pirs/Poisk bzw. Quest sind speziell für die entsprechenden Skaphandertypen Orlan bzw. EMU (die ja schon eher existierten) konstruiert worden, deshalb glaube ich nicht, dass man mit den russischen Orlans von Quest aus EVAs durchführen könnte. So etwas stand auch nie zur Debatte. Und auch die Versorgungsanschlüsse in Quest würden für Orlan mit großer Sicherheit nicht passen.

Viele Grüße, Wilga35

Da muss ich Dich korrigieren: Die Möglichkeit, EVAs mit Orlan-M von Quest auszuführen, stand sehr wohl schon bei der Planung von Quest zur Debatte, weil man Interoperabilität und somit Redundanz haben wollte. Die Anschlüsse passen sehr wohl, weil eben genau deshalb das Bordsystem in Quest und dessen Anschlüsse kompatibel sind mit Orlan-M, und es gibt Anzeigen auf der Kontrolltafel für EMU und für Orlan.

Auch die Orlan-M Anzüge wurden modifiziert, um einen Einsatz ab Quest zu erlauben: Das LSS (Lebenserhaltungssystem) von Orlan-M wurde angepasst, um z.B. die Kapazität des eingebauten CO2-Filters und des Luftentfeuchters zu erhöhen, damit man auf die entsprechenden Systeme im Bordsystem verzichten konnte, weil sie auch für die EMU nicht im Bordsystem benötigt werden. Im Bordsystem BSS-2U auf der MIR waren diese noch vorhanden. BSS-4 im russischen Teil der ISS hat sie nicht mehr. Die Kupplungen der Versorgungsleitungen, mit denen der Anzug während der EVA-Vorbereitungszeit mit dem Bordsystem vebunden ist, wurden auch modifiziert, so dass sie auch ins Bordsystem von Quest passen. Diese Versorgungsleitungen für Orlan-M sind jedoch nur im russischen Teil der ISS vorhanden und werden dort gelagert. Für einen Einsatz von Orlan-M ab Quest würden sie dann zuerst zusammen mit den Anzügen ins Quest-Modul verbracht und nach dem Einsatz wieder zurück.
Es ist also keineswegs nur Zufall, dass die Orlan-M Anzüge auch ab Quest einsetzbar sind.

Mindestkörpergrösse für Orlan-M ist übrigens 164 cm, Maximalkörpergrösse 190 cm. Der maximale Brustumfang beträgt 112 cm, den minimalen weiss ich grad nicht mehr.

Gruss, Sternfahrer
Pojechali!

Wilga35

  • Gast
Re: Raumanzüge
« Antwort #26 am: 25. Juli 2013, 23:35:10 »
O.K., danke für die Korrektur. Die aufgeführten Details waren mir bisher weitgehend unbekannt.

Gruß, Wilga35

*

Offline HausD

  • *****
  • 13753
Re: Raumanzüge
« Antwort #27 am: 29. Juli 2013, 13:31:21 »
Neuer Raumanzug auf dem Capitol
Am 23.07.2013 fand auf dem Capitol die Vorstellung des neuen "3G" Raumanzugs vor Congress-Mitgliedern und Gästen, u.a. auch NASA-Chef Bolden statt.



Warum kommt mir nur der Anzug nicht ganz so neu vor !?

Gruß, HausD

*

Offline Riker

  • *****
  • 607
Re: Raumanzüge
« Antwort #28 am: 29. Juli 2013, 14:04:15 »
...


Warum kommt mir nur der Anzug nicht ganz so neu vor !?

Gruß, HausD

na gut, ich verrate es einfach mal: na weil scih da die Amis die uuuuralte sowjetische Lösung zu Eigen gemacht haben: durch den Bauchnabel reinschlüpfen und das ganze hinterher fest zu binden.....

trotzdem bin ich immer wieder fasziniert, dass das so gut zu funktionieren scheint. durch den zeitweilig höheren Druck im Anzug wird wohl die Verschnürung dicht zusammen gepresst - und ausserdem so das ja wohl nicht ewig dicht halten, oder ?

Weiß da vielleicht jemand, wie lange bei Druckverlust in der Kapsel, in diesem Anzug das Überleben gesichert sein sollte?
Ein, zwei Erdumläufe bis zu einer Notlandung vielleicht, falls es beim Start Probleme geben sollte? Bei der Landung dürfte es sich ja nur um Minuten handeln...
"Machen Sie's so!"

*

Offline HausD

  • *****
  • 13753
Re: Raumanzüge
« Antwort #29 am: 29. Juli 2013, 14:35:01 »
Spielen im Vakuum
Die Funktion der Handschuhe wird "spielend" ermittelt:



In einer Baro-Glove-Box wird mit den schuppigen Fingern der Handschuhe an einem Rubik-Würfel gedreht und...



... an einem Steckspiel die Grenzen ausgetestet.

@Riker: Beim SOKOL wurde mir gesagt, dass man nach einer Dekompression min. 120 min darin arbeiten und somit die Landung im vorgesehenen Landegebiet vornehmen kann. Die Zeit wird vom Sauerstoffvorrat im Anzug bestimmt.

Gruß, HausD

*

Offline Riker

  • *****
  • 607
Re: Raumanzüge
« Antwort #30 am: 29. Juli 2013, 15:29:30 »
...

@Riker: Beim SOKOL wurde mir gesagt, dass man nach einer Dekompression min. 120 min darin arbeiten und somit die Landung im vorgesehenen Landegebiet vornehmen kann. Die Zeit wird vom Sauerstoffvorrat im Anzug bestimmt.

Gruß, HausD

Vielen Dank, HausD - da lag ich ja mit meiner Schätzung nicht sooo weit weg. aber meinst du nicht, dass es wie in anderen Anzügen/geschlossenen Systemen nicht eher die CO2-Konzentration ist, die die Einsatzgrenze(Zeit) bestimmt? Wie auch immer, O2-Vorrat und Volumen der Kalkpatrone dürften aufeinander abgestimmt sein  ;-)

Bis vor kurzem hätte ich nicht daran gedacht, dass es möglich wäre, im Raumanzug zu ertrinken. Aber überall wo Wasser ist, kann s u.U. nach Murphy auch irgendwie rauskommen... 
Wie ist beim Sokol und dem neuen Ami-Anzug? Haben die eine interne Kühlung, oder bauen die auf die Umgebungsbedingungen in den jeweiligen Kapseln?
"Machen Sie's so!"

Re: Raumanzüge
« Antwort #31 am: 30. Juli 2013, 03:00:12 »
Wie ist beim Sokol und dem neuen Ami-Anzug? Haben die eine interne Kühlung, oder bauen die auf die Umgebungsbedingungen in den jeweiligen Kapseln?

Sokol-KV-2 hat keine interne Kühlung. Der Anzug wird durch Ventilation mit Umgebungsluft gekühlt, die durch einen Schlauch zugeführt wird, da im Anzug selbst kein Ventilator ist. In der Sojus geschieht dies durch die drei Ventilatoren in der Bordventilationseinheit BVU-1, die über die Verteilereinheit BR-1M im Normalfall die drei Anzüge an Bord mit Luft aus der Kabine versorgen. Dabei wird die Luft durch Schläuche im Anzug zum Helm, zu den Handgelenken und zu den Füssen geleitet. Bei einem Druckabfall in der Sojus unter 533 mbar wird diese Luftzufuhr durch Ventile in der BR-1M komplett abgestellt und Sauerstoff aus Tanks über einen separaten Schlauch zum Helm (nur zum Helm) geleitet.
Für Anzugsanproben, Sitzproben, Bodentests, Training, das Anziehen des Anzugs vor dem Flug, usw. gibt es Bodengeräte, die die Anzüge mit Luft versorgen.
Für die Kühlung des Anzugs auf dem Weg zur Startanlage gibt es eine tragbare Ventilationseinheit PVU. Dies ist der kleine Kasten, den die Kosmonauten jeweils vor dem Start in der Hand tragen. Die PVU enthält einen Ventilator, der den Anzug mit Umgebungsluft versorgt. Dabei kann die Luft in einem Wärmetauscher mit normalem Eis gekühlt werden, das vorher eingefüllt werden muss. Die PVU fliegt nicht mit ins All und bleibt am Boden.

Wie dies beim Ami-Anzug im Detail aussieht, weiss ich nicht. Ich vermute aber, dass es ähnlich ist, da ja auch hier der Anzug möglichst leicht und einfach sein sollte, um das Gewicht möglichst tief zu halten.
Pojechali!

*

Offline Riker

  • *****
  • 607
Re: Raumanzüge
« Antwort #32 am: 30. Juli 2013, 09:40:49 »
Wie ist beim Sokol und dem neuen Ami-Anzug? Haben die eine interne Kühlung, oder bauen die auf die Umgebungsbedingungen in den jeweiligen Kapseln?

Sokol-KV-2 hat keine interne Kühlung. ...

Hallo Sternfahrer , vielen Dank für die vielen Zusatzinfos. Ja, das kleine Kästchen ist mir noch als Bild aus Kindertagen in Erinnerung, z.B. auf der Treppe vor dem Start...
"Machen Sie's so!"

Offline Ijon

  • ****
  • 426
Re: Raumanzüge
« Antwort #33 am: 30. Juli 2013, 13:14:12 »
Wie siehts denn mit der Lebensdauer der Sokol Anzüge aus?
Bekommen die die ôfter als nur einmal Fliegen für jeden Flug einen neuen?
Sie können sich noch so beeilen – es wird nicht früher.
Prof Lesch in alpha Centauri: Was macht die Zeit wenn sie vergeht?

Offline dksk

  • *****
  • 744
Re: Raumanzüge
« Antwort #34 am: 12. November 2013, 22:45:49 »
Hier mal viele "Originalinformationen" von Sokol über Orlan bis Strisch. Gegebenenfalls die Übersetzungshilfe mit lustigen Vorschlägen nutzen.
http://podelise.ru/docs/index-24935468-1.html

dksk

McFire

  • Gast
Re: Raumanzüge
« Antwort #35 am: 12. November 2013, 23:10:44 »
Der Raumanzug ganz oben gefällt mir am Besten  ;D

Naja die Jungs in RU werden da sicher ständig am Entwickeln sein.
Und warum sollen sich die Amis nicht auch mal Bewährtes abgucken. Das mit dem Zurödeln sieht zwar ulkig und unzuverlässig aus, aber "gummiertes" Gewebe ist (auch bei anderen Anwendungen) durchaus dicht zu kriegen.

Re: Raumanzüge
« Antwort #36 am: 13. November 2013, 19:11:07 »
Hier mal viele "Originalinformationen" von Sokol über Orlan bis Strisch. Gegebenenfalls die Übersetzungshilfe mit lustigen Vorschlägen nutzen.
http://podelise.ru/docs/index-24935468-1.html

dksk
Das muss die russische Version der Kapitel 7 bis 10 dieses Buches hier sein: http://www.amazon.de/Russian-Spacesuits-History-Springer-Exploration/dp/185233732X/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1384366059&sr=8-1&keywords=russian+spacesuits#_
Das Buch ist übrigens sehr empfehlenswert.
Pojechali!

Offline dksk

  • *****
  • 744
Re: Raumanzüge
« Antwort #37 am: 14. November 2013, 11:03:42 »
Themenschwenk: NASA Raumanzugshistorie

http://www.hq.nasa.gov/alsj/ILC-SpaceSuits-RevA.pdf

dksk

Offline dksk

  • *****
  • 744
Re: Raumanzüge
« Antwort #38 am: 14. November 2013, 14:43:48 »

McFire

  • Gast
Re: Raumanzüge
« Antwort #39 am: 14. November 2013, 17:29:01 »
Die NASA Historie liest sich spannend wie ein Buch !  :)

Re: Raumanzüge
« Antwort #40 am: 25. November 2013, 00:36:33 »
Ich hätte an dieser Stelle einmal eine Frage, die mir schon seit längerem im Kopf rumgeistert.
Der EMU besitzt einen Innendruck von ca. 300mbar, der Orlan-MK 400mbar, beide bei einer reinen Sauerstoffatmosphäre. Beide Drücke sind ist immer noch im "grünen Bereich".

Laut Wiki: The minimum concentration, or partial pressure, of oxygen that can be tolerated is 16 kPa (0.16 bar). Below this, the astronaut is at risk of becoming unconscious and dying from hypoxia.

Betrachtet man sich aber die Lanch Entry Suits der Shuttle-Crew (bzw. spätere Modelle ACES), so wurden diese bei einem Innendruck von 241mbar betrieben. Das sind ja nur noch 80mbar von der gefährlichen Grenze weg. Das geringste Leck....
Kann mir jemand sagen, weshalb der Druck so tief gewählt wurde? Maximale Bewegungsfreiheit im Falle einer Shuttle-Katastrophe?
Laut Wiki geht selbst das russische Pendant Sokol nur auf 400mbar runter, schaltet erst bei 600mbar Außendruck auf Sauerstoff um und kann nur per Hand über das mittig angebrachte Notfallventil kurzzeitig auf 270mbar runter gebracht werden, was angesichts des Stickstoffs im Blut (hat ja keine Vortmung von Sauerstoff stattgefunden) wohl sehr riskant ist. Umso mehr wundere ich mich über die 241mbar bei den Amis. Da müsste doch jeder Astronaut lange vor dem Shuttle-Start Sauerstoff voratmen, um den Stickstoff aus dem Blut zu holen. Kann das jemand aufklären?
Übrigens finde ich den neuen hier vorher gezeigten Launch-Entry-Suit von Final Frontiers lange nicht so cool, wie den von Orbital Outfitters, der bei XCOR zum Einsatz kommen soll:

http://orbitaloutfitters.com/what-we-do/#a1
Douglas Adams: "In an infinite universe, the one thing sentient life cannot afford to have is a sense of proportion."

jakda

  • Gast
Re: Raumanzüge
« Antwort #41 am: 26. November 2013, 06:51:40 »

McFire

  • Gast
Re: Raumanzüge
« Antwort #42 am: 26. November 2013, 14:23:55 »
DER sollte mal gleich den Fackeltransport übernehmen... ;D

*

Offline -eumel-

  • Raumcon Moderator
  • *****
  • 15218
Re: Raumanzüge
« Antwort #43 am: 26. November 2013, 15:26:41 »
Der hat doch nur den Bus zur Startrampe verpasst! ;D

*

Offline HausD

  • *****
  • 13753
Re: Raumanzüge
« Antwort #44 am: 26. November 2013, 15:52:01 »
Der hat doch nur den Bus zur Startrampe verpasst! ;D
Dabei wäre er im richtigen Anzug bereits im Bus, aber er muss im falschen Anzug hinterherrennen...

Gruß, HausD

Offline dksk

  • *****
  • 744
Re: Raumanzüge
« Antwort #45 am: 26. November 2013, 16:09:50 »
Wahrscheinlich mal wieder ans Rad gepinkelt!


Dabei ergibt sich die Frage: Wie wird die Dichtheit des Anzuges nach dem Pinkeln wieder hergestellt - die sind doch oben zugeschnürt - oder?

dksk

*

Offline HausD

  • *****
  • 13753
Re: Raumanzüge
« Antwort #46 am: 26. November 2013, 16:34:08 »
... und Märchen werden noch in 1000 Jahren erzählt.
HausD

Offline dksk

  • *****
  • 744
Re: Raumanzüge
« Antwort #47 am: 26. November 2013, 17:53:51 »
Du kannst einem aber auch noch den letzten Glauben nehmen!

dksk

ilbus

  • Gast
Re: Raumanzüge
« Antwort #48 am: 26. November 2013, 19:53:47 »
@ Doc Hoschi,

Ich kann in dem Fall leider nur vermutten. Ich meine, dass es etwas mit Sauerstoffmanagment zu tun hat. Geringerer Druck empliziert für mich geringere Arbeit des Astronauten dagegen, daraus folgere ich einen geringeren Verbrauch des Sauerstoffs. Abgesehen davon sind die Ansprüche an die Dichtigkeit und die Lecks geringer.

Bei welchen Drucken und Gemischen man arbeitet ist meistens ein Kompromiss und immer noch  ein Gegenstand aktiver Studien. Vor- und Nachteile sind sogar in selben Medien je nach Zweck in einander greifend. Ich habe nur am Rande es mitbekommen, welchen Aufwand man bei der Erforschung des Atemluftgemisches für die Taucher betreibt und die sind immer noch nicht am Ende. Ich denke für die Raumfahrt sieht es ähnlich aus.
« Letzte Änderung: 26. November 2013, 23:02:16 von Ilbus »

Re: Raumanzüge
« Antwort #49 am: 26. November 2013, 22:07:52 »
@Ilbus,

hatte ja auch erst die geringere Arbeit gegen den Anzug im Verdacht. Nur spielt das im Falle des ACES weniger eine Rolle, da er laut Spezifikation ohnehin nur bis zu einer Höhe von 30km gegen den Druckunterschied eingesetzt werden kann....und da herrschen meines Wissens nach immerhin noch 6 mbar ( ;D....laut dem Video von Baumgartners Sprung). Keine so große Gefahr des Aufblähens also wie bei einem EVA-Anzug.
Als Taucher weiß ich ja gerade wie gefährlich es ist, ohne Vorwarnung den Druck zu vermindern (plötzliche Dekompression beim zu schnellen Auftauchen), weswegen ich einfach nicht verstehen kann, weshalb in einem Shuttle-Cockpit in einem Notfall mal eben so von 1bar Luft auf 241mbar Sauerstoff umgeschaltet worden wäre. Da hätte der Stickstoff im Blut reagiert wie Kohlensäure in der Flasche beim Öffnen. Habe einfach nie was davon gehört, dass man die Shuttle-Crew hätte vor dem Start Sauerstoff voratmen lassen. Irgendwo ist da der Denkfehler.... >:(
Naja, vielleicht krieg ich das mit dem so geringen Druck beim ACES mal irgendwann raus und poste hier dann die Lösung.... :D
Douglas Adams: "In an infinite universe, the one thing sentient life cannot afford to have is a sense of proportion."